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SERIE/053: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 09.10.2007 bis 11.10.2007


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

15. Teil - 09.10.2007 bis 11.10.2007


9.10.07

In den letzten Tagen sind fürchterliche Leute aus Aichach gekommen. Aggressiv und laut. Ich hoffe, sie gehen am Freitag wieder, Idioten haben wir schon genug hier. Heute war ich beim Arzt, er hat mir netterweise im Hinblick auf Aichach in meine Patientenakte einen Vermerk geheftet, dass ich eine Einzelzelle brauche. Gott sei Dank! Hr. F. war auch da. Er beruhigt mich immer und tut mir unwahrscheinlich gut. Wenn die Haftbeschwerde vom OLG abgelehnt wird, will er evtl. bis vor den BGH gehen, mal sehen. Hr. B. vom Sozialamt hat jetzt die Mietübernahme, die wir im März! beantragt hatten, abgelehnt. Auch darüber wird es eine Beschwerde geben. Dank seiner Untätigkeit habe ich jetzt ca. 770 Miese auf dem Girokonto der HBV. Jeden Monat kommen ca. 70 Euro Verzugszinsen dazu. Danke, Hr. B. !

Hr. F. hat auch mit Mutti telefoniert und meinte, sie wäre schon irgendwie stolz auf mich, daß ich zu dem Ganzen stehe. Sie sagte auch, mein Brief nach der Verhandlung hätte geklungen wie ein Testament. Ich sagte Hrn. F.: "Es war ein Abschiedsbrief". Wir haben uns angeschaut und wussten Bescheid. H. dagegen wäre ziemlich pikiert über meine Untaten. Ja, der brave H.

P.V. war wohl ein paarmal bei Hrn. F. in der Kanzlei, es ist rührend, wie sie zu mir stehen. Es ist immer ein Genuß, mit Herrn F. zu reden, leider ein sehr seltener. Ein Mitarbeiter der Stadtwerke hat ihn gefragt, wie er nur jemanden wie mich verteidigen könne. Er antwortete: "Fr. Luthardt gehört noch zu meinen friedlicheren Mandanten". Süß! Das alles war positiv und heute habe ich zum erstenmal das Gefühl, ich könnte die Gefangenschaft evtl. doch überstehen.

Heute wurde meine Zelle wieder gefilzt, ich habe einen Anschiss von Fr. S., die mir in letzter Zeit eh "nicht auf's Fell schauen" kann bekommen. Sie hat einige Sachen aus meiner Zelle genommen (T-Shirt, Unterwäsche, Bademantelgürtel), die ich doppelt hatte, mich angeschnauzt, dass ich nur 3 Zeitungen haben dürfe und zum Putzen verdonnert, weil es "saudreckig" wäre. Das stimmt allerdings - zum Teil. Ich sagte: "Ich muss in meinem Terminkalender nachschauen, ob ich noch einen Termin zum Putzen frei habe". "Das haben Sie, sonst bekommen Sie einen Termin von mir". Naja, jetzt habe ich ein bißchen geputzt und hoffe, sie gibt sich damit zufrieden.


10.10.07

Heute früh war Fr. T. da. Wir haben lange geredet. Mutti hatte ihr aus meinem Brief vorgelesen und beide haben gemeint, dass es ein Abschiedsbrief war, auch der, den ich an Fr. T. geschickt hatte. Es spricht für ihre Weisheit, dass sie zu Mutti sagte: "Man muß sie gehenlassen". Sie sagte auch, ich hätte sehr viel Kraft, Energie und große Selbstheilungskräfte. Außerdem sagte sie richtigerweise, wenn sie offiziell etwas über Suizidgefährdung sagen würde, würde es hier noch schlimmer für mich werden. Das ist wahr. Außerdem will ich nicht, daß in der "Bild"-Zeitung steht: "Bombenlegerin bringt sich in ihrer Zelle um", den Triumph gönne ich ihnen nicht! Fr. T. sagte auch: "Sie haben sehr viel Energie gegen den Staat eingesetzt, jetzt schwingt das Pendel zurück und der Staat setzt sehr viel Energie gegen Sie ein. In 2 Jahren hat sich das dann eingependelt und beruhigt sich". Auch da ist etwas dran.

Nachmittags waren M. und P. da. Sie meinten, wie auch schon Fr. T. früher, dass er sehr viel Charme hat, aber wenig tut.

Eigentlich wäre mir jetzt am liebsten, wenn die Haftbeschwerde vom OLG abgelehnt würde. Meine Wohnung ist von der GWG gekündigt, ich weiß ja nicht einmal, ob ich dort hinein könnte, ob Strom, Wasser und Heizung funktionieren. Es ist alles total chaotisch. Ich denke, am besten wäre es, die Zeit meiner Strafe jetzt abzusitzen (Halbstrafe bis ca. 8.1.09, Drittelstrafe bis 23.8.09) und dann wieder ganz neu anzufangen. Ich muß nochmal mit der Sozialarbeiterin, Fr. S. reden und Hrn. F. schreiben. Spätestens übermorgen müßte die Entscheidung des Oberlandesgerichtes fallen.

Nachmittags war eine schreckliche Atmosphäre hier, A. aus der Slowakei hat schrecklich geweint, ihr russischer Mann soll zu 12 Jahren verurteilt werden, wegen Drogengeschichten.


11.10.07

Habe heute morgen sehr lange mit der Krankengymnastin geredet, ein sehr interessantes und wohltuendes Gespräch. Voriges Mal war eine Riesengruppe da, heute war ich ganz allein. Die anderen wollen nicht mehr. Ich nutze jede Sekunde, um aus der Zelle herauszukommen. Schw. M. kam und sagte, sie haben einen Brief nach Aichach geschickt, wegen "meiner" Einzelzelle. Super!

Dann habe ich wieder einen Brief an Hrn. F. geschrieben, dass ich wenn morgen die Haftbeschwerde beim OLG abgelehnt wird, schnellstmöglich in Strafhaft gehen will. Er soll dann die Revision zurücknehmen. Ich bin jetzt fast 8 Monate in Neudeck und "packe" das nicht mehr. Ich will und muß hier weg!


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Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


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Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2010