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HINTERGRUND/185: "Wer Hunger überwinden will, muss Kleinbauernfamilien stärken"


die zeitung - terre des hommes, 01/2012

»Wer Hunger überwinden will, muss Kleinbauernfamilien stärken«

Interview mit terre des hommes-Experte Frank Garbers über Strategien gegen den Hunger



FRAGE: Wie kann man mit einem Projekt Hunger konkret bekämpfen?

FRANK GABERS: Wir haben die paradoxe Situation, dass die meisten hungernden Menschen auf der Welt auf dem Land leben bzw. Kleinbauern sind. Wer langfristig Hunger bekämpfen will, muss diese Menschen wieder in die Lage versetzen, ihre Nahrungsmittel selber zu produzieren. Hier setzt terre des hommes mit seiner Projektarbeit an. In Simbabwe zum Beispiel, wo die Ernährungssituation aufgrund von Dürren und der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besonders schlecht ist, hilft unser Projektpartner MASO Familien dabei, sich mit der Zucht von Hühnern und Ziegen selbst zu versorgen. MASO verteilt zudem Saatgut, damit die Dorfbewohner Gemüsegärten anlegen und gesunde Nahrung anbauen können. Besonders wichtig sind dabei Schulungen in kostensparenden und ökologisch angepassten Anbaumethoden, die in vielen Projekten insbesondere mit Jugendlichen durchgeführt werden. Denn jungen Menschen muss eine Perspektive auf dem Land und auch in der Landwirtschaft aufgezeigt werden, damit sie nicht in die Städte ziehen, sondern in ihren Dörfern bleiben und Nahrungsmittel für sich und die Versorgung der Region anbauen.

FRAGE: Hunger ist ja nicht nur Ausdruck von Nahrungsmangel, sondern hat viele politische Ursachen. Was tun Partner von terre des hommes auf dieser Ebene?

FRANK GABERS: Wer Hunger überwinden will, muss Kleinbauernfamilien stärken. Wer Kleinbauernfamilien stärken will, der muss ihre Regierungen dazu bringen, gute Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kleinbauern erfolgreich wirtschaften können. Sie brauchen Zugang zu Land, Wasser und Saatgut. Das sind ihre Lebensgrundlagen, die ihnen nicht geraubt oder durch Umweltverschmutzung und giftige Rückstände von Fabriken und Bergwerken zerstört werden dürfen. In Peru setzten sich Partnerorganisationen von terre des hommes dafür ein, dass traditionelle Produktionsmethoden gefördert werden und nicht nur die Agrarindustrie. Der Staat steht in der Pflicht, das von den Vereinten Nationen völkerrechtlich anerkannte Recht auf Nahrung zu garantieren. Wichtig ist es, auf der lokalen Ebene anzusetzen. Das zeigt ein Projekt unseres kolumbianischen Partners CACTUS, mit dem im Umland der Hauptstadt Bogotá konkrete Vorschläge für eine Verbesserung der Ernährungssituation in der Region erarbeitet wurden. CACTUS setzt sich mit den Verantwortlichen in dieser Region an einen Tisch, um genau abzusprechen, was getan werden muss: Die in Kolumbien verbreitete Blumenindustrie darf die Umwelt nicht mit Pflanzengiften zerstören, die auch die Kleinbauern und ihre Kinder schädigen; die Infrastruktur und der Zugang zu den umliegenden Märkten muss verbessert werden, damit die Bauern ihre Ernten in den umliegenden Dörfern oder auch in Bogotá verkaufen können, die Kinder brauchen ordentliche und für sie erreichbare Schulen, in denen auch Wissen über traditionelle und moderne Landwirtschaft und Pflanzenanbau vermittelt wird.

FRAGE: Fachleute warnen vor einer neuen Hungersnot im Sahel. Was heißt das für terre des hommes?

FRANK GABERS: In der Tat verschlechtert sich die Ernährungssituation im westlichen Afrika. Wir prüfen derzeit ein Projekt in Burkina Faso, mit dem Getreidespeicher eingerichtet werden sollen. Solche Speicher sind eine große Hilfe im Kampf gegen Hunger, denn immer wieder gehen große Teile der Ernten verloren, weil sie nicht gut gelagert werden können. Im Rahmen der Neuorientierung unserer Arbeit im westlichen Afrika werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungslage der Menschen berücksichtigt, denn der Klimawandel ist eine zentrale Ursache von Missernten und dadurch ausgelöste Hungersnöte. Die Mutter-Kind Gesundheit, bei der die Ernährung eine zentrale Rolle spielt, wäre hier ein wichtiger Ansatz. Hungern Kinder sehr früh in ihrer Entwicklung, beeinträchtigt sie das oft für ihr ganzes Leben. Wir müssen deshalb mit unserer Hilfe bei den Kindern ansetzen, die am meisten unter Hunger und Mangelernährung leiden.


Dr. Frank Garbers ist Referent für Programmkoordination bei terre des hommes

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Quelle:
die zeitung, 01/2012, S. 3
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2012