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SERIE/005: Die tödliche Kriminalisierung der Heide L. - 3. Brief - Geständnis


Die tödliche Kriminalisierung der Heide L. - 3. Brief

Aichach, Dez. 07

Geständnis


Ebenso wie Verhaftungen, kannte ich auch Vernehmungen und alles, was danach kommt, nur aus dem Fernsehen, bis zum 23.2.2007. Nach der Verhaftung in meiner Wohnung werde ich zum Polizeipräsidium in der Ettstraße, die mitten in der Münchener Innenstadt liegt, gefahren. Gleich nach meiner Ankunft dort erfolgt die erkennungsdienstliche Behandlung mit Fotos von vorne, links und rechts. Dabei sitze ich auf einem Schemel, den der fotografierende Beamte per Hebel nach rechts und links schwenken kann und fühle mich wie in einer lächerlichen Comedy-Show. Dann erfolgt die Abnahme von Fingerabdrücken, elektronisch, eine Prozedur, der sich heute jeder Bundesbürger, der einen Reisepaß beantragt, unterziehen muss. Schäuble & Co. sei Dank. Anschließend noch ein DNA-Test. "Und wenn ich nicht will?" "Dann können wir Sie auch per Zwang in die Rechtsmedizin bringen, zur Blutabnahme". "Na gut". Der Beamte nimmt mir von beiden Seiten der Mundschleimhaut mit zwei Wattestäbchen Material ab. Das war's dann.

Ich werde in einen Raum des Staatsschutzes gebracht, in dem gerade ein Mann ein Plakat von der Wand abnimmt. Ich kenne es von der Münchner Sicherheitskonferenz. Es zeigt ein Portraitfoto von D. Rumsfeld, darunter steht "Massenmörder Rumsfeld". Ich sage: "Das passt ja". Der Mann lacht "Ja, das passt". Ein zweiter Beamter kommt herein. Ich will unbedingt einen Anwalt anrufen und sie bringen mir ein Telefonbuch. Endlich erreiche ich jemanden, der jedoch keine Pflichtverteidigung macht, mir aber Namen und Telefonnummer von einem Kollegen gibt. Ich rufe dort an, der Genannte ist auf einem Termin, aber der junge Mann am Telefon, auch Strafverteidiger, bietet sich an zu kommen. Ich sage zu, hauptsache, es kommt überhaupt jemand.

Auf alle Fragen, die sie mir stellen, sage ich nur "kein Kommentar" und "Ich warte auf meinen Anwalt". Viel später, bei meiner Verhandlung kommentiert der Richter das mit "das kann man jedem auch nur empfehlen". Der Staatsanwalt, der gerade noch in meiner Wohnung war, ist auch schon da und meint, daß ein psychatrischer Gutachter "mal auf mich draufschauen" soll. In diesem Moment fühle ich mich wie eine irre Massenmörderin und völlig entmündigt. Er spricht über mich, mit mir spricht er nicht.

Dann bin ich mit den beiden Kripo-Beamten allein. Sie setzen sich mir gegenüber an den Tisch, einer schaut mich streng an und sagt zu meinem Erstaunen, daß er verstehen kann, daß man mit der amerikanischen Politik nicht einverstanden ist und daß man aufrütteln will. In dem Moment bin ich erleichtert, weil sie begriffen haben, worum es mir ging. "Aber nicht so", sagt er "der Zweck heiligt nicht die Mittel." Stimmt schon, aber gerade weil diese Maxime für bestimmte Kreise und Leute nicht gilt, habe ich das alles ja gemacht. Dann schaut er mich lange an "Die Freiheit ist ein hohes Gut". Wie meint er das jetzt? Ich soll mich nicht bockig stellen. Er stellt mir, natürlich unverbindlich, Vergünstigungen in Aussicht, wenn ich aussage. Der zweite Beamte schweigt die ganze Zeit über. Ich sage auch nichts. "Dann gehen Sie eben ein paar Monate in U-Haft, dann sehen wir ja, ob das weitergeht". Ich erschrecke, ich war noch nie im Gefängnis und noch habe ich ja Job und Wohnung.

Mein Anwalt kommt, Gott sei Dank! Ein junger Mann in Jeans und Lederjacke, der überhaupt nicht dem Klischee vom Anwalt entspricht, gerade deshalb ist er mir höchst sympathisch. Sie lassen uns allein. Er schaut mich an "Und?" Ich nicke stumm. "Okay". Er erzählt mir, daß sie Unmengen von belastendem Material in meiner Wohnung und dem Keller gefunden haben und daß es jetzt nur noch um Schadensbegrenzung ginge. Ich soll ein Geständnis ablegen. "Alles?" "Hosen runter" sagt er. Dann erzählt er mir noch, dass sie hier beim Staatsschutz eine Akte über mich als "Friedensaktivistin" führen, die, wie ich später erfahre, zu einer Zeit angelegt wurde, in der ich strafrechtlich überhaupt noch niemals in Erscheinung getreten war, nicht einmal wegen zu schnellem Fahrens oder ähnlichem. Sehr interessant. "Sie haben die richtig geärgert" sagt mein Anwalt, (Na, immerhin) und, "am Montag ist eine große Pressekonferenz angesetzt." Klar, die erfolgreichen Jäger wollen ihre Beute präsentieren und fairnesshalber muss ich zugeben, daß sie ihren Job ja auch gut gemacht haben.

Die beiden Beamten kommen wieder herein. Ich frage "Sind alle da?" "Ja". Dann meine Kapitulationserklärung. "Auf Anraten meines netten Verteidigers sage ich, ich habe alles, was Sie mir vorwerfen, gemacht". "Gut, wollen Sie Ihre Aussage heute noch machen oder später?" Jetzt ist es auch egal. "Heute". "Gut, dann machen wir heute nachmittag weiter". Ich werde in den Gefängnistrakt des Präsidiums gebracht, in eine kahle, gekachelte Zelle. Eine Pritsche, Toilette und Waschbecken aus Metall, das Fenster ist mit undurchsichtiger Folie verklebt. Ich bin das erste Mal in meinem Leben eingesperrt, wie ein Tier in einem Käfig. Ein unbeschreibliches Gefühl. Nach ein paar Stunden werde ich wieder herausgeholt, sie haben wohl zu Mittag gegessen. Mich hat niemand gefragt, ob ich etwas will und so habe ich nur ein bisschen Wasser aus dem Hahn getrunken. Anfangs ist mein Anwalt bei der Vernehmung dabei, später geht er, lässt mir seine Telefonnummer da, ich soll ihn anrufen, wenn ich mir unsicher bin. Ich erzähle alles. Warum ich 11mal Attrappen gelegt habe? fragen sie. "Wenn ich schon so etwas mache, dann mache ich es auch gründlich". Erst werden die Attrappen durchgesprochen, dann die Grafitti, gegen 19.30 Uhr sind wir fertig. Einer der Kommissare sagt "Eigentlich müsste man Ihnen richtig böse sein", ich soll ihm versprechen, daß ich "so etwas" nie wieder mache. Das tue ich. Ganz zum Schluss fragt er "Haben Sie ein Haustier?" Ich bin verblüfft und denke, "Was kommt denn jetzt noch?" "Wenn Sie einen Hund hätten, würde ich ihn nehmen." Das trifft mich wie ein Hammerschlag. Den ganzen Tag über, bei allen Polizeiaktionen, war ich cool, jetzt, nach diesem Satz, könnte ich heulen. Nein, einen Hund habe ich nicht. Der Kommissar bringt mich zur Tür des Zellentraktes, sagt noch, ich hätte meine Position verbessert. Dann gibt er mir die Hand "Alles Gute, für das, was jetzt kommt". "Danke". Er dreht ab und geht zurück, ich werde von einem anderen Beamten übernommen und während wir den Gang entlang zu "meiner" Zelle gehen, steigt trotz meiner Müdigkeit Panik in mir auf. Jetzt fragen sie, ob ich eine Scheibe Brot will. Nein, danke. Ich gehe in die Zelle, bekomme 2 dünne Bettlaken und eine braune Wolldecke, die Tür fällt zu und wird mit diesem ganz speziellen Geräusch, das mich seither begleitet, abgeschlossen. Ich bin allein.


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Quelle: Copyright by Heide Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2008