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INTERVIEW/077: Klimacamp trifft Degrowth - Analyse, Selbstverständnis, Konsequenzen ...    John Jordan im Gespräch (SB)


Hand anlegen und in Bewegung kommen ...

Klimacamp und Degrowth-Sommerschule im Rheinischen Braunkohlerevier 2015


Der Künstler John Jordan ist seit vielen Jahren in sozialen Bewegungen aktiv. In den 90er Jahren war er an der Gründung der gegen den Automobilismus gerichteten direkten Aktion Reclaim the Streets wie auch der Clandestine Insurgent Rebel Clown Army beteiligt. Er gehörte dem Redaktionskollektiv an, das 2003 mit We Are Everywhere eine umfassende, in mehrere Sprachen übersetzte Geschichte des sozialen Widerstandes gegen Kapitalismus, Globalisierung und sozialökologische Zerstörung in der Jetztzeit vorgelegt hat. Das zusammen mit Isabelle Fremeaux verfaßte Film-Buch Paths Through Utopia, in der Bundesrepublik als Pfade durch Utopia [1] veröffentlicht, wurde zuletzt ins Koreanische übersetzt und erscheint in Frankreich mittlerweile in dritter Auflage. Das Künstlerkollektiv The Laboratory of Insurrectionary Imagination ist ein weiteres Projekt von John Jordan und Isabelle Fremeaux. In diesem Rahmen berichtet der Kulturaktivist mitunter über neue Projekte und Aktionen, so zuletzt über Ende Gelände [2].

Auf dem Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier beantwortete John Jordan dem Schattenblick einige Fragen zur Geschichte und zur gesellschaftlichen Bedeutung dieser Form des Aktivismus.


Im Gespräch - Foto: © 2015 by Schattenblick

John Jordan
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick (SB): John, könntest du erklären, wie all das, was wir heute hier auf dem Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier erleben, angefangen hat?

John Jordan (JJ): Ich finde es schwierig, einen genauen Entstehungszeitpunkt zu nennen. Sicherlich gehörten die No Border-Camps zu den frühesten Zusammenkünften dieser Art. Das gilt insbesondere für das Konzept, ein Camp um ein Barrio (spanisch für Nachbarschaft oder Viertel) herum zu errichten, also Gemeinschaften zu schaffen, an die häufig eine Küche angegliedert ist. Ich bin zuerst im Rahmen der No Border-Camps auf diese Struktur gestoßen, in denen Nachbarschaften gebildet werden, die einen gewissen Organisationsgrad haben und am Ende auf eine Aktion hinauslaufen. Das sind zumindest die frühesten Camps dieser Art, von denen ich gehört habe.

Sie haben sich durch den G8-Prozeß in Heiligendamm und durch Klimacamps wie in Heathrow weiterentwickelt. Der Gedanke, ein Territorium mit Zelten zu besetzen und dabei eine Art befristete Minigesellschaft zu bilden, wurde später durch die Occupy-Bewegung aufgegriffen. Die Klimacamps im United Kingdom (UK) begannen mit dem Camp in Drax im August 2006, wo sich 400 Aktivistinnen und Aktivisten versammelten. Das Verbrechen des Klimawandels fungierte dabei als eine Art cinematografischer Kontext. Man schuf den Mikrokosmos einer alternativen Gesellschaft vor dem Hintergrund des Problems des Klimawandels. Das Kohlekraftwerk Drax ist eine der größten CO2-Schleudern Europas und betreibt nun ein wenig Greenwashing, indem zwei der sechs Blöcke mit Biomasse betrieben werden.

Die Kraft dieser Treffen liegt meiner Ansicht nach darin, daß man sich leicht daran beteiligen kann. Das gleiche gilt auch für dieses Camp. So traf ich hier eine 18jährige, die noch niemals ein derartiges Camp besucht hat und ganz begeistert ist von dem, was hier passiert. Als offene Tür für Menschen, die sich für die Sache interessieren, aber nicht wissen, wie sie sich an alternativen Formen der Organisation oder an Aktionen zivilen Ungehorsams beteiligen sollen, ist es ganz hervorragend. Es ist eben nicht wie ein Squat (englisch für Hausbesetzung) oder ein anderer sozialer Raum, wo man durch eine Tür gehen muß, aber dahinter niemanden kennt. Hier kann man sein Zelt aufschlagen, beim gemeinsamen Essen Menschen kennenlernen oder auf andere Weise Kontakt finden. Die Form des Camps besitzt eine Offenheit, die ich für sehr schön und wichtig zum Aufbau sozialer Bewegungen halte.

SB: In einigen linken Zentren hat man festgestellt, daß die Schwelle für Menschen, die sich an Protesten beteiligen wollen, mitunter recht hoch ist. So gibt es häufig einen besonderen Dress Code und einen speziellen Szenejargon, der Menschen abschrecken kann, die damit nicht vertraut sind. Bedarf es nicht, um gesellschaftlich etwas in Bewegung zu bringen und neue Ideen zu verbreiten, einer größeren Offenheit gegenüber Menschen, die nicht einer bestimmten Szene angehören?

JJ: Ja, und diese Durchlässigkeit funktioniert hier wirklich gut. Es gibt den Menschen auch die Gelegenheit, Formen der Selbstorganisation kennenzulernen und sich mit einer ökologisch schonenden Lebensweise zu beschäftigen.

SB: Wie haben sich die hier üblichen Formen der Kommunikation, also die Nutzung von Handzeichen, die Gruppentreffen und Arbeitsstrukturen entwickelt? Alles wirkt sehr durchstrukturiert, was man von außen betrachtet nicht unbedingt vermuten würde.

JJ: Ich komme gerade von einem Camp in Bure im Nordosten Frankreichs, das sich gegen ein großes Endlager für Nuklearabfälle im ländlichen Raum richtet. Es waren 600 Leute dort, aber dennoch war dort eine ganz andere Atmosphäre als hier. Dort hat man richtiggehend Angst vor zu viel Organisation, weil man darin Herrschaftsstrukturen vermutet, was ich persönlich anders sehe. Aber für viele Französinnen und Franzosen, die Camps in Deutschland besuchen, ist es ein regelrechter Kulturschock zu erleben, wie wichtig hier Organisationsstrukturen und die Diskussionen darüber, was man tun und lassen sollte, sind. Diese Beziehung zum Antiautoritarismus ist wirklich interessant. In der französischen Aktivistenkultur geht es sehr viel individualistischer und konfliktträchtiger zu, während es hier viel mehr Diskussionen über Fragen des Umgangs und der jeweiligen Interessen gibt.

Meiner Ansicht nach herrscht in der deutschen Aktivistenkultur eine Haltung des Respektes vor, während französische Gruppen eher an einem Mangel an Vertrauen leiden. Man macht ganz unterschiedliche Erfahrungen, und von daher glaube ich, daß jedes Camp eine andere Kultur der Diversität besitzt. So sind die Versuche, die verschiedenen Handsignale in Frankreich einzuführen, erfolglos geblieben. Es läßt sich zwar schwer beweisen, aber meines Erachtens wurden sie ursprünglich in einigen feministischen Gruppen in den siebziger Jahren entwickelt und haben sich über die Friedensbewegung bis zur Antiglobalisierungsbewegung und die Movimiento 15-M weiterentwickelt.

Im heutigen Kontext sind sie zu einem allgemein akzeptierten Werkzeug geworden, aber als ich in den neunziger Jahren versuchte, sie bei Workshops mit spanischen Aktivistinnen und Aktivisten einzuführen, wurde mir entgegnet: Das einzige Handzeichen, das wir kennen, ist Fuck Off (macht die entsprechende Geste mit dem Unterarm und lacht). Deshalb war es großartig zu erleben, wie plötzlich Tausende von Menschen in der Movimiento 15-M, der Occupy-Bewegung auf dem Puerta del Sol, als Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung ihre Hände benutzten. Es dauert eben wie bei allem anderen auch eine gewisse Zeit, bis man dahinterkommt, was für nützliche Kommunikationswerkzeuge diese Handzeichen für die Entwicklung sozialer Bewegungen sein können.

SB: Stimmt es, daß die Idee des Veganismus und der Tierbefreiung in Frankreich weit weniger Zustimmung unter Aktivistinnen und Aktivisten findet als in der Bundesrepublik?

JJ: Ja, das stimmt. Ich weiß nicht warum, aber das müßte man französische Aktivistinnen und Aktivisten direkt fragen.

SB: In den Biomasseblöcken von Drax werden heute US-amerikanische Wälder für die Stromerzeugung in UK verfeuert, und das gilt als klimaneutral. Wie schätzt du die gesellschaftliche Wirkung des Klimaaktivismus auch angesichts solcher Widersprüche ein?

JJ: Die Gesellschaft reagiert zwar möglicherweise mit falschen Lösungen wie der Biomasse, aber dann korrigiert die Klimaschutzbewegung ihre Forderungen, und die Gesellschaft reagiert erneut in einem quasi dialektischen Prozeß. Wenn es diese 400 Menschen in Drax nicht gegeben hätte, dann wären wir heute vielleicht nicht hier, denn dort wurde die Klimaschutzbewegung geboren. Ich glaube, die europäische Klimaschutzbewegung ist sehr wichtig und wird sich auch auf die Diskussionen während des Internationalen Klimagipfels in Paris auswirken. Diese Dinge entwickeln sich langsam, aber stetig. Vor 15, 20 Jahren hätten sich nicht so viele Leute zusammengefunden, um über Klimagerechtigkeit zu diskutieren. Allein die Tatsache, daß der Diskurs um den Klimawandel in dieser Bewegung heute zum Thema soziale Gerechtigkeit weiterentwickelt wurde, ist eine große Errungenschaft. Zuguterletzt kommen die ökologische und die soziale Frage zusammen, auch wenn es lange gedauert hat, bis dieses so wichtige Thema heute im Vordergrund steht. Meiner Ansicht nach sind die Klimacamps mitverantwortlich dafür, daß dieser Diskurs, der ja ursprünglich aus dem globalen Süden kommt, heute auch im Norden geführt wird.

Insbesondere interessant an diesem Klimacamp finde ich die Begegnung zwischen verschiedenen internationalen Kulturen des Aktivismus, zwischen der eher akademischen Degrowth-Schule, der radikalen Klimaschutzbewegung und dem noch radikaleren Hambacher Forst. Auch die dynamische Entwicklung von Ökosystemen ereignet sich vor allem dort, wo die vielfältigsten Beziehungen zwischen verschiedenen Spezies stattfinden. Dort entwickeln sich die Prozesse mit dem höchsten Potential an Evolution, Resilienz und Kreativität. So werden auch in diesem Camp neue Ideen entwickelt, neue Beziehungen geschaffen und neue Bewegungen initiiert. Natürlich entstehen dabei auch Konflikte.

SB: Die Degrowth-Bewegung, sofern man sie als solche bezeichnen möchte, entstand in Frankreich, hat sich in Spanien weiterentwickelt und letztes Jahr bei der Degrowth-Konferenz in Leipzig mit 3000 Personen ihr bislang größtes Ausmaß erreicht. Wie ist ihr Stand heute in Frankreich?

JJ: Sie ist auf ganz unterschiedliche Weise präsent. Was ich darüber weiß, bezieht sich zum einen auf eine Art Degrowth-Lifestyle, wo es zu einer völlig neuen Umdefinition zivilisatorischer Werte kommt, die die Leute in ihrem alltäglichen Leben zu verwirklichen suchen. Sie folgen einer anarchistischen Perspektive und verweigern etwa die Nutzung von Zügen, weil sie mit Atomstrom betrieben werden, und andere Formen des zerstörerischen Konsums. Auf der anderen Seite gibt es Leute republikanischen Zuschnitts, die Druck auf den Staat auszuüben versuchen, um ihn zu einer Politik der Wachstumsreduktion zu zwingen.

SB: In der Bundesrepublik gibt es Versuche rechter Gruppen, Klima- und Umweltorganisationen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Geschieht so etwas auch in Frankreich?

JJ: Die FN versucht Jugendliche über ökologische Fragen für sich zu gewinnen. Ich weiß, daß der Nationalsozialismus in Deutschland versucht hat, die Lebensreformbewegung, quasi die Hippiebewegung der damaligen Zeit, zu vereinnahmen, doch offensichtlich ist das Problem rechter Unterwanderung der ökologischen Bewegung hierzulande bewußt. Daß diese Entwicklung in Frankreich und UK weniger sichtbar ist, liegt meines Erachtens daran, daß die Menschen die rechte Gefahr dort nicht ernst genug nehmen. Von daher ist es gut, die ökologische Frage immer zu politisieren. Es gibt sehr viele unpolitische Ökologiegruppen in Frankreich und UK, die nicht realisieren, daß sie tatsächlich Türen für grüne Formen des Faschismus öffnen können. In dem Augenblick, in dem man über Ökologie spricht, muß man auch über soziale Herrschaft sprechen. Die Herrschaft über die Natur und die soziale Wirklichkeit sind ein- und dasselbe. Man kann das eine Problem nicht ohne das andere lösen. Dieser Diskurs ist in einigen liberalen ökologischen Bewegungen in Frankreich und UK nicht genug entwickelt.

SB: Die Affäre um den Polizeispitzel Mark Kennedy hat vor ein paar Jahren international Schlagzeilen gemacht. Seitdem sind auch in der Bundesrepublik immer wieder Spitzel in linken und sozialökologischen Bewegungen enttarnt worden. Wie soll man damit umgehen, daß sich wahrscheinlich auch hier Informanten oder verdeckte Ermittler der Polizei und von RWE aufhalten, um Näheres über die am Wochenende geplante Aktion Ende Gelände herauszufinden? Glaubst du, daß den Menschen diese Gefahr ausreichend bewußt ist?

JJ: Die meisten jungen Menschen, die hierherkommen, haben wahrscheinlich keine Vorstellung davon, daß man es mit einem Undercover-Cop zu tun bekommen könnte, der diese Strukturen sieben Jahre lang unterwandert hat und dabei vier Jahre lang eine Liebesbeziehung unterhielt. Manche Ermittler haben sogar Kinder mit Aktivistinnen gezeugt, was viele Leute sehr schockiert hat. Viele Jugendliche mit weniger Erfahrung sind vermutlich der Auffassung, daß sie nichts Falsches tun und es daher keinen Grund gebe, warum sie ausspioniert werden sollten. Meiner Ansicht nach besteht die Aufgabe dieser verdeckten Ermittler nicht nur darin, Informationen zu gewinnen, sondern auch, ein Klima gegenseitigen Mißtrauens zu erzeugen.

In der britischen Bewegung kam es zu einem Zwischenfall, der uns alle tief entsetzt hat. Auf einem Klimacamp, das im Rahmen von Versammlungen mit ungefähr 100 Personen öffentlich organisiert war, wurde einer Gruppe von sieben bis zehn Personen das Mandat erteilt, heimlich einen Ort für eine Aktion auszukundschaften, damit keine Details nach außen dringen konnten. Dieser Ort wurde zwar geheimgehalten, aber am Ende stellte sich heraus, daß sich in dieser Gruppe zwei verdeckte Ermittler der Polizei befanden.

Diese Gefahr besteht natürlich immer, und von daher ist das wichtigste von allem, daß wir einander vertrauen. Vertrauen zwischen verschiedenen Menschen und politischen Positionen herzustellen, anstatt sich ständig zu mißtrauen, ist ein Schlüsselelement zum Aufbau einer Bewegung. In den französischen Bewegungen habe ich erlebt, wie schwierig es ist, etwas zu organisieren, wenn man sich nicht vertraut. Das zerstört nicht nur Freundschaften und schafft Räume, die man eher meidet, weil man den Eindruck hat, nicht willkommen zu sein, sondern auch organisatorisches Potential. Die Leute geben dann keine Informationen mehr weiter, und am Ende hat man es mit einer desorganisierten Bewegung zu tun. Man muß sich darüber im klaren sein, daß sie immer wieder versuchen werden, uns zu unterwandern. Seit der Affäre um Mark Kennedy ist das im UK zwar schwieriger geworden, aber sie werden es dennoch versuchen.

SB: Könntest du dir vorstellen, daß man eine Form von sozialer Vertrautheit schafft, die nicht mehr zu infiltrieren ist, weil sich die Leute zu gut kennen, um sich gegeneinander aufwiegeln zu lassen?

JJ: Mark war vollständig in den inneren Kreis integriert, das galt auch für Jim und Lynn. All die Leute, von denen wir heute wissen, daß sie als Undercover-Cops arbeiteten, waren engste Freunde von uns. Sie machten ihre Arbeit sehr gut und wurden dafür entsprechend gut bezahlt. Natürlich sind sie durch diese schizophrene Situation auf gewisse Weise verrückt geworden. Ich glaube daher nicht, daß es möglich ist, eine Sozialkultur zu schaffen, die eine solche Person mit letzter Gewißheit enttarnen würde. Andernfalls würde man wahrscheinlich eine Art Ghetto schaffen, das auch für niemand anderen mehr offen und zugänglich wäre. Daher denke ich, daß man schlaue Formen der Organisation entwickeln muß, in denen man sich der Gefahr immer bewußt ist und die richtigen Fragen stellt. Heute wissen wir, welche das sind: Hast du eine Familie, wer ist dein Vater, wer ist deine Mutter? Die Undercover-Cops hatten alle Legenden über ihr früheres Leben parat, denen wir einfach geglaubt haben, aber wir haben sie niemals darum gebeten, einmal ihre Eltern oder ihre früheren Freunde kennenzulernen.

Als wir feststellten, was Mark wirklich tat, fiel es uns wie Schuppen von den Augen, weil es so offensichtlich war. Zum einen war er häufig abwesend, um, wie er sagte, seine Familie zu besuchen. Er sagte uns immer, daß er Geld verdienen müsse. Es fällt auf, wenn Menschen häufig woanders sind und man nichts über ihre Familie weiß. Daher geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen. Ich glaube nicht, daß es unmöglich ist, einen Spitzel zu entlarven, aber ich denke, daß es unmöglich ist, sich dabei ganz sicher zu sein.

SB: Könntest du noch etwas über deine derzeitigen und künftigen Aktivitäten sagen?

JJ: Im Augenblick arbeiten wir an einem Projekt für den COP21-Klimagipfel, das sich Climate Games nennt und ursprünglich in Amsterdam von einer Gruppe namens GroenFront entwickelt wurde. Es geht dabei um eine Struktur, die verschiedenste Aktionsformen zivilen Ungehorsams von eher symbolischen Handlungen bis zu Formen direkter Aktion in einen gemeinsamen Rahmen faßt. Man arbeitet beispielsweise in einem Team, das eine direkte Aktion macht. Dazu gibt es eine Applikation, die man auf dem Smartphone oder am PC verwenden kann, um den Ort und die Art der eigenen Aktion auf einer Karte einzutragen. Diese zeigt zudem die Aufstellung der Polizei, das "Team blau", und weiterer möglicher Aktionsorte. Es handelt sich also um eine Art Brücke zwischen Crowdsourcing und Straßenaktivismus, die auch unterhaltsame Elemente enthält, weil man Punkte für besonders komische oder besonders wirkungsvolle und überraschende Aktionen erhält.

Das Spiel findet am 30. November, dem ersten Tag des COP 21, und dem 11. und 12. Dezember, den letzten Tagen der Klimakonferenz, statt, wenn eine große Aktion zivilen Ungehorsams mit hoffentlich zehntausend Menschen auf die Beine gestellt wird. Entwickelt wurde das Spiel auf drei Hackathons, in Ghent, London und Berlin. Dort haben wir Aktivisten und Hacker, Coder und Künstler zusammengebracht, um die Technologie, das Narrativ und die Strategie dieser Climate Games-Form zu entwickeln. Wir sind unter anderem auch deshalb hier auf dem Klimacamp, um darüber zu reden.

Es geht uns darum, den Widerstand gegen die Klimazerstörung auch in Frankreich zu beleben, denn dort gibt es kaum so etwas wie eine Klimaschutzbewegung. Selbst in La Zad [3] wird kein Klimadiskurs geführt. Es geht dort eher um die Urbanisierung der Landschaft und die von infrastrukturellen Projekten ausgehende Kontrollgewalt, um Antikapitalismus und Verlust an Biodiversität, aber nicht wirklich um den Klimawandel. Daher ist es uns wichtig, die Bewegung für Klimagerechtigkeit in Frankreich voranzubringen und dafür kreative Formen des Aktivismus einzubringen.


Erster Zug verläßt das Klimacamp - Foto: © 2015 by Schattenblick

Ende Gelände - Frühmorgendlicher Aufbruch des "internationalen Fingers"
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] Pfade durch Utopia im Schattenblick:

REZENSION/592: Isabelle Fremeaux / John Jordan - Pfade durch Utopia (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/sachbuch/busar592.html

BERICHT/003: "Pfade durch Utopia" - Selbstbestimmtes Gemeinschaftsleben in Europa (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/report/mreb0003.html

INTERVIEW/152: "Pfade durch Utopia" - was wäre wenn - 1 (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0152.html

INTERVIEW/153: "Pfade durch Utopia" - was wäre wenn - 2 (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prin0153.html

[2] Drawing a line in the sand: The movement victory at Ende Gelände opens up the road of disobedience for Paris
https://labofii.wordpress.com/author/laronceblog/

[3] BERICHT/014: La ZAD - Feldfrucht gegen Staatsgewalt (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/report/brrb0014.html

BERICHT/005: La ZAD ... wenn Welten aufeinanderprallen (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buerger/redakt/brbe0005.html


Klimacamp und Degrowth-Sommerschule 2015 im Schattenblick
www.schattenblick.de → INFOPOOL → BUERGER → REPORT:

BERICHT/054: Klimacamp trifft Degrowth - Keine Umweltkehr ohne Aufbegehr ... (SB)
BERICHT/055: Klimacamp trifft Degrowth - Kein Feld bleibt aus ... (SB)
BERICHT/056: Klimacamp trifft Degrowth - und nicht allein ... (SB)

27. August 2015


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