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DILJA/025: Unerwünschtes Wahlergebnis - Griechenland sagt Nein zu EU-Politik und EU-Parteien (SB)


Griechische Parlamentswahl erbringt starkes Votum für linksradikales Bündnis



"Schock-Wahl in Griechenland" und "Chaos siegt über Vernunft" titelte eine große deutsche Tageszeitung [1] in erfrischend deutlichen Worten zu der gestrigen Parlamentswahl in Griechenland. Der vorgezogene Urnengang in dem faktisch bereits unter der Kuratel der sogenannten Troika, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF), stehenden Land war im November vergangenen Jahres nach dem Rücktritt des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Giorgios Papandreou und der Einsetzung einer aus den beiden Traditionsparteien PASOK und Nea Dimokratia gebildeten Übergangsregierung unter Führung des Finanzexperten Loukas Papademos unabwendbar geworden, hat allerdings zu einem Ergebnis geführt, das in den Zentralen der Troika und den ihr verbundenen Medien ersten Reaktionen zufolge als größter anzunehmender Unfall bewertet wird. "Ein Schock für Griechenland, ein Schock für Europa", titelte "Bild", nicht ohne den Nerv der Verantwortlichen in den EU-Zentralen zu treffen, die die verheerenden Wahlniederlagen sowohl der PASOK wie auch der Konservativen als eine klare Absage der griechischen Wähler und Wählerinnen für ihre mit den sogenannten Sparpaketen verknüpfte Politik verstehen mußten.

Bereits nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen stand fest, daß die beiden Traditionsparteien, die sich in der politischen Führung des Landes seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahre 1974 abgewechselt haben, nicht einmal dann zur Regierungsbildung in der Lage wären, wenn sie eine gemeinsame Koalition als Pro-EU-Parteien bilden würden. Erdrutschartige Verluste kennzeichneten auf ihrer Seite den gestrigen Wahltag. Nach Angaben des griechischen Innenministeriums wurde die Nea Dimokratia mit 21 Prozent der Stimmen, was einen Verlust von 12,5 Prozent bedeutet, immerhin noch stärkste Partei im Parlament, während die PASOK sogar zwei Drittel ihrer Stimmen verlor und nur noch auf 14,7 Prozent kam [1]. Ohne Unterstützung einer dritten Partei oder abtrünniger Abgeordneter können die beiden Parteien, die erklärtermaßen den Sparkurs der EU fortsetzen wollen, die Aufgabe der Regierungsbildung, zu der der ND nun laut Verfassung drei Tage Zeit bleiben, bevor die Aufgabe an die zweitstärkste Partei übergeht, nicht bewerkstelligen, würden sie zusammengenommen lediglich auf 149 Abgeordnetensitze in dem 300 Sitze umfassenden Parlament kommen.

Bei der zweitstärksten Partei handelt es sich um das linke Wahlbündnis Syriza, das auf 15,2 Prozent kam und, sollte gegebenenfalls eine Koalitionsbildung mit weiteren Oppositionsparteien zu einer regierungsfähigen Mehrheit führen, durch diesen sensationellen Wahlerfolg unter Umständen sogar an die Regierung kommen könnte. Da dieses Bündnis im Wahlkampf erklärtermaßen einen konfrontativen Kurs gegenüber der Finanzpolitik der Troika eingeschlagen hat, stellt dieses Votum der griechischen Wähler und Wählerinnen in Verbindung mit den Erfolgen der übrigen Oppositionsparteien eine klare Absage an die von PASOK und ND bislang verfolgte "Spar"-Politik dar. Ebenfalls werden im Parlament vertreten sein voraussichtlich die Kommunisten mit 8,2 Prozent, die Demokratische Linke mit 6 Prozent, die als rechtspopulistisch geltende Kammenos-Partei mit einem klar konfrontativen Kurs gegenüber Deutschland mit 10,2 Prozent, aber auch die faschistische "Goldene Morgendämmerung" mit 6,7 Prozent [1].

Evangelos Venizelos, Vorsitzender der PASOK, suchte das Ergebnis zu verharmlosen, indem er erklärte, es gäbe "von den Wählern kein klares Votum" und als die seiner Meinung nach beste Möglichkeit eine von so vielen Parteien wie möglich gebildete Regierung vorschlug. Das linke Syriza-Bündnis hatte im Wahlkampf angekündigt, alle Abkommen mit den Gläubigern Griechenlands neu verhandeln zu wollen, was den deutschen Bundesfinanzminister Schäuble schon zu ersten Drohungen veranlaßt hatte, indem er erklärte, die Griechen hätten "mit Konsequenzen zu rechnen", falls sie nicht das gewünschte Wahlergebnis lieferten. Alexis Tsipras, Vorsitzender des Wahlbündnisses Syriza, der bereits deutlich seine Bereitschaft signalisiert hat, ein linkes Bündnis zu schmieden, ließ diese Provokation nicht unbeantwortet: "Wir antworten Herrn Schäuble, dass Griechenland eine neue Regierung bekommt. Das Land wird von Menschen regiert werden, die nicht auf den Bestechungslisten von Siemens stehen." [2]

An die deutsche Kanzlerin gerichtet erklärte er, sie müsse verstehen, daß ihre Politik verloren habe, die Wahlergebnisse in Griechenland seien ein klarer Auftrag für eine friedliche Revolution. Dem sogenannten Rettungsschirm erteilte er eine klare Absage, wohingegen der Austritt aus EU und Euro-Zone, wie für die Kommunisten ausgemachte Sache, für dieses Bündnis keineswegs eine zwingende Option darstellt. Alexis Tsipras machte deutlich, daß die Parlamentswahl in Griechenland in seinem Verständnis zugleich auch eine EU-Wahl ist. Er nahm nicht nur direkt zu der von Deutschland maßgeblich vorangetriebenen und dominierten Griechenland-Politik der EU Stellung, sondern erklärte, nicht zuletzt auch an die Adresse der EU-Oberen gerichtet, daß das griechische Volk ein starkes Zeichen setzen werde "für einen Richtungswechsel in Europa" [1]. Nach der gestrigen Parlamentswahl ist zumindest die Phase, in der Brüssel dank williger Helfer und Vollstrecker in der griechischen Regierung problemlos von oben nach unten bzw. vom Zentrum bis in die südlichste Peripherie durchregieren konnte, vorbei.

Fußnoten:

[1]‍ ‍Schock-Wahl in Griechenland. Chaos siegt über Vernunft. Von Paul Ronzheimer in: Bild, 07.05.2012 - 08:16 Uhr,
http://www.bild.de/politik/ausland/griechenland-krise/wahl-nazi-parteien-und-linksextremisten-triumphieren-euro-reformer-bestraft- 24007264.bild.html?wtmc=go.off.news

[2]‍ ‍Die Athener Linken sollten jetzt ihrem Herzen folgen. Von Jannis Papadimitriou in: taz, 07.05.2012,
http://www.taz.de/Kommentar-Wahlergebnis-in-Griechenland/!92894/

7.‍ ‍Mai 2012