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PREIS/192: Jugendbuchautor Dirk Reinhardt erhält Friedrich-Gerstäcker-Preis (Stadt Braunschweig)


Stadt Braunschweig - Pressemitteilung von Dienstag, 29. März 2016

Dirk Reinhardt erhält Friedrich-Gerstäcker-Preis


Braunschweig. Der Schriftsteller Dirk Reinhardt erhält für sein Buch "Train Kids" den mit 8.000 Euro dotierten Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur der Stadt Braunschweig. Die Auszeichnung wird am Donnerstag, 21. April, ab 17.30 Uhr im Braunschweiger Altstadtrathaus überreicht.

In dem für Jugendliche ab 13 Jahren empfohlenen, 2015 im Gerstenberg Verlag erschienenen Roman erzählt Dirk Reinhardt die Geschichte von fünf Jugendlichen, die sich auf den Weg durch Mexiko machen, um schließlich über die Grenze in die USA zu gelangen. Vor ihnen liegen über zweieinhalbtausend Kilometer, die sie als blinde Passagiere auf Güterzügen zurücklegen.

Der 14-jährige Miguel aus einem Dorf in den Bergen von Guatemala bricht auf, um seine Mutter wiederzufinden. Vor Jahren hat sie ihn und seine Schwester Juana zurückgelassen, um in die USA zu gehen und dort zu arbeiten. Viele Jahre bleibt sie in der Fremde - und kehrt nie zurück, obwohl sie es so oft verspricht. Schweren Herzens lässt Miguel seine Schwester zurück und macht sich auf den langen Weg nach Norden. An der Grenze zu Mexiko trifft er andere, die das Gleiche vor haben wie er. Sie beschließen, die Reise gemeinsam zu versuchen. Alle sind getrieben von der Sehnsucht nach Menschen, die sie verloren haben - und von der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Miguel und den anderen wird klar, dass sie nur Teil eines viel größeren Trecks sind, der nach Norden rollt. Viele Tausende sind als blinde Passagiere auf den Zügen unterwegs. Und große Gefahren warten auf sie.

Der Roman »Train Kids« widmet sich diesem hierzulande noch wenig bekannten Kapitel der Armutsmigration von Kindern und Jugendlichen. Er beruht auf intensiven Recherchen vor Ort in Mexiko, auf vielen Gesprächen sowohl mit den betroffenen Jugendlichen selbst als auch mit den Mitarbeitern von Hilfsorganisationen. Schätzungsweise 50.000 Kinder und Jugendliche aus Mittelamerika sind ständig auf den Güterzügen in Mexiko unterwegs, um sich zu ihren Angehörigen in den USA durchzuschlagen. Ihre Reise gehört nach Ansicht von Amnesty International zu den »gefährlichsten der Welt«.

Die Begründung der Preisjury lautet:

"Mit "Train Kids" hat Dirk Reinhardt ein literarisches Road Movie zum Thema Flucht und Migration vorgelegt, dessen Handlung im Wesentlichen in Mexiko angesiedelt ist, deren hierin beschriebenen Motivationen der Menschen zur Flucht und den damit verbundenen Strapazen aber auch in anderen Teilen der Welt ähnlich aktuell vorkommen könnten. Die fünf Protagonisten Miguel, Fernando, Emilio, Jaz und Angel bilden eine Zufallsgemeinschaft auf ihrer Flucht vor Armut, Unterdrückung und Zukunftslosigkeit in ihrer Heimat. Ziel ihrer Reise durch Mexiko sind die USA, ihr Antrieb ist der Traum von einem besseren Leben. Die Reise und dieser Traum stehen im Zentrum des Romans. Alle fünf Jugendlichen suchen nach individuell unterschiedlichen traumatischen Erlebnissen ihren Platz in der Welt - und nähern sich während der gemeinsamen Reise teilweise der Erkenntnis, dass dieser Platz für sie nicht jenseits der Grenze zu den USA liegen wird.

Mit ausgeprägter Erzähldynamik kombiniert der Autor das actiongeladene Geschehen während der Reise mit Rückblicken auf das bisherige Leben der fünf Jugendlichen. Der Leser wird so Zeuge der Demütigungen und existenziellen Bedrohungen, denen die Kinder in ihrer Heimat ausgesetzt gewesen sind und die sie zu der verzweifelten Entscheidung geführt hat, ihr Leben zu riskieren in der Hoffnung, tausende Kilometer entfernt von dem vertrauten Umfeld eine unsichere Zukunft zu finden. Die dramatischen und erschütternden Ereignisse während ihrer Odyssee lassen der Gruppe, aber auch dem Leser kaum eine Atempause, jede neue Etappe durch Wüste oder Gebirge verstärkt immer mehr das Wissen, wie ohnmächtig die Flüchtlinge denjenigen Erwachsenen, aber auch Gleichaltrigen ausgesetzt sind, die die Not der Flüchtenden zur eigenen Bereicherung nutzen: die fünf sind Spielball von Gier, Schikanen, Rassenhass und Brutalität.

Anhand mitreißender Bilder und durch ausgiebige Recherchen in Mexiko fundierter Beschreibungen gelingt es Dirk Reinhardt, den Leser zu einem Mitglied der Gruppe zu machen und ihn emotional in den Verlauf der Geschichte einzubinden, ihn jede Enttäuschung, aber auch jeden neuen Hoffnungsschimmer, miterleben zu lassen.

Die vielen Rückschläge lassen die einzelnen Mitglieder der kleinen Gruppe zu sehr unterschiedlichen Erkenntnissen gelangen und noch während der Durchquerung Mexikos eigene, neue Wege einschlagen. Nur zwei - Miguel und Jaz - überqueren schließlich die Grenze in die USA, doch es bleibt wenig Hoffnung, dass sie ihren Traum hier werden leben können.

Dirk Reinhardt hat zu einer Zeit, in der das Problem von Millionen von Flüchtlingen seine Fokussierung auf Europa und den Nahen Osten genommen hat, den Blick auf ein ausgeblendetes Thema gelenkt: die erschütternden Schicksale von jugendlichen Flüchtlingen in Mittelamerika. Er schärft und erweitert damit wieder eine Thematik, die noch immer mit einem zu sehr eurozentristischen Blick betrachtet wird. Sein Buch ist so emotional bewegend wie authentisch, so erschütternd wie einfühlsam dem Mut der Kinder und Jugendlichen gegenüber; so thematisch und literarisch wertvoll wie politisch notwendig."

Mitglieder in der neunköpfigen Preisjury waren Udo von Alten (Friedrich-Bödecker-Kreis e. V.), Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Behr (Germanist/ehem. TU Braunschweig), Dr. Annette Boldt-Stülzebach (Stadt Braunschweig, Abteilung Literatur und Musik), Dr. Ina Brendel-Perpina (Germanistin/Universität Bamberg, Sabine Lippert (Stadtbibliothek Braunschweig, Sparte Kinder- und Jugendbuch), Thomas Ostwald (Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft), Katrin Wonschik (Buchhandel), Claudia Pierick und Mariel Reichard als Vertreterinnen der Jugendjury.

Der Preisträger wurde 1963 in Bergneustadt geboren. Er studierte Geschichte und Germanistik und war nach seiner Promotion bis 1994 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Münster tätig. Anschließend arbeitete er als freier Journalist. 2009 erschien sein erstes Kinderbuch, dem bald weitere folgten.

1947 von der Stadt Braunschweig gestiftet, erinnert der Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur an den Weltreisenden und Abenteuer-Romancier Friedrich Gerstäcker, der seine Jugend und seine letzten Lebensjahre in Braunschweig verbrachte. Der älteste deutsche Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 31. Mal verliehen. Im zweijährigen Turnus wird ein Buch ausgezeichnet, das Jugendlichen im Alter ab zwölf Jahren das Abenteuer der Begegnung mit fremden Welten fantasievoll vor Augen führt und dabei die Gedanken der Toleranz und Weltoffenheit in sprachlich anspruchsvoller Form näher bringt. Den Preis erhielt zuletzt Anna Kuschnarowa und zuvor u. a. Martin Grzimek, Anja Tuckermann, Iva Procházková, Christa-Maria Zimmermann, Günther Bentele, Sigrid Heuck und Klaus Kordon.

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Quelle:
Pressemitteilung von Dienstag, 29. März 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2016

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