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MELDUNG/090: 100 Jahre Heinrich Böll - Mahner, Erinnerer, Aufrüttler, Kämpfer (Kulturrat)


Deutscher Kulturrat e.V. - Pressemitteilung vom 16. Dezember 2017

100 Jahre Heinrich Böll: Mahner, Erinnerer, Aufrüttler, Kämpfer

Politik & Kultur widmet dem Autor einen Schwerpunkt zum Jubiläum


Heinrich Böll gehört zur Generation jener Autoren, deren Leben und Schreiben von erlebtem Krieg und Zerstörung, von Entbehrung und Leid, von politischen Auseinandersetzungen und Streit der Nachkriegszeit geprägt war. Er zählt zu jenen, die das Erlebte nicht nur künstlerisch verarbeiteten, sondern auch politisch Stellung nahmen. Darum ist für mich der Schriftsteller Heinrich Böll nicht vom politischen Menschen und Aktivisten zu trennen.

Für viele jüngere Menschen ist Heinrich Böll inzwischen Geschichte. Er ist unzweifelhaft ein Autor des 20. Jahrhunderts und zwar nicht nur, weil dies seine Lebenszeit war, sondern auch, weil die Themen seiner Werke zeitgeschichtlich geprägt sind. Seine Themen sind die Menschen in ihrer Zeit - ihr Leben, ihre Unzulänglichkeiten, ihr Überlebenskampf. Diese Fragestellungen verhandelt Heinrich Böll in seiner unverwechselbaren lakonischen Sprache, deren Sprachwitz und feine Ironie in den Bann ziehen.

Erstes Thema des Autors Heinrich Böll war die unmittelbare Nachkriegszeit. Seine Erzählungen und Kurzgeschichten verdichten Not und Elend, Trümmer und Zerstörung, aber vor allem auch die moralischen Zweifel und die Leere nach zwölf Jahren Faschismus. Böll blieb mit seinem Werk aber nicht in der unmittelbaren Nachkriegszeit stehen. Er griff immer wieder zeitgeschichtliche Ereignisse und Phänomene auf. So ist seine Erzählung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«, erschienen im Jahr 1974, eine Verarbeitung der Erfahrungen seines Sohnes Raimund Böll, der in das Netz der Terrorfahndung nach Mitgliedern der RAF geriet und der ebenso wie Heinrich Böll auf das Übelste von der Bild-Zeitung verleumdet und geschmäht wurde.

Die Bedeutung Heinrich Bölls erschöpft sich aber nicht in seinem literarischen Werk. Auch wenn er zweifelsohne zu den bedeutenden deutschsprachigen Nachkriegsautoren des 20. Jahrhunderts zählt und mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde.

Heinrich Böll war zugleich ein eminent politischer Mensch. Er setzte sich für verfolgte Autoren ein und öffnete ihnen sein Haus, auch wenn er, wie das Beispiel Alexander Solschenizyn zeigt, keineswegs mit ihnen politisch in allem übereinstimmte. Im ehemaligen Ferienhaus der Familie Böll in Langenbroich wird dieses Vermächtnis fortgeführt. Er suchte den Kontakt zu Autoren und anderen Künstlern hinter dem Eisernen Vorhang, welche die politischen Verhältnisse kritisierten und für Meinungs- und Kunstfreiheit eintraten. Er hielt dabei seine Meinung nicht hinter dem Berg zurück.

Als seinerzeit bereits bedeutender Autor hat er auf dem Schriftstellerkongress im Jahr 1969 das »Ende der Bescheidenheit« ausgerufen und Autoren aufgefordert, sich für ihre Rechte einzusetzen und für eine angemessene Vergütung zu streiten. Er gehört damit mit vielen anderen zu den Wegbereitern einer sozialen Absicherung freiberuflicher Künstler und Publizisten. Im Jahr 1972 veröffentlichten Karla Fohrbeck und Andreas Wiesand den »Autorenreport« und belegten damit empirisch die soziale und wirtschaftliche Not von Autoren. Die seit mehr als 35 Jahren existierende Künstlersozialkasse geht auch auf das Engagement von Autoren wie Heinrich Böll zurück, die sich mutig und streitbar für bessere Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung der Schriftstellerkollegen einsetzten. Dieses geschah in einem politischen Klima des Aufbruchs, das auch dazu beitrug, dass sich Künstler in Verbänden zusammenschlossen und für ihre Rechte eintraten. Nicht zuletzt ist die Gründung des Deutschen Kulturrates Anfang der 1980er Jahre in diesen Kontext einzuordnen.

Heinrich Bölls Engagement erstreckte sich aber nicht nur auf die Verbesserung der Lage der eigenen Zunft. Böll gehört zu jenen glaubwürdigen und wichtigen Streitern für Frieden und Versöhnung. In mein Gedächtnis haben sich die Bilder eingebrannt, wie der schon gebrechliche Heinrich Böll zu den Blockierern von Mutlangen gehörte und mit körperlichem Einsatz gegen die Nachrüstung, den Nato-Doppelbeschluss, eintrat. Heinrich Bölls Engagement für den Frieden war getragen von seinen eigenen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Glaubwürdig und integer war sein Engagement. Sein Mahnen für den Frieden ist ebenfalls heute noch so aktuell wie zu Beginn der 1980er Jahre.

Böll bezog noch zu weiteren politischen Themen Stellung. Dabei war er stets auf der Seite der Schwachen und derjenigen, die sich für andere und die Gesellschaft einsetzten.

Heinrich Böll wäre am 21. Dezember dieses Jahres 100 Jahre alt geworden - Zeit, an diesen bedeutenden deutschsprachigen Schriftsteller zu erinnern. Wir haben ihm deshalb den Schwerpunkt in der aktuellen Ausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, gewidmet.


Politik & Kultur mit dem Schwerpunkt "100 Jahre Heinrich Böll kann als kostenlos als E-Paper heruntergeladen werden:
https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2017/10/puk06-17.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 16. Dezember 2017
Deutscher Kulturrat e.V.
Mohrenstr. 63, 10117 Berlin
Telefon: 030-226 05 28-0, Fax: 030-226 05 28-11
E-Mail: post@kulturrat.de
Internet: http://www.kulturrat.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2017

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