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FLUCHT/007: Wiener Asyl - vermarktet (SB)


17. Tag des Hungerstreiks in der Wiener Votivkirche

Debatte im Wiener Landtag


In der Wiener Votivkirche: rechts im Bild zwei Geflohene, in der Mitte Wandbehang mit Hungerstreik-Aufschrift - Foto: © by Refugee Camp Vienna

Ungebrochenener Protest - Hungerstreik soll bis zur Erfüllung der Forderungen fortgesetzt werden
Foto: © by Refugee Camp Vienna

Nachdem sich in Medien und Öffentlichkeit Österreichs bislang vornehmlich kirchliche Organisationen für die Sache der protestierenden Flüchtlinge, die im November zu Fuß in die Hauptstadt gekommen waren, um an Ort und Stelle auf die inakzeptablen Lebensbedingungen geflohener Menschen in ganz Österreich aufmerksam zu machen und für ein menschenwürdiges Dasein zu streiten, eingesetzt haben, scheint in den letzten Tagen Bewegung in diese Auseinandersetzung gekommen zu sein.

Am Montag haben sich, wie auf dem Blog des Refugee Camp Vienna [1] unter Berufung auf den "Standard" nachzulesen war, maßgebliche Funktionäre der SPÖ wie auch aus Gewerkschaften positiv zu einer der zentralsten Forderung der Hungerstreikenden gestellt, nämlich der nach einem freien Zugang zum Arbeitsmarkt. So wolle die SPÖ eine Arbeitsgruppe einrichten mit dem Ziel, bessere Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerberinnen und -bewerber einzurichten. Für eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis habe sich demnach die mitgliederstärkste Gewerkschaft innerhalb des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), die Interessenvertretung der Privatangestellten (GPA-DJP), ausgesprochen.

Für allzuviel Optimismus besteht aus Sicht der Protestierenden dennoch kaum ein Anlaß. Unabhängig von der noch offenen Frage, ob ein "verbesserter" Zugang zum Arbeitsmarkt von den neuen Mitstreitern, die keineswegs einen völlig ungehinderten Zugang für die Flüchtlinge verlangen, nur befürwortet wird, um die Arbeitskraft dieser Menschen besser als bisher der Verwertung zuführen zu können, erwies sich die gestrige Debatte im Wiener Landtag für die Hungerstreikenden als eine Enttäuschung. Die politischen Parteien blieben bei ihren bisherigen Positionen zu den Themen Migration und Flüchtlingswesen. Die SPÖ erneuerte ihren Standpunkt, es gäbe keinen Grund, am Asylrecht des Landes etwas zu ändern, weil mit ihm alles in Ordnung sei.

Einzelne Abgeordnete, so der Menschenrechtssprecher der Grünen, Klaus Werner-Lobo, stellten die sprichwörtlich rühmlichen Ausnahmen dar. Er grüßte im Landtag zunächst auf Englisch die in der Galerie des Sitzungssaals anwesenden Flüchtlinge und sicherte ihnen zu, sie weiterhin zu unterstützen. Ans Plenum gewandt erklärte er, die Besetzung der Votivkirche sei ein historischer Moment, denn erstmals seien Asylsuchende nicht als Bittsteller mit gesenktem Haupt gekommen, sondern wären ein sichtbares Zeichen für die Forderung nach mehr Selbstbestimmung. Werner-Lobo appellierte an Innenministerin Mikl-Leitner, die Forderungen dieser Menschen ernst zu nehmen und ihnen zu ermöglichen, legal in Österreich zu leben und ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Die Hungerstreikenden setzen unterdessen ihren Protest fort und haben für Donnerstag um 16 Uhr zu einer Demonstration vor der Votivkirche aufgerufen. Um ihre Anliegen in der Öffentlichkeit noch besser als bisher bekannt zu machen, haben sie Prominente eingeladen, eine Nacht bei ihnen zu verbringen. Den Anfang wird in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Elias Bierdel vom Österreichischen Studienzentraum für Frieden und Konfliktforschung auf Burg Schlaining machen. Bierdel ist als Unterstützer von Flüchtlingsprotesten bestens bekannt, seit er mit der Cap Anamur im Mittelmeer unterwegs war, um in Seenot geratene Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten - was ihm und dem Kapitän eine Strafverfolgung seitens der italienischen Behörden wegen Beihilfe zur illegalen Einreise eingebracht hat.


Weitere Informationen siehe in der Wiener Tagespresse und bei http://refugeecampvienna.noblogs.org/


Fußnote:

[1] Und es bewegt sich doch: Sowohl Gewerkschaft als auch gewichtige SPÖ-Funktionäre wollen AsylwerberInnen Arbeitserlaubnis erteilen
http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/01/07/und-es-bewegt-sich-doch-sowohl-gewerkschaft-als-auch-gewichtige-spo-funktionare-wollen-asylwerbern-arbeitserlaubnis-erteilen/

8. Januar 2013