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BERICHT/076: Für ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung


Menschenrechte für die Frau 2/2007
Die Zeitschrift von Terre des Femmes

Pflege selbst organisieren
Für ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung

Von Ute Kreckel


Die höhere Lebenserwartung und die Lebensweise in westlichen Industrienationen haben zur Folge, dass immer mehr Menschen unter chronischen Krankheiten wie zum Beispiel Alzheimer, Multiple Sklerose, Rheuma, Schlaganfall, Hirnverletzungen oder Diabetes leiden. So können sie nicht mehr in dem Maße arbeiten wie früher und folglich auch nicht mehr so viel verdienen. Die Krankenkassen erhalten weniger Beiträge und bewilligen geringere Leistungen, was für die chronisch Erkrankten fatale Folgen haben kann.

Das Problem der unzureichenden Versorgung tritt dann auf, wenn die chronisch Kranken aus den Krankenhäusern oder Rehabilitationseinrichtungen nach Hause entlassen werden und dann ambulant betreut werden müssen. Die Angehörigen - in der Regel alleine - sind mit der notwendigen Versorgung und Betreuung des Betroffenen meist völlig überfordert. Pflegekassen und Krankenkassen zahlen in der Regel ambulante, mobile Pflegedienste, die es in jeder Stadt und Gemeinde gibt und die unterschiedlichen Trägern angehören, und kommen teilweise für die Kosten der sanitären Hilfsmittel auf.

Die mobilen Dienste sollen zur Entlastung und Ergänzung der pflegenden Angehörigen dienen. In der Mehrzahl sind es Frauen, die die Pflege und Betreuung Angehöriger übernehmen. Die Vorteile der ambulanten Dienste sind ihre Professionalität und ihre Zuverlässigkeit. Mit ihrer Hilfe kann in in vielen Fällen eine Heimunterbringung vermieden werden. Nachteilig ist jedoch oft ihre geringe zeitliche und inhaltliche Flexibilität. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass der/die Betroffene zu einer bestimmten Uhrzeit aufstehen oder ins Bett gehen muss.


Selbst organisierte Pflege

Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Betreuung und Pflege selbst so zu organisieren, dass diese auf die Bedürfnisse der oder des Erkrankten besser eingehen kann.

Man kann an Stelle der Pflegedienste auch Assistenten oder Assistentinnen einsetzen (siehe auch für weitere Informationen das "Forum selbstbestimmte Assistenz" Forsea in Berlin). Diese kann man selbst aussuchen und einstellen. Es können auch Freunde und Bekannte sein. Für die Pflegekassen ist dieses selbstbestimmte und -organisierte System die bei weitem günstigere Lösung, da weniger Verwaltungskosten anfallen. Hausärzte sind in der Regel damit überfordert, immer auf dem neuesten Informationsstand zu sein, welche Anwendungen von den Krankenkassen bewilligt werden und so weiter. Als Betroffene möchte ich hier einige Tipps und Ratschläge für eine gut organisierte ambulante Betreuung geben: Zunächst muss die Wohnung umgebaut werden:

Sie muss behindertengerecht eingerichtet werden,
ein Pflegebett muss besorgt werden,
die sanitären Einrichtungen sollten umgestaltet werden.

Hier beraten die Sanitätshäuser vor Ort. Dort kann man auch Pflegebetten, Treppenlifte, Rollstühle und anderes ausleihen. Sie empfehlen auch Architekten und Handwerker, die den Umbau durchführen können. Entstehende Kosten kann man beim Finanzamt als außerordentliche Belastungen geltend machen. Wenn Leser oder Leserinnen dieser Zeitschrift weitere Fragen haben zur Pflege und Betreuung von chronisch Erkrankten, dann können sie sich gerne schriftlich an die Bundesgeschäftsstelle von TERRE DES FEMMES in Tübingen wenden. Wir werden die Anfrage so schnell wie möglich beantworten.

Zur Autorin:
Ute Kreckel ist Mitfrau von TERRE DES FEMMES und ehemalige Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle in Tübingen. Sie ist nach einer Hirnblutung halbseitig gelähmt und möchte ihre Erfahrungen weitergeben.


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Quelle:
Menschenrechte für die Frau 2/2007, Seite 17
Herausgeberin: Bundesverband TERRE DES FEMMES e.V. -
Menschenrechte für die Frau
Postfach 2565, 72015 Tübingen
Tel.: 07071/79 73-0, Fax: 07071/79 73-22
E-Mail: TDF@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de

Die Zeitschrift Menschenrechte für die Frau
erscheint dreimal jährlich und kann zum Förderpreis
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Das Einzelheft kostet 3,90 Euro + Versandkosten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2007