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BERICHT/009: Sorglos - Andy Strauß räumt bei Poetry Slams ab (wissen leben - WWU Münster)


wissen leben - Nr. 6, 16. Dezember 2009

Die Zeitung der WWU Münster

Sorglos - AStA-Referent Andy Strauß räumt bei Poetry Slams ab


Glück, Zufall, Schicksal? Geplant ist relativ wenig im Leben von Andy Strauß. Muss aber auch nicht, denn der AStA-Kulturreferent ist genau da angekommen, wo er sein will: auf der Bühne.

Angefangen hatte nach dem Zivildienst alles mit Informatik. "Ich bin der erste in meiner Familie, der an einer Uni gelandet ist und hatte gar keine Vorstellungen und Vorbilder, was ich machen könnte." Strauß war sehr gut in Mathe, die Zulassung war auch kein Problem, also fing er mit dem eher trockenen Informatik-Studium an. Gleichzeitig ergatterte er aber auch einen der ersten Bachelor-Plätze an der WWU in Biologie. Schnell merkte der gebürtige und noch immer bekennende Ostfriese, dass das überhaupt nichts für ihn war. "Da bin ich dann in der Soziologie gelandet, das war das Richtige für mich."

Das "Richtige" nicht nur, weil das Fach "sehr studierbar" sei, sondern auch, weil man viel Empathie braucht - und die hat Andy Strauß ohne jeden Zweifel. "Man muss sich in etwas hinein versetzen können", meint der 28-Jährige, und sowohl seine Bühnenauftritte wie auch sein erstes Buch "Etasblish Mensch" belegen diese besondere Gabe, die das Multi-Talent auch in der Musik und in der bildenden Kunst auslebt. Ein zweites Buch ist gerade in Arbeit.

Strauß ist "Poetry Slammer", er betreibt Literatur als Wettbewerb und ist damit so erfolgreich, dass er zweimal den "Poetry Slam" im WDR gewonnen hat. Drei Minuten hatte jeder Teilnehmer Zeit, um seinen Text vorzutragen - eigentlich viel zu kurz, wie Strauß meint. "Da bleibt viel auf der Strecke, deshalb nehme ich auch dreimal im Monat an Lesebühnen teil." Trotzdem ist ein Poetry Slam für ihn die ideale Form, sich auf der Bühne auszudrücken: "Gerade das Offene gefällt mir, jeder, der will, kann mitmachen."

Das Publikum bestimmt, welcher Künstler am besten gefallen hat. Regelmäßig räumt Strauß dabei den ersten Preis ab. Eine Flasche Schnaps ist ihm dabei lieber als Geld: "Den Schnaps kann man mit den anderen Slammern teilen, beim Geld ist die Missgunst größer. Aber ich will keinen Streit in der Szene provozieren. Wir sind wie eine große Familie." Auch wenn Strauß sich mit den anderen Teilnehmern eines Poetry Slams verabredet, das Geld aufzuteilen, kann er inzwischen von seiner Kunst leben, vor allem durch die Solo-Lesungen fließt Geld in die Kasse.

Schnell spricht er sowieso, noch schneller, wenn er auf der Bühne steht und seine Texte unter Zeitdruck loswerden muss. Und ebenso schnell entstehen sie auch: "Es fließt einfach raus." Seinen Notizblock hat Strauß immer dabei, er mag es nicht, am Laptop zu arbeiten, das ist ihm zu umständlich. Ernsthaft mit dem Schreiben angefangen hat er 2006. Es gibt Texte, die funktionieren nur, wenn er sie live vorträgt, andere muss der Leser für sich selbst entdecken. Eines ist ihnen aber allen gemeinsam: Strauß vermittelt überraschende Sichten auf die Welt. "Ob ich will oder nicht, ich nehme immer verschiedene Perspektiven ein, so kann man sich am besten die Welt erklären." Da ist sie wieder, die Empathie, die er auch in seinem Studium benötigt. Ob er das jemals abschließen wird, ist allerdings ungewiss, denn: "Ich brauche den Abschluss nicht für das, was ich machen will."

Auf der Bühne will er stehen, denn das sei "einfach ein geiles Gefühl, gerade wenn man was macht, was die Leute mitreißt." Eine Freundin habe ihn neulich gefragt, was er in zehn Jahren machen wolle. "Ich habe ihr geantwortet, dass ich dann immer noch auf der Bühne stehen will, am liebsten in einem Theaterstück. Am nächsten Tag bekam ich die Anfrage, ob ich im kommenden Jahr im Pumpenhaus spielen möchte", erzählt Strauß und fügt hinzu: "Wenn das so bleibt mit meinem Glück, dann mache ich mir keine Sorgen." - bn


Andy Strauß, "Establish Mensch",
U|Books-Verlag, Diedorf 2009, 9,95 Euro


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Quelle:
wissen leben - Die Zeitung der WWU Münster, Nr. 6, 16. Dezember 2009, S. 3
Herausgeberin:
Die Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Redaktion: Brigitte Nussbaum (verantw.)
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Im freien Verkauf beträgt die Bezugsgebühr ein Euro/Stück.


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2009