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HINTERGRUND/180: Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein Verbrechen. Überall.


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2011

Nicht wegschauen
Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein Verbrechen. Überall.

von Tanja Abubakar-Funkenberg


Man kann es sehen. Männer in ihrer Urlaubsmontur nähern sich Kindern. Sie laufen mit Kindern an der Hand über den Strand. Sie spendieren Kindern Limonade. Sie werden immer wieder mit denselben Kindern gesehen. Sie fassen die Kinder an. Und sie gehen mit den Kindern nicht um, wie man mit Kindern umgeht. Sondern wie mit einem Objekt.

In jedem Land der Erde kommen Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder vor. Meist stammen die Täter aus dem Familienumfeld. Aber der Ferntourismus hat dieses Problem drastisch verschärft. Mit dem Sextourismus Richtung Thailand oder Philippinen entwickelte sich auch ein spezieller Kindersextourismus, der sich heute nicht mehr auf Asien beschränkt, sondern auch Ziele in Afrika und Lateinamerika kennt. Männer, die sich zu Hause nicht trauen würden, Kindern in eindeutiger Absicht Geschenke zu machen und mit ihnen dann durch die Fußgängerzone zu flanieren, tun genau das an ihren Urlaubsorten. Sie kaufen sich ein Kind in der klaren Absicht, es zu missbrauchen. Gern reden sie sich ein, die Kinder machten schließlich freiwillig mit, und das Geld, das man ihnen gebe, sei eine Art Entwicklungshilfe. Doch die Kinder tun es nicht freiwillig. Sie werden gezwungen. Von der eigenen Not, vom Hunger ihrer Geschwister. Oder von Kinderhändlern und Bordellbesitzern, die »skrupellos« zu nennen, eine maßlose Untertreibung ist.

Projektpartner in Südostasien machten terre des hommes vor gut 20 Jahren auf den wachsenden Kindersexmarkt aufmerksam und forderten, in Europa eine Kampagne gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern in den armen Ländern anzustoßen.

Seitdem ist einiges passiert. Als internationales Kinderhilfswerk hat terre des hommes in den vergangenen Jahren gezielte Aktivitäten zur Durchsetzung des Schutzes von Kindern vor kommerzieller sexueller Ausbeutung weltweit initiiert. Öffentlichkeitsarbeit, internationale Konferenzen und Kurzfilme an Bord von Ferienfliegern, die auf das Thema aufmerksam machen, gehören dazu. Mit Reiseveranstaltern wurden Vereinbarungen geschlossen, keine sexuellen Handlungen an Kindern in ihren Hotels mehr zu dulden. Und terre des hommes hat auch erkannt, dass man als Organisation, die mit Kindern arbeitet und bei deren Projektpartnern Kinder Schutz suchen, klare Regeln aufstellen muss, die Übergriffe auf Kinder verhindern helfen. Im Jahr 2001 startete terre des hommes außerdem eine Kampagne gegen den internationalen Kinderhandel. Und seit vielen Jahren fördert terre des hommes Projekte für Kindern, die sexuelle Gewalt erlitten haben.

Das ist ein schwieriges Feld. Denn kaum eine Verletzung der körperlichen Integrität eines Menschen - und erst recht eines Kindes - hat so schwere seelische Folgen wie ein sexueller Übergriff. Oft kann man die entstandenen Schäden zwar mildern, aber nicht mehr heilen.

Umso wichtiger ist es klarzumachen, dass sexueller Missbrauch überall auf der Welt ein Verbrechen ist. Und auch bestraft wird. Deswegen war es ein großer Erfolg, dass viele Länder inzwischen ihre Gesetze zum Schutz von Kindern deutlich verschärft haben. Und dass deutsche Reisende, die im Ausland Kinder missbrauchen, dafür heute hierzulande vor Gericht gestellt werden können. Dieses »Extraterritorialprinzip« hat dafür gesorgt, dass die Zahl der Anklagen gegen Sextouristen in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Es könnten noch mehr sein, wenn mehr Urlauber die Augen offenhielten, Vorkommnisse notierten und Verdachtsfälle meldeten. Das ist keine Denunziation. Gewalt gegen Kinder ist nicht akzeptabel. Nirgends. Man kann sie sehen. Man kann sie stoppen. Man muss nur hinschauen.


Tanja Abubakar-Funkenberg, Referentin Kinderrechte
(t.funkenberg@tdh.de)


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2011, S. 1
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2012