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FLUCHT/021: Wiener Asyl - Wechselbad (SB)


Flüchtlingsproteste in Wien - 21. Februar 2013

Wie geht es weiter nach dem Hungerstreik?


Flüchtlinge und Medienvertreter vor der Votivkirche - Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Pressekonferenz unter freiem Himmel - Wiener Refugees am 21. Februar 2013
Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Seit über zwei Monaten machen protestierende Flüchtlinge in der Hauptstadt Österreichs von sich reden und Schlagzeilen immer dann, wenn ihre Proteste so spektakulär waren, daß die Medien sie der Berichterstattung für wert befanden. Dies traf auf das im Dezember auf dem Siegmund-Freud-Platz errichtete Protestcamp zu. Nach dessen polizeilicher Räumung zog dann der Hungerstreik einer Flüchtlingsgruppe, die in dieser prekären Situation Aufnahme in der Votivkirche gefunden hatte, das Interesse der Medien auf sich.

Dieser Hungerstreik wurde zu Beginn dieser Woche beendet. Einige Flüchtlinge hatten bereits Ende vergangener Woche die Kirche verlassen, um in eines der den Protestierenden angebotenen Ersatzquartiere zu gehen. Stehen die Proteste damit vor einem Ende?

Mitnichten. Um Fragen dieser und weiterer Art zu beantworten und über den aktuellen Stand der Proteste zu informieren, hatten die Refugees am heutigen Donnerstag zu einer Pressekonferenz geladen. Wie groß das Interesse der Öffentlichkeit inzwischen an den Kirchenflüchtlingen geworden ist, läßt sich an der nicht unerheblichen Resonanz ablesen, waren doch etliche Medienvertreter der Einladung gefolgt. Im Unterschied zu früheren Pressekonferenzen fand diese jedoch nicht innerhalb der Kirche, sondern draußen vor ihrem Eingangstor statt.

Blick auf die Wiener Votivkirche, im Vordergrund Pressekonferenz - Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Die Wiener Votivkirche - nach wie vor Aufenthaltsort und Schutzraum protestierender Flüchtlinge
Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Dafür gab es triftige Gründe. Wie die Refugees alsbald erklärten, setzen sie ungeachtet des Hungerstreikabbruchs ihren Protest fort. Sie wollen nach wie vor in der Votivkirche bleiben und diese erst verlassen, wenn ihre Kernforderungen erfüllt werden, wenn sie also einen legalen Aufenthaltstatus und eine Arbeitsgenehmigung erhalten. Nach einem Entgegenkommen in dieser Frage seitens der Regierung Österreichs sieht es derzeit noch immer nicht aus. Die Refugees erneuterten auf der Pressekonferenz auch ihren schon mehrfach von der Wiener Regierung abschlägig beantworteten Wunsch nach einem konstruktiven Gespräch über diese Fragen.

Von verschiedenen Seiten wurde bereits an sie die dringende Bitte gestellt, doch auch in die Ersatzquartiere überzuwechseln - was die Refugees nach wie vor ablehnen aus einem einfachen Grund: Sie haben Angst, daß sie, sobald sie ihren Aufenthalt in der Votivkirche beenden, festgenommen und abgeschoben werden könnten. Eine Sicherheits- oder Garantieerklärung, daß diese Befürchtungen nicht eintreten werden, hat es nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand seitens der Verantwortlichen nicht gegeben.

Kirchenwand, davor zwei Transparente mit Fotos und Aufschrift 'Ich möchte hierbleiben' - Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

"Ich möchte hierbleiben" - Plakataktion der Refugees
Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Die Gründe für die Durchführung der Pressekonferenz unter freiem Himmel liegen allerdings noch in einem weiteren Bereich. Bislang hatte es seitens der Kirchenleitung bereits die Regelung gegeben, daß nicht mehr als fünf Besucher gleichzeitig zu den Refugees in die Kirche dürften. Dies hatte in der Vergangenheit bereits wiederholt zu Bitten, aber auch Protesten seitens der Flüchtlinge geführt, die deutlich machten, daß dies einfach nicht ausreiche und sie mit mehr Menschen Kontakt aufnehmen möchten.

Nun allerdings scheinen diese Einschränkungen noch weiter verschärft worden zu sein. Wie es auf dem Blog der Wiener Flüchtlingsproteste hieß [1], werden keine Medienvertreter mehr zu den Refugees in die Kirche gelassen, weshalb die heutige Pressekonferenz auf den Vorplatz der Kirche verlegt werden mußte. Auch würde den Angaben zufolge einigen der Unterstützer das Betreten der Kirche verwehrt werden. Sollten diese Maßnahmen als Anzeichen für eine schwindene Bereitschaft der Kirche, den verzweifelten Menschen Obdach zu gewähren in ihrer schwierigen Situation, zu deuten sein?

Die Refugees ihrerseits unternehmen immer wieder Schritte, um die Diskussion in Österreich über das Asylsystem in Gang zu halten und auch in den Medien nicht einschlafen zu lassen. Sie sind am Gespräch mit allen Verantwortlichen interessiert und haben nun, nachdem Bundespräsident Heinz Fischer einem von ihnen geschrieben hatte, ihn zu sich in die Kirche zum Abendessen eingeladen. Ob das Staatsoberhaupt Österreichs auch diese Gelegenheit nutzen wird, um sich gegenüber den Flüchtlingen in einem positiven Licht darzustellen, ohne substantielle Zusagen in der Sache zu machen oder auch nur in Aussicht zu stellen, ist derzeit noch unklar.

Journalisten und Refugees bei der Pressekonferenz - Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Immer wieder die Isolation durchbrechen - Die Refugees im Kontakt mit Medienvertretern
Foto: © 2013 by Daniel Hrncir

Die Solidarität mit den Refugees ist längst weit über Wien hinaus gewachsen. So wird in Graz am morgigen Freitag um 15.00 Uhr am Hauptplatz eine Demonstration stattfinden.


Fußnoten:

[1] http://refugeecampvienna.noblogs.org/

21. Februar 2013