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LAIRE/049: Die Blue Card - Raubzug in der dritten Welt (SB)


Europaabgeordnete begrüßen das Abwerben von Fachkräften aus Entwicklungs- und Schwellenländern


Die Abgeordneten des Europaparlaments haben sich recht angetan von dem Plan der Brüsseler Strategen gezeigt, die Ausbeutung der Entwicklungsländer weiter voranzutreiben und den Zustrom an Fachkräften nach Europa zu erleichtern. Umgekehrt sollten Menschen, die perspektivisch keinen Nutzen abwerfen, mit allen Mitteln davon abgehalten werden, in den EU-Raum vorzudringen.

Das Projekt trägt den Namen Blue Card. Es zeigt damit, daß es sich an der Green Card orientiert, mit der die Vereinigten Staaten von Amerika regelmäßig frisches Blut ins Land holen. In der Wirtschaft nennt man diejenigen, die Fachkräfte aus anderen Firmen abwerben, Kopfgeldjäger. Die Blue Card erfüllt ähnliche Dienste, sie muß als verwaltungstechnisches Pendant zur Kopfgeldjagd angesehen werden.

Die Länder Asiens und Afrikas, aus denen die Fachkräfte abgeworben werden sollen, werden selbstverständlich nicht gefragt, ob sie damit einverstanden sind, wenn sie um ihre "Ernte" gebracht werden. Der Vergleich mit der Landwirtschaft trifft insofern zu, als daß eine Gesellschaft zunächst in die fachliche Ausbildung ihrer Mitglieder investieren muß, wie der Landwirt säen und düngen muß. Das beginnt mit dem Bau von Schulen, für die zudem Lehrpersonal einzustellen ist, und geht weiter über Bau und Betrieb von Hochschulen. Die gesamte bildungstechnische Infrastruktur muß als Vorleistung der Gesellschaft mit Blick auf den künftigen Nutzen, den die ausgebildete Fachkraft später einmal abwerfen soll, bilanziert werden.

An dieser Stelle will die Europäische Union ihre Netze auswerfen und die "reifen Früchte" ernten. Indem sie Ärzten, Ingenieuren, Juristen, Forschern, Managern oder Vertretern anderer Berufe ein attraktives Angebot unterbreitet, werden diese abgeworben. Sicherlich lassen sich davon nicht sämtliche Fachkräfte beeindrucken, da einige ihre Heimat nicht verlassen wollen, aber merklich viele. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 2006 arbeiten mehr als 25 Prozent der in Afrika ausgebildeten Ärzte in entwickelten Ländern. Jedes Jahr packen 30.000 afrikanische Fachkräfte ihre Koffer und ziehen nach Europa oder in die USA.

Übertragen auf die Landwirtschaft wäre das so, als wenn die afrikanischen oder asiatischen Länder Boden, Pflanzen, Dünger und Arbeitskräfte bereitstellten, aber die Ernte, kurz bevor sie eingefahren werden kann, abgegriffen wird. Mit der Blue Card soll ein Raubzug legitimiert werden, wie er im Buche steht.

Nun bleibt es natürlich nicht ohne negative Wirkung auf eine Gesellschaft, wenn aus ihr permanent die ausgebildeten Fachkräfte abwandern. Das trägt zur breiten Verarmung bei. Selbstverständlich gibt es zahlreiche weitere Faktoren als dieser sogenannte Brain Drain (Abfluß der "Gehirne"), die zur Verarmung einer Gesellschaft führen können, aber ebenso selbstverständlich muß der Abzug der Fachkräfte als einer davon angesehen werden. Eine Folge wird sein, daß tendenziell noch mehr Menschen die ausgebeuteten Länder verlassen wollen, und zwar nicht nur Fachkräfte. Deshalb haben sich die Europaabgeordneten für eine verstärkte Flüchtlingsabwehr ausgesprochen. Europa will nichts mit den Problemen, für die es teilverantwortlich ist, zu tun haben.

Die Menschen, die der in ihrer Heimat erzeugten Not fliehen wollen, werden nicht etwa als Opfer von Umständen angesehen, auf die sie keinen Einfluß haben, sondern als Illegale und damit Kriminelle. So bleibt die Europäische Union vermeintlich sauber, wenn sie ihre Außengrenzen militärisch absichert und beispielsweise Flüchtlingsboote im Mittelmeer oder ihm Ostatlantik zur Umkehr zwingt. Die Blue Card solle "Europa im weltweiten Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte wettbewerbsfähiger" machen, erklärten die Europaabgeordneten. Was beweist, daß nicht nur Europa auf Beutefang in der "dritten" Welt geht. Die definiert sich darüber, daß sie der ersten Welt zur Verfügung stehen soll.

28. September 2007