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BERICHT/075: "Bordertown" - ein Spielfilm über Frauenmorde in Mexiko


Menschenrechte für die Frau 2/2007 -
Die Zeitschrift von Terre des Femmes

"Bordertown" - ein Spielfilm über Frauenmorde
Jennifer Lopez und die Frauenmorde in Mexiko

Von Irene Jung


Der Spielfilm "Bordertown" mit Jennifer Lopez und Antonio Banderas wirft ein aktuelles Licht auf die seit 15 Jahren fortdauernden ungesühnten Frauenmorde in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez. Da sich solche besonders grausamen Morde auch anderenorts in Mexiko und Mittelamerika häufen, ist die gesteigerte Aufmerksamkeit von Presse, Öffentlichkeit, Europa-Parlament und europäischen Regierungen dringend nötig. Auf der Berlinale wurde der umstrittene Film im Beisein von Jennifer Lopez und Müttern der ermordeten Frauen gewürdigt.


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Große Polemik löste der Film "Bordertown" aus, der sich mit den Frauenmorden in Mexiko beschäftigt und auf der Berlinale uraufgeführt wurde. Dessen Hauptdarstellerin und Produzentin Jennifer Lopez wurde in Berlin im Beisein von Müttern ermordeter junger Frauen aus Ciudad Juárez mit dem Preis "Artists for Amnesty" von amnesty international ausgezeichnet. Der Regisseur Gregory Nava widmete die Uraufführung den zahlreichen mutigen JournalistInnen, die sich um Aufklärung bemüht haben, und zum Teil dafür mit dem Leben bezahlen mussten. Die Kritik entzündete sich an der für Hollywood typischen Action-Thriller-Machart des Films und an der Frage, wie tiefgehend das Engagement von Jennifer Lopez zum Thema tatsächlich sein kann. Auf der anderen Seite spricht der Film inhaltlich jedoch alles an, was es an Hintergründen zu den Morden zu sagen gibt - Korruption, Verwicklung der reichen Elite, der Weltmarktunternehmen, der Polizei und Politik vor Ort und das Schweigen der US-Presse.

Das war sicherlich auch der Grund, warum sich kein Hollywood-Studio fand, das den Film produzieren wollte. Die Dokumentaraufnahmen in Ciudad Juárez selbst wurden massiv behindert. Produzentin Barbara Martinez hatte sich dazu als Arbeiterin getarnt in die Weltmarktfabriken von Ciudad Juárez eingeschleust, musste aber bald bei allen Dreharbeiten die Kameras von Bodyguards bewachen lassen - ihr Assistent wurde von der Polizei verhaftet und misshandelt. In ihr Hotelzimmer wurde eingebrochen, Filmrollen und Kameras wurden gestohlen und die Beteiligten bekamen Todesdrohungen. Die Dreharbeiten für die Spielfilmszenen wurden in andere mexikanische oder US-Bundesstaaten verlegt, da es in Ciudad Juárez zu gefährlich war.

Viele JournalistInnen, die wie Barbara Martinez unter großer Gefahr die grausamen Verbrechen gegen Frauen an der US-mexikanischen Grenze untersuchen, waren nach Aussage von Jennifer Lopez auch das Vorbild für ihre Rolle als Lauren in Bordertown. Ihre eigene lateinamerikanische Herkunft (sie ist als Tochter von Puertorikanern in der Bronx in New York aufgewachsen) erleichterte es ihr auch, in die Rolle einer von ihrem Beruf besessenen Reporterin lateinamerikanischer Herkunft zu schlüpfen. Und sie konnte während der Dreharbeiten auch die Mütter der ermordeten Frauen kennen lernen, die sie auch zur Berlinale begleiteten.

Am Tag nach der Verleihung des Amnesty-Preises in Berlin sagte Jennifer Lopez, dieser Film habe ihr Leben nachhaltig beeinflusst, die Arbeiten daran seien eine sehr emotionale Erfahrung gewesen. "Als vor acht Jahren der Regisseur mit der Idee zu mir kam, hatte ich, die ich so nahe der Grenze zu Mexiko wohne, keine Ahnung von dem Problem. Es war für mich ein richtiger Schock, von dem Schicksal der vielen Frauen zu erfahren, die ständig in panischer Angst vor den Verbrechen in Ciudad Juárez leben müssen, und ich fühlte mich verpflichtet, etwas für diese Frauen zu tun."

Als klar wurde, dass Hollywood kein Geld in dieses Projekt stecken wollte, entschied sie sich, den Film selbst zu produzieren und die ersten finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Lopez hat neben ihren Musik-CDs Einnahmen aus verschiedenen Modelinien bei Kleidung und Parfüm und konnte diese Gewinne für den Film über die Frauenmorde einsetzen. Außerdem arbeitete sie mit dem Regisseur an dem Drehbuch mit.

Eine der Mütter aus Ciudad Juárez, Norma Andrade, sagte bei der Pressekonferenz, der Film stelle noch lange nicht das gesamte Ausmaß des Grauens dar, das in ihrer Stadt herrscht. Er gebe auch nur einen kleinen Teil der geballten Drohungen und Einschüchterungen wieder, denen sie als Familienangehörige, die gegen die Frauenmorde Kampagnenarbeit leisten, ausgesetzt sind. Sie bat die anwesenden Journalisten inständig, weiterhin darüber zu berichten, über die Aktualität des Films hinaus, damit die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für die Frauenmorde in Ciudad Juárez nicht wieder einschläft. "Sie würden mir jetzt nicht zuhören, wenn es nicht diesen Film gäbe. Bitte! Lassen Sie uns nicht allein!"

Die neuesten Nachrichten aus Mexiko zeigen, dass das Thema Frauenmorde weiterhin brandaktuell ist: Im Februar wurden drei Frauen ermordet aufgefunden, und Anfang März wurde der 19-jährige Sohn des Staatsanwaltes der dortigen "Staatsanwaltschaft für Verbrechen gegen Frauen" getötet. Auch verschiedene aktive Angehörige von Verschwundenen sind in letzter Zeit auf entsetzliche Weise ums Leben gekommen. So hoffen wir, dass "Bordertown" als ein der Realität sehr naher Film wahrgenommen wird und auch dazu beiträgt, dass sich ein breiteres Publikum für das Thema interessiert und aktiv wird. Öffentlichkeit und Presse, Europäisches Parlament und ganz besonders die europäischen Regierungen sind aufgerufen, sich weiterhin aktiv für die Verfolgung dieser Verbrechen einzusetzen. Besonders letzteren stehen Druckmittel zur Verfügung, um die mexikanische Regierung zu schärferem und effizienterem Vorgehen zu bewegen.

Neue Initiativen entstehen: Im Europäischen Parlament wurde ein Rapporteur für die Frauenmorde in Mexiko und Mittelamerika ernannt, der spanische Parlamentarier Raúl Romeva. Er fordert, die EU solle dieses Thema stärker ins Auge fassen und Sonder beauftragte zum Thema in der Region ernennen solle. "Wenn es keine Anzeichen für ernsthafte Bemühungen gibt, mit diesen Verbrechen fertig zu werden, und wenn es auf bestimmten Ebenen des Staatsapparates keinen politischen Willen und Korruption gibt, muss die EU dieses Thema in ihren Beziehungen mit Mittelamerika und Mexiko priorisieren." Vorige Woche konsultierte er VertreterInnen der betroffenen Nicht-Regierungsorganisationen für den nächsten Bericht zu den Frauenmorden in Mexiko und Mittelamerika, der als Follow-up zu der Anhörung und Tagung im April 2006 erstellt werden soll (siehe auch TDF-Zeitschrift 3/2006).

Auch in der Arbeit von TERRE DES FEMMES hat es immer wieder neue Ansätze zum Thema gegeben. Die Städtegruppe Tübingen war mehrfach besonders zu den Frauenmorden in Guatemala aktiv. Und nun wird der Menschenrechtsaktivistin aus Ciudad Juárez, Judith Galarza, die im Jahre 2004 die Rundreise des Dokumentarfilms "Señorita Extraviada" durch 12 Städte begleitete, am 22. Juli von der Stadt Esslingen der Theodor-Haecker-Preis für besonders mutige VerfechterInnen der Menschenrechte verliehen. Rund um diesen Tag sind Informationsveranstaltungen zu den Frauenmorden mit verschiedenen Gremien, Organisationen und städtischen Einrichtungen geplant. Damit leistet die Stadt Esslingen einen Beitrag dazu, die Frauenmorde von Mexiko weiterhin im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten, als eine Aufgabe, für die wir uns weiterhin engagieren sollten.

Zur Autorin:
Irene Jung organisiert als freiberufliche Mitarbeiterin das Filmfest von TDF und unterstützt Städtegruppen, die ein Filmfest organisieren wollen.


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Quelle:
Menschenrechte für die Frau 2/2007, Seite 10-11
Herausgeberin: Bundesverband TERRE DES FEMMES e.V. -
Menschenrechte für die Frau,
Postfach 2565, 72015 Tübingen,
Tel.: 07071/79 73-0, Fax: 07071/79 73-22
E-Mail: TDF@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2007