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FLUCHT/006: Wiener Asyl - Fronten (SB)


Österreichs Rechte droht mit Zwangsernährung und Abschiebung


Fünf Geflohene während der Pressekonferenz, mit 'Hungerstrike'-Transparent im Hintergrund ist die Kirche gut sichtbar - Foto: © by Refugee Camp Vienna

Um Verständigung gegenüber Öffentlichkeit und Politik bemüht - Pressekonferenz in der Votivkirche am 3.1.2013
Foto: © by Refugee Camp Vienna

Ginge es nach den "Freiheitlichen", gemeint ist die Rechtsaußen-Partei des 2008 verstorbenen Landeshauptmanns von Kärnten, Jörg Haider, der bis 2000 Vorsitzender der "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ) gewesen war, würde mit den protestierenden Flüchtlingen in der Wiener Votivkirche kurzer Prozeß gemacht werden. Während die rund 40 Menschen, die, oftmals traumatisiert durch die Erlebnisse und Lebensbedingungen, die sie zur Flucht veranlaßt, wenn nicht gezwungen haben, noch immer bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ihren in dieser Kirche fortgesetzten Protest und Hungerstreik aufrechterhalten, um endlich in Gesellschaft und Politik Gehör zu finden, trägt die FPÖ das Ihre zur Eskalation des Konflikts bei.

In einer Pressemitteilung der Partei wurde verlangt, daß gegen die in der Votivkirche im Hungerstreik befindlichen Geflohenen "Schubhaft", zu bundesdeutsch Abschiebehaft, verhängt werde:

Über die hungerstreikenden Aktivisten in der Votivkirche ist noch heute gemäß § 76 Fremdenpolizeigesetz die Schubhaft zu verhängen. Nur durch die eindeutigen Bestimmungen im Strafvollzug ist eine gesundheitliche Gefährdung der Aktivisten, die sich seit Tagen im Hungerstreik befinden, abzuwenden. Heute berichteten bereits einige Medien, dass die Aktivisten der Votivkirche auch auf die Aufnahme von Flüssigkeit verzichten. Damit besteht die akute Gefahr, dass es durch den Hungerstreik zur Todesfolge kommt. Mit der Räumung der Kirche, der Festnahme der Aktivisten und der umgehenden Zwangsernährung hat umgehend begonnen zu werden, so heute FPÖ-Klubobmann und stellvertretender Bundesparteiobmann Mag. Johann Gudenus in einer Stellungnahme. [1]

Gudenus würde, so war dieser Aussendung desweiteren zu entnehmen, nicht davor "zurückschrecken, die Innenministerin rechtlich zu belangen, wenn sie nicht ehebaldigst einen Schritt setzt, um dem täglichen Rechtsbruch auf der einen Seite und der Gefährdung bzw. der Selbstgefährdung der Aktivisten auf der anderen Seite Einhalt zu gebieten" [1]. Mit dieser Haltung steht die FPÖ, wie zu vermuten steht, auch wenn seitens der Bundesregierung des Alpenlandes und namentlich der hier unter Druck gesetzten ÖVP-Innenministerin solche Töne nicht zu vernehmen sind, keineswegs allein da. Vielen Menschen scheint in Österreich - und keineswegs nur dort - schwer zu vermitteln zu sein, daß der Mensch vom Brot und einem warmen Bett allein nicht leben kann.

Die unter Einsatz ihrer körperlichen Unversehrtheit, wenn nicht sogar ihres Lebens protestierenden geflohenen Menschen in der Votivkirche wollen nicht mehr und nicht weniger, als als vollwertige Menschen am gesellschaftlichen Leben Österreichs teilzunehmen. Sie wollen aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt bestreiten, also arbeiten, und nicht auf Almosen angewiesen sein. Sie wollen frei kommunizieren und zu den Menschen ihres Gastlandes in Kontakt treten können.

Aus der Bundesrepublik Deutschland sind bereits gut dokumentierte Fälle von Flüchtlingsschicksalen bekannt geworden, bei denen hochmotivierte Menschen, die nach Deutschland geflohen waren, nach wenigen Jahren des Aufenthalts als unerwünschte und in jeder Beziehung an den Rand des gesellschaftlichen Lebens gedrängte und isolierte Asylbewerber psychisch erkrankten oder sogar Suizid begingen.

In Presse wie Öffentlichkeit Österreichs scheint ebenfalls ein großes Unverständnis gegenüber der Situation, in der die Geflohenen leben (müssen), vorzuherrschen, und so wird den nun im Protest stehenden Menschen oftmals unterstellt, sie hätten sich instrumentalisieren oder, so die FPÖ, von ihren Sympathisanten aufhetzen lassen. Die österreichische Rechtsaußen-Partei scheute in ihrer heutigen Aussendung nicht einmal davor zurück, den Unterstützer vorzuwerfen, sie würden für ihre eigenen finsteren Absichten das Leben der Flüchtlinge aufs Spiel setzen [2]:

"Diese Kirchenbesetzer sind mittlerweile akut gefährdet", warnt Wiens FPÖ-Klubchef und stellvertretender Bundesparteiobmann Mag. Johann Gudenus, "die deutschen und österreichischen Organisatoren dieser Aktion mögen über Leichen gehen, um ihre persönlichen Interessen durchzusetzen, der österreichische Staat aber darf da nicht länger zuschauen."


Weitere Informationen siehe in der Wiener Tagespresse und bei http://refugeecampvienna.noblogs.org/


Fußnoten:

[1] Gudenus zu Votivkirche: Es ist sofort gem. § 76 Fremdenpolizeigesetz Schubhaft über die Hungerstreikenden zu verhängen! Presseaussendung der FPÖ Wien vom 4.1.2013
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130104_OTS0059/gudenus-zu-votivkirche-es-ist-sofort-gem-76-fremdenpolizeigesetz-schubhaft-ueber-die-hungerstreikenden-zu-verhaengen

[2] FP-Gudenus: Schubhaft und Zwangsernährung für Kirchenbesetzer Gebot der Stunde, FP-Gudenus: Schubhaft und Zwangsernährung für Kirchenbesetzer Gebot der Stunde, Presseaussendung der FPÖ Wien vom 5.1.2013
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130105_OTS0010/fp-gudenus-schubhaft-und-zwangsernaehrung-fuer-kirchenbesetzer-gebot-der-stunde

5. Januar 2013