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INTERVIEW/188: Ilisu-Staudamm - nicht nur kulturhistorischer Schaden ...    Nick Brauns im Gespräch (SB)


Der Journalist, Autor und Aktivist Nick Brauns engagiert sich für die Rettung des seit 12.000 Jahren durchgehend bewohnten Ortes Hasankeyf und der vielen anderen durch den Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei gefährdeten Dörfer und Kulturdenkmäler. In der Nähe der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel Berlin erinnerte die Initiative zur Rettung von Hasankeyf (HYG) [1] am 8. Juni mit einer Mahnwache und Ausstellung daran, daß diese Region des Tigris-Tales im Oberen Mesopotamien den Lebensmittelpunkt von rund 80.000 Menschen aus der mehrheitlich kurdischen Bevölkerung darstellt. Zudem repräsentiert das Tigris-Tal ein menschheitsgeschichtliches Vermächtnis, das weitgehend, wie die seit Urzeiten als Wohnung dienenden Höhlen von Hasankeyf, in den Fluten verschwinden oder zumindest seinem geographischen Zusammenhang entrissen würde.

Von daher war der stark von TouristInnen frequentierte Ort des Protestes gut gewählt, ist die Museumsinsel doch Standort einer der wichtigsten Sammlungen antiker vorderasiatischer Kunst- und Bauwerke wie das im Pergamon-Museum ausgestellte Ischtar-Tor. Auch diese Artefakte wurden ihrem ursprünglichen Kontext entrissen und dokumentieren die Beteiligung Deutschlands an der kolonialistischen Aneigung von Kulturgütern außereuropäischer Regionen dar. Nick Brauns, der letztes Jahr zusammen mit Murat Cakir eine umfassende Abhandlung von Geschichte und Gegenwart der türkischen und kurdischen Linken unter dem Titel "Partisanen einer neuen Welt" [2] vorgelegt hat, erklärte gegenüber dem Schattenblick, welche politischen und sozialen Faktoren im Kampf gegen das finale Aufstauen des Tigris zu großen Stauseen bedeutsam sind und welche Rolle die Bundesrepublik bei diesem Projekt des AKP-Regimes und ihrer Vorgängerregierungen in Ankara spielt.



Auf der Mahnwache - Foto: © 2019 by Schattenblick

Nick Brauns
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick: Nick, was hat euch bewegt, an diesen Ort zu kommen und hier gegen das Ilisu-Staudammprojekt zu protestieren?

Nick Brauns: Aktueller Anlaß der Mahnwache und Ausstellung ist der dritte globale Aktionstag zur Rettung der Stadt Hasankeyf und des Tigris-Tals, denn die türkische Regierung hat angekündigt, daß ab 10. Juni das Staubecken des Ilisu-Staudamms am Oberlauf des Tigris vollaufen soll. Das würde bedeuten, daß die 12.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf ab Oktober in den Fluten des Tigris untergeht. Ebenso rund 200 weitere Dörfer, 80.000 Menschen würden dann vertrieben werden. Wir stehen jetzt hier auf der Museumsinsel in Berlin, weil wir die kulturinteressierten Touristen, die hierherkommen, darauf hinweisen wollen, daß in der Türkei wirklich uraltes Kulturerbe vernichtet wird. Dort wird eine Stadt vernichtet, die seit 12.000 Jahren durchgehend bewohnt ist, die Spuren von 20 Zivilisationen aufweist. Noch ist es nicht zu spät, Hasankeyf zu retten, das Tigris-Tal zu retten. Und deswegen sind wir hier, so wie heute an 40 anderen Orten in Europa, im Irak und in der Türkei auf der Straße.

SB: Wer setzt sich für diese 80.000 betroffenen Leute ein, gibt es für sie eine politische Vertretung in der Türkei?

NB: Nun ja, eine politische Vertretung wäre sicherlich die Partei, die in der Region die stärkste ist, also die HDP. Jedoch ist die HDP selber starker Repression ausgesetzt. Der Parteivorsitzende Selahattin Demirtas sitzt im Gefängnis, viele Bürgermeister wurden in den letzten Jahren abgesetzt und auch inhaftiert. Einige haben jetzt bei der Kommunalwahl die Bürgermeisterämter wieder zurückerobern können. Aber das Problem ist, die Türkei ist kein demokratisches Land. Selbst wenn im Parlament oder in den Gemeinden die Bürgermeister oder die Abgeordneten sich für die Vertriebenen oder die noch zu vertreibenden Leute einsetzen, heißt das noch lange nicht, daß sie irgendwie Recht bekommen können, das gleiche gilt auch für die Justiz. Viele Menschen sind ja noch in ihren Dörfern, die jetzt noch nicht überflutet sind. Und es sind immer noch Klagen anhängig. Aber die Justiz ist völlig gleichgeschaltet. In den letzten Jahren wurden Zehntausende Richter, Staatsanwälte, die oppositionell zu Erdogan standen, entlassen. Die Entlassenen stehen jedoch nicht auf der Seite der Kurden, sondern sind halt Gülenisten, die mit dem Staudammprojekt auch kein Problem haben.

Deswegen muß man einfach sagen, die Masse der Betroffenen hat in der Türkei keine echte Vertretung. Entschädigung bekommen von ihnen nur einige wenige, vor allem aus Hasankeyf, und nur diejenigen, die dort ein Haus besitzen. Diese sollen ein wenig Entschädigung bekommen und in ein Neu-Hasankeyf, in einen auf der anderen Seite höher gebauten Ort, umgesiedelt werden. Erst einmal muß man sagen, reicht die Entschädigung nicht, um die neuen Häuser zu kaufen, und zweitens werden die Leute dort trotzdem arbeitslos, perspektivlos sein. Die Menschen aus Hasankeyf lebten zum großen Teil vom Tourismus, der wegfallen wird, keiner will eine überschwemmte Stadt sehen. Die anderen aus den umliegenden Dörfern sind Bauern, ein großer Teil von ihnen waren Pachtbauern, die kein eigenes Land haben, was heißt, daß sie überhaupt keine Entschädigung bekommen. Ihnen bleibt dann nur der Gang in die Slums der nächsten Großstädte, nach Diyarbakir, nach Batman - und einige werden sich bemühen, nach Europa zu kommen. Die werden sagen, wenn ihr uns nicht helft, hier ein Kulturerbe der Menschheit zu verteidigen, wenn ihr uns nicht helft, auf unserem Land zu bleiben, dann kommen wir lieber nach Europa. Warum sollen wir in die Westtürkei gehen, wo wir auch nur auf Rassismus stoßen und auch keine Jobs finden.


Fotowand an Leinen bei der Mahnwache - Foto: © 2019 by Schattenblick

Was durch den Ilisu-Staudamm verloren zu gehen droht ...
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: Es gibt ja die Institution des UNESCO-Weltkulturerbes. Gibt es irgendwelche internationalen Bemühungen, Hasankeyf auf diesem Wege zu erhalten?

NB: Das große Problem ist, eine Einstufung als UNESCO-Kulturerbe muß beantragt werden von dem Staat, in dem sich so ein Kulturerbe befindet. Die Türkei rühmt sich zwar gerade, daß sie die steinzeitliche Tempelanlage Göbekli Tepe seit letztes Jahr als Kulturerbe durchgebracht hat, und sie haben dieses Jahr zum Jahr von Göbekli Tepe gemacht, also des ältesten bekannten Tempels der Welt [3].

Aber Göbekli Tepe hat eine Zwillingsstadt, und das ist Hasankeyf. Viele Archäologen sagen, diese beiden Städte muß man immer zusammen denken. Die sind gleichalt. Bei Hasankeyf gab es nie den Versuch, diese Stadt als Weltkulturerbe anzuerkennen. Dabei erfüllen Hasankeyf und das Tigris-Tal, was man sich auch als eine Einheit denken muß, neun von zehn Kriterien eines Weltkulturerbes. Aber die Türkei hat sich nie darum bemüht. Und die UNESCO als solche kann jetzt nicht von sich aus etwas anerkennen. Dazu muß man sagen, selbst dort, wo eine Anerkennung als Weltkulturerbe vorliegt wie zum Beispiel im Fall der Altstadt von Diyarbakir, Sur, hat die UNESCO eigentlich nichts gemacht und konnte auch fast nichts machen, als die türkische Armee vor drei, vier Jahren angefangen hat, diese Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Darum ist selbst die Einstufung als Weltkulturerbe nur relativ.

Aber es gibt natürlich weltweit durch sehr, sehr viele NGOs inzwischen Proteste, speziell auch in der Türkei selber. Es sind eben nicht nur Kurden, die auf die Straße gehen, sondern unter anderem Umweltschützer aus anderen Teilen der Türkei, selbst vom Schwarzen Meer, die gegen den Dammbau sind. Es sind Archäologen in der Türkei und natürlich internationale Menschenrechtsorganisationen oder Gruppen wie die Mesepotamische Ökologische Bewegung. Auch im Irak ist eine ganze Reihe von Gruppen aktiv. Man kann sagen, hier ziehen eigentlich ganz viele Gruppen aus verschiedenen Spektren, von Vogelschutzverbänden über Archäologen bis hin zur Kurdistan-Solidarität, an einem Strang oder vielleicht an vielen kleinen Strängen, weil sie ganz unterschiedliche Ansatzpunkte haben. Die Frage ist einfach, ob das ausreicht, um Druck auf die türkische Regierung zu machen.

SB: Stellt die Bundesregierung noch Hermes-Bürgschaften für Staudammprojekte in der Türkei aus, ist das noch aktuell?

NB: Nein, das war damals ein Riesenerfolg vor ungefähr zehn Jahren aufgrund der internationalen Kampagne, als Deutschland, Österreich und die Schweiz ihre internationalen Kreditbürgschaften zurückgezogen haben. Damals sah es vorübergehend schon so aus, als ob das Ilisu-Staudammprojekt am Ende wäre. Das war wirklich ein Riesenerfolg, ein einzigartiger Erfolg dieser weltweiten Kampagne. Aber die Türkei hat daraufhin versucht, aus eigener Kraft und vor allem mit türkischen Firmen das Projekt zu stemmen. Es gibt jetzt nur noch eine relevante ausländische Firma, die allerdings auch Konsortiumführer ist, das ist der österreichische Technologiekonzern Andritz. Dort scheint den Leuten völlig egal zu sein, was sie machen, denen ist ihr Image egal, da zählt wirklich nur der Profit. Andritz war für den Turbinenbau zuständig, hat aber auch das gesamte Konsortium zum Staudammbau geleitet. Die niederländische Firma Bresser ist mit Spezialtechnik zum Versetzen von Monumenten beteiligt. Sie hat eine ganze Reihe einzigartiger Monumente aus Hasankeyf versetzt.

Welcher Schaden dabei entstanden ist, wissen wir nicht, weil der einzige Fotograf, der das beobachten wollte, erst einmal eingesperrt worden ist. Diese Monumente sind ein paar Kilometer weiter entfernt in einen archäologischen Park gesetzt worden. Gut, da werden wenigstens ein Mausoleum oder ein Minarett erhalten, aber die Bauwerke werden aus ihrer Umgebung gerissen. Wenn man das Brandenburger Tor einfach abbauen und in der Uckermark wieder aufbauen würde, dann machte das dort auch einen völlig anderen Eindruck als an seinem Originalplatz. Hasankeyf ist eine in den Felsen gebaute Stadt. Mit der großen Tigrisbrücke davor, das ist eben alles eine Einheit, es bringt eigentlich wenig, hier einzelne Monumente zu versetzen und ein archäologisches Disneyland irgendwo anders aufzubauen.

SB: Das Ilisu-Staudammprojekt hat auch internationale Auswirkungen aufgrund des Tigriswassers, das für den Irak lebenswichtig ist. Könnte daraus noch ein größerer Konflikt erwachsen?

NB: Sicherlich, ich denke gerade das Internationale ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe für den Staudammbau, auch wenn die Türkei behauptet, der Staudamm diene der Energiegewinnung. Energie könnte man auf andere Weisen gewinnen wie Solarenergie oder ähnliches. Die Energiegewinnung durch den Staudamm funktioniert vielleicht gerade einmal 60 Jahre. Dann wäre der Stausee zu versandet, um noch zu funktionieren, sagen Experten. Die Hauptgründe sind tatsächlich strategischer Art. Zum einen ist die Vertreibung dieser 80.000 Menschen kein Kollateralschaden, wie man denken könnte, sondern durchaus Absicht. Das ist eine Hochburg der kurdischen Bewegung, der linken kurdischen Opposition, und dieses Problem will die Türkei einfach wegspülen, will also im Zuge ihrer Assimilierungspolitik, ihrer Türkisierungspolitik Zehntausende Menschen aus dieser Region vertreiben. Zudem will die Regierung in Ankara der kurdischen Guerilla das Leben noch schwerer machen. Wenn dort ein Riesenstausee liegt, können sie sich nicht mehr wie zuvor bewegen und sich in den Höhlen verbergen. Es gibt sehr viele Höhlen im Tigristal.

Zum andern ist die Frage des Wassers allgemein von strategischer Dimension. Wasser wird im Nahen Osten so wertvoll wie Öl werden. Die Türkei kontrolliert sehr große Mengen Wasser, weil die Flüsse alle von der Türkei aus nach Syrien oder in den Irak fließen. So soll jetzt auch der Irak erpreßbar gemacht werden, zum Beispiel was die Politik der Kurden im Irak betrifft, aber auch auf anderen Feldern. Da drohen mit Sicherheit Konflikte. Schon im letzten Jahr war der Tigris im Irak so niedrig, daß man bei Bagdad zu Fuß durchlaufen konnte. Da hieß es erst, das habe schon mit dem Ilisu-Damm zu tun, aber der war noch nicht geschlossen. Das Niedrigwasser war teilweise hausgemacht. Es zeigt einfach, daß die Trockenheit ein Riesenproblem in der Region ist. Wenn dieser Stausee jetzt erst einmal volläuft, fließt viel weniger Wasser in den Irak. Die irakische Landwirtschaft wird Probleme bekommen, und die südirakischen Sumpflandschaften, die sind UNESCO-Weltkulturerbe, drohen dann auszutrocknen.

Die irakischen ökologischen Gruppen, die NGOs und andere regen sich auf, daß die irakische Regierung fast nichts tut, um gegen diesen Dammbau zu intervenieren. Die irakische Regierung macht einen schwachen Eindruck. Jetzt waren gerade wieder Vertreter vom türkischen Energie- oder Wasserministerium im Irak und haben dort noch einmal versichert, daß nichts passieren wird. Aber es wird etwas passieren, wenn das Wasser aufgestaut wird. Leider macht der Irak sehr wenig. Deswegen finden heute nicht nur auf der Museumsinsel und an kulturellen Orten sowie vor türkischen Konsulaten und Botschaften Protestaktionen statt, sondern in einigen Städten werden auch Proteste vor irakischen Vertretungen abgehalten. Auch in Bagdad wird heute protestiert. Die irakische Regierung wird aufgefordert, diese Wasserfrage in internationalen Gremien zur Sprache zu bringen. Das müssen wir alles mitdenken. Das wären Punkte, mit denen sich dieser Staudamm, der Staudammbau vielleicht nicht, aber die Auffüllung des Stausees noch stoppen ließe. Selbst wenn morgen tatsächlich die Staudammtore zugehen, dauert es eine ganze Weile. Hasankeyf wäre selber ab Oktober gefährdet, andere Orte wahrscheinlich schon vorher. Aber das heißt nicht, daß wir den Kampf verloren geben, sondern natürlich muß weiter Druck organisiert werden, und zwar inländischer und ausländischer Druck, um das ganze Projekt am Ende doch noch zu stoppen.


Transparent 'Stopp Ilisu Damm' - Foto: © 2019 by Schattenblick

Hasankeyf verteidigen nicht fürs Museum, sondern für die Menschen, die darin leben
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: Noch eine Frage aus aktuellem Anlaß: Es wird Druck auf die Regierung Erdogan wegen des Kaufs russischer Raketensysteme ausgeübt - sägt Erdogan an seinem Stuhl oder hat er wirklich die Stärke, solche Alleingänge durchzuziehen?

NB: Man muß die Frage stellen, ob das die Politik Erdogans oder die Politik der türkischen herrschenden Klasse ist. Ich denke, zum Teil ist es Erdogans Politik, aber sie geht auch von der türkischen herrschenden Klasse aus, die einfach nicht aus der NATO herauswill. Einen Austritt wünscht sich nur ein ganz kleiner Teil der sogenannten Eurasier. Die türkische herrschende Klasse will vor allem innerhalb der NATO mehr Mitspracherecht bekommen, darum geht es. Die Türkei ist 1953 in die Nato aufgenommen worden, weil man Kanonenfutter für den Koreakrieg brauchte. Inzwischen ist die Türkei kein rückständiges Agrarland mehr, sondern sicherlich eine der regionalen Vormächte im Mittleren Osten. Die türkische Bourgeoisie, auch Erdogan, sind der Meinung, daß die Türkei endlich auf Augenhöhe mit anderen Mächten in der NATO mitreden soll. Um das durchzusetzen, beschafft man sich jetzt zusätzliches Gewicht: Putin und dieser Raketendeal.

Die große Gefahr, die ich hier sehe, ist aber nicht, daß die Türkei nun mehr Einfluß bekommt, sondern daß die Gegenseite, die USA, ein Angebot machen - ein Angebot zu Lasten der Kurden in Nordsyrien. Ich habe gerade eine zweitägige Konferenz der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) besucht, in der es um Syrien ging. Zugegen waren Wissenschaftler, Berater der NATO und so weiter. Dort hieß es auch, wir haben keine Garantie, wie wir Erdogan fest in unser Bündnis holen können. Aber man müsse doch jetzt versuchen, ihm etwas anzubieten, zum Beispiel in Nordsyrien, wenn schon kein Einmarsch, dann doch zumindest, daß die USA probieren, die YPG zu verdrängen, daß es dort also einen Sicherheitskorridor gibt oder wie es ein Vertreter auf dieser Konferenz gesagt hat: Wir müssen zwar die Kurden vor der Türkei schützen, aber wir müssen auch die Türkei vor den Kurden schützen.

Da zeichnet sich ab, worauf es rauslaufen wird, wenn tatsächlich deutsche Tornados dort hingeschickt werden, um eine Schutzzone zu überwachen. Das wird dann keine Schutzzone sein, um die Kurden oder Rojava zu bewachen, sondern es wird eine Schutzzone sein, die die Türkei vor den Kurden schützen soll und ansonsten gegen iranischen Einfluß, gegen das syrische Regime und gegen russischen Einfluß gerichtet ist. Ich bin persönlich strikt dagegen, daß dort deutsche Kampfflugzeuge eingesetzt werden. Dies dient nicht dem Schutz von Rojava und den Kurden, sondern die Kurden und die Völker Nordsyriens werden mit dem türkischen Knüppel bedroht, um dann ihre Zustimmung zu geben für einen Militäreinsatz.

Wenn es Deutschland wirklich darum ginge, dort die Kurden zu schützen, dann müßten sie zuerst einmal mit den Kurden reden. Bis heute finden solche Gespräche nicht statt. Die Rückholung gefangener deutscher IS-Kämpfer in Syrien wird mit der Begründung abgelehnt, daß wir keinen Kontakt haben und die kurdische Selbstverwaltung nicht anerkennen. Man will sich jetzt anmaßen, über ihre Köpfe hinwegzufliegen und zu behaupten, das gelte ihrem Schutz. Das halte ich tatsächlich für ein bißchen absurd, aber es entlarvt einfach auch die deutsche Politik, der es eben nicht darum geht, Rojava zu schützen und schon gar nicht darum, dieses fortschrittliche radikaldemokratische Projekt zu bewahren.

SB: Nick, vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen.


Nick Brauns mit Mikro vor Stopp Ilisu Damm-Plakat - Foto: © 2019 by Schattenblick

Gegen die Zerstörung sozialer und kultureller Autonomie
Foto: © 2019 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.hasankeyfgirisimi.net/

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar704.html

[3] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0277.html


17. Juni 2019


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