Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TICKER

FLUCHT/034: Getretene Würde - bis auf die Knochen (SB)


Proteste geflohener Menschen in München - 26. Juni 2013

Hunger- und Durststreik im Kampf für ein menschenwürdiges Leben



Seit vergangenem Samstag befinden sich rund einhundert Geflohene in der bayrischen Landeshauptstadt in einem Hungerstreik, um gegen die Lebensbedingungen, denen sie hier in Deutschland ausgesetzt sind, zu protestieren. Viele von ihnen befinden sich bereits seit September vergangenen Jahres auf der Straße und im Protest. Teils haben sie den Marsch der Refugees von Würzburg nach Berlin mitgemacht oder auch im Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz gelebt.

Am Samstag schlugen die protestierenden Geflohenen, die sich selbst als "Non-Citizens" bezeichnen, auf dem Münchner Rindermarkt ihre Zelte auf. Nach einer Asylrechtsdemonstration am selben Tag hatten sie beschlossen, ihre Forderungen und Proteste durch einen Hungerstreik zu intensivieren. In einem Offenen Brief sowohl an Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, machten sie deutlich, daß sie hier in Deutschland nicht zuletzt deshalb als Flüchtlinge leben müßten, weil die Kriege in ihren Heimatländern, die sie zur Flucht gezwungen hatten, auch mit aus Deutschland stammenden Waffen geführt wurden.

Was für Unbetroffene schwer nachzuvollziehen und kaum zu glauben ist, nämlich inwiefern ihre hiesige Unterbringung, um nicht zu sagen Lagerhaltung, für sie so unerträglich ist, daß sie im Kampf um ein menschenwürdiges Leben ihr eigenes Leben in Gefahr zu bringen bereit sind, geht aus diesem Brief hervor: [1]

Wir sind Asylsuchende aus verschiedenen Ländern, die in Deutschland wohnen, aber vom Leben in Isolationslagern, dem Ausschluss von Bewegungsfreiheit und allnächtlichen Alpträumen von Abschiebungen geplagt werden. Wir sind nicht willens, in dieser Situation zu leben - nicht einmal einen Tag mehr. Wir sind in dieser Situation nur noch am Leben, weil wir wissen, warum wir hier sind.

Tatsächlich hat sich ihre Lage in den vergangenen Tagen noch weiter zugespitzt. Da die bayrische Landesregierung auf ihre Forderungen nicht eingegangen ist und auch im übrigen kein Signal zu erkennen ist, das auf eine Verbesserung der Situation auch nur hoffen lassen könnte, haben sich die Hungerstreikenden vom Münchner Rindermarkt am Dienstag zu einem "trockenen Hungerstreik" entschlossen, was bedeutet, daß sie von da an auch nichts mehr trinken.

Dies hatte für einen von ihnen bereits am gestrigen Nachmittag ernste gesundheitliche Konsequenzen. Oasem Muradi verlor gegen 16:00 Uhr das Bewußtsein. Per Rettungswagen wurde er in ein Krankenhaus gebracht. Wie es heißt, wurde er auf die Intensivstation gebracht und sei nicht ansprechbar. [2]

Die übrigen protestierenden Geflohenen setzen ihren Hunger- und Durststreik fort. In einer am heutigen Mittwoch gegen 16.00 Uhr veröffentlichten Presseerklärung der hungerstreikenden Asylsuchenden am Rindermarkt in München heißt es zur aktuellen Situation: [3]

Seit Samstag befinden wir uns im Hungerstreik und heute ist der zweite Tag des trockenen Hungerstreiks. Der zweite Tag also, an dem wir weder Essen noch Flüssigkeit zu uns nehmen. Rund 60 Asylsuchende beteiligen sich vor Ort am Protest, davon befinden sich 55 Personen im trockenen Hungerstreik. Auch eine schwangere Frau und drei Kinder sind vor Ort, sie befinden sich jedoch nicht im Hungerstreik.
Seit gestern mussten bereits vier Personen ins Krankenhaus gebracht werden: Safi Muhammad wurde heute in den frühen Morgenstunden ins Krankenhaus gebracht, befindet sich inzwischen jedoch wieder am Protestort. Heute mittag wurde Jamal Hussein ins Krankenhaus gebracht, weil er nicht mehr ansprechbar war. Um 14:30 Uhr kollabierte nun die vierte Person, Naeem Muhammad, und wurde nun ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Quasem Muradi, der bereits gestern das Bewusstsein verlor, befindet sich weiterhin auf der Intensivstation. (...)
Die Inhalte der Pressemitteilungen von Frau Haderthauer sprechen für sich: Anstatt sie den Durststreikenden und deren zentraler Forderung zu widmen, geht sie auf Auseinandersetzungen mit anderen Parteien im Rahmen des aktuellen Wahlkampfes ein. Zur selben Zeit kollabieren nacheinander unsere Mitstreiterinnen und Mitstreiter und die Lebensgefahr für uns alle wächst mit jeder Minute.



Fußnoten:

[1] http://www.refugeetentaction.net/index.php?option=com_content&view=article&id=248:die-erklaerung-der-hungerstreikenden-asylsuchenden&catid=2&Itemid=132&lang=de

[2] http://www.refugeetentaction.net/index.php?lang=de

[3] http://www.refugeetentaction.net/index.php?option=com_content&view=article&id=253:dritte-pressemitteilung-der-hungerstreikenden-asylsuchenden-in-muenchen&catid=2&Itemid=133&lang=en

26. Juni 2013