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LÄNDERBERICHT/065: Peru - Wasser ist keine Ressource


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2007

Für die Quellen singen
Peru: Wasser ist keine Ressource

Von Peter Strack


Der 8. September ist für Hernán Yance aus dem Weiler Uchuyri in der peruanischen Berggemeinde von Quispillaccta ein besonderer Tag. Dann wird der 13-Jährige eine Aktion zur Reinigung der Wasserkanäle leiten. Er ist dabei auch für die Durchführung der dazugehörigen Riten verantwortlich. Hernán wird das Wasser um Erlaubnis bitten, es nutzen zu dürfen.


In vielen traditionellen Bauernkulturen der Welt ist das Wasser keine "Ressource", die es auszubeuten gilt. Auch das kostbare Nass hat seine Seele, "seine Vorlieben für bestimmte Lieder oder Tänze. Ohne dies gibt es kein Glück", reklamierten die Bewohner der benachbarten Gemeinde Unión Potrero, als die Dorfautoritäten der Musik keine Aufmerksamkeit mehr schenkten, um stattdessen die Reinigungsarbeiten zu beschleunigen. Das Leben könne nur gedeihen, wenn zwischen Mensch und Natur Zuneigung und guter Wille herrschen, argumentierten die Bauern. Früher war solches Denken weit verbreitet. Im Zuge der Modernisierung und Verstädterung ist viel davon verloren gegangen.


"Das Wasser mag keinen Beton"

Statt der Natur ist nun der Staat Ansprechpartner. Er ist verantwortlich für die Erhaltung der Wasserreserven und dafür, dass alle, auch die Bewohner der Großstädte, genug zum Trinken haben. Der Staat erteilt die Erlaubnis zur Wassernutzung oder verkauft Lizenzen, die später auf dem Markt gehandelt werden. Hier entscheidet nicht mehr der persönliche Bedarf, wer wie viel Wasser bekommt und wofür es genutzt wird, sondern die Kaufkraft.

Als nahe Quispillaccta der Cachi-Fluss gestaut wurde, um die Stadt Ayacucho mit Strom zu versorgen, verloren viele Bauern wertvolle Weidefläche. Um keinen Tropfen für den Stausee zu verlieren, wurden umliegende Quellen mit Zement eingemauert und Kanäle angelegt. "Ich habe dem Ingenieur damals gesagt, er solle die Einfassung fünf Meter unterhalb der Quelle machen. Aber er wollte nicht", erzählt Francisco Nuñez, der damals Vorarbeiter war. Heute ist der Kanal ausgetrocknet, die Quelle sprudelt hangabwärts neben dem Kanal hervor. Bei lockerem Bodenmaterial sei denkbar, dass das Quellwasser die Betonwanne unterspült, räumen Wasserbauingenieure ein. Mit Stein, Erd- oder Lehmkanälen wäre das nicht passiert, meinen die Kleinbauern. Diese Materialien gehörten nämlich zur gleichen Familie wie das Wasser. Aus den Kanälen der Quechua-Bauern jedenfalls mag Wasser in den Boden entweichen, aber sie erfüllen ihre Funktion.

Ohnehin könne man sich doch nicht einfach Wasser nehmen, ohne dessen Gefühle zu berücksichtigen, sagen die Bauernfamilien und werden von der Vereinigung Bartolomé Aripaylla (ABA) bei der Stärkung der eigenen Kultur ermutigt. Unterstützt von terre des hommes und der Niedersächsischen Umwelt-Lotterie BINGO haben sie in Quispillaccta bewiesen, dass es mit andiner Fürsorge für die Natur möglich ist, vertrocknete Weiden neu zu begrünen und erodierte Böden wieder fruchtbar zu machen. "Weil wir unser Fest neu entdeckt haben, fließt das Wasser wieder reichlicher", ist Hernán überzeugt.


Wer hat wie viel Wasser?


Anteil an den
Weltwasserreserven
Anteil an der
Weltbevölkerung
Asien
Lateinamerika
Australien
Nordamerika
Afrika
Europa
36 %      
26 %      
15 %      
15 %      
15 %      
8 %      
60 %      
6 %      
1 %      
8 %      
13 %      
13 %      

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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2007, S. 4
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2007