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PROJEKT/201: Indien - Kinderkrippe am Rande der Steinbrüche


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2009

Staubige Kindheit
Indien: Kinderkrippe am Rande der Steinbrüche

Von Michael Heuer


Der Tag geht zu Ende, die letzten Arbeiter packen ihre Habseligkeiten. Feierabend in einem der zahllosen Steinbrüche in Bundi, einer Stadt im indischen Bundesstaat Rajasthan. Eben noch herrschte hier ohrenbetäubender Lärm. Überall sah man Männer, Frauen und Kinder mit staubbedeckten Gesichtern und Händen bei der Arbeit. Bis zu zwölf Stunden dauert der Arbeitstag in den Steinbrüchen. Und jeden Tag wiederholt sich die Szene: Menschen klopfen Steine, brechen große Felsbrocken oder schleppen Gesteinsreste fort. Dazwischen sieht man kleine Feuer, auf denen Essen oder Tee zubereitet wird.

Mehr als 50 dieser Steinbrüche gibt es in und um Bundi. Die Konkurrenz unter den Arbeitern ist groß, denn es gibt kaum eine andere Arbeit. Der Lohn für den Knochenjob reicht oft nicht aus, um die Familien zu ernähren. Deshalb ist Kinderarbeit sehr verbreitet. Kinder arbeiten, weil ihre Eltern nicht genügend verdienen. Und so setzt sich der Kreislauf der Armut fort: Weil Kinder arbeiten, sinkt das Lohnniveau, was die Armut noch verschärft.


Hohes Gesundheitsrisiko

Dass Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten, ist keine Seltenheit in den Steinbrüchen von Rajasthan. In Bundi ist ihre Zahl aber besonders hoch. Selbst Kleinstkinder sieht man zwischen Steinhaufen und unter dichten Staubwolken spielen. Krabbelstuben und Kindergärten gibt es nicht. Darum bringen die Eltern ihre Kinder häufig mit in die Steinbrüche. Und so wachsen Jungen und Mädchen - mangels Alternativen - von klein auf zu Kinderarbeitern heran. Die Chance, jemals etwas anderes als die Arbeit in den Steinbrüchen zu finden, ist gering.

Die Arbeit in den Steinbrüchen fordert aber noch einen ganz anderen Preis: Viele Kinder leiden bereits in jungen Jahren an Atemwegserkrankungen, Durchfall, Hauterkrankungen und Wachstumsstörungen. Hinzu kommen Schädigungen der Lunge durch das ständige Einatmen des Staubes. Die Gefahr, an den Folgen einer Staublunge zu sterben, ist extrem hoch.


Krippe der Hoffnung

Um die Lebenssituation von Kleinkindern zu verbessern, gründeten Mitarbeiter der Organisation "Mine Labour Protection Campaign" (MLPC) drei provisorische Krippen. Mit Unterstützung von terre des hommes soll die Kinderbetreuung nun zu einer dauerhaften Einrichtung werden. Seit Ende vergangenen Jahres können bereits 75 Kinder regelmäßig die Krippe besuchen. Dort bekommen die Kleinen jeden Tag nahrhaftes Essen. Für die medizinische Betreuung der Kinder ist gesorgt, und auch an Spiel- und Lernmaterial fehlt es nicht mehr: Spiele, Kreide, Bastelmaterial, Stifte und Bücher gibt es seit ein paar Wochen in allen Krippen. Momentan kümmern sich sechs Frauen um das Wohl der Kinder. In Zukunft sollen Kurse für ältere Kinder angeboten werden, um sie so auf den Besuch einer Schule vorzubereiten.

Noch gibt es viele Kinder, die unter den lebensgefährlichen Bedingungen in den Steinbrüchen von Bundi aufwachsen. Doch mit der Einrichtung der Kinderkrippe ist endlich ein Anfang gemacht, den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

terre des hommes unterstützt das Kinderkrippen-Projekt mit 10.000 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2009, S. 6
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2010