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STELLUNGNAHME/098: Lambedusa in Hamburg zu den Schüssen in St. Georg (Flüchtlingsrat HH)


Lampedusa in Hamburg - 7. März 2017

Presse-Erklärung zu den Schüssen auf unseren Bruder Augustine O. aus Ghana vom 1. Februar 2017


Die Schüsse eines Zivilpolizisten auf das Mitglied unserer Gruppe Augustine O. vor einem Lokal hier in St. Georg haben uns schockiert! Wir hatten bisher mit der Polizeiwache 11, die für unser Zelt am Steindamm nahe dem Hauptbahnhof seit 4 Jahren zuständig ist, keine ernsthaften Probleme. Die regelmäßigen Besuche der Beamten verliefen meistens auf ruhige, sachliche Art, auch bei kleinen Alltagsproblemen. Wir können von gegenseitigem Respekt sprechen.

Um so mehr hat uns das aggressive Vorgehen eines Polizeibeamten dieser Wache gegenüber einem unserer Brüder entsetzt! Die bisher bekannten Tatsachen lassen für uns leider sehr viele Fragen offen:

Augustine O. hatte offenbar reichlich Alkohol getrunken. Es ist bekannt, daß Menschen, die betrunken sind, oft unkontrolliert reagieren. Durch "gutes Zureden" lassen sie sich aber meistens etwas beruhigen. Hat der Polizist B. das im Fall Augustine O. berücksichtigt? Und hatte er sich als Polizist zu erkennen gegeben? B. war ja in Zivil, trug keine Uniform?

Jeder Polizist hat unseres Wissens eine Nahkampfausbildung. Somit hätte es dem Polizisten B. möglich sein müssen, einen - deutlich betrunkenen! Menschen zu Boden zu bringen, ohne seine Schußwaffe zu gebrauchen? Augustine O. ist übrigens nur 1,65 m klein.

Angeblich hat unser Bruder den Polizisten mit einem Messer bedroht. Ein Foto in der "Morgenpost" vom 2.2.2017 zeigte ein Kartoffelschälmesser, das auf dem Straßenpflaster lag. Wir fragen uns, ob unser Bruder dieses (kleine) Messer überhaupt in der Hand hatte? Normalerweise führen wir keine Messer mit, auch keine kleinen.

Wodurch also kann sich der Polizist B. so bedroht gefühlt haben, daß er unseren Bruder in die Beine schoß?

Und die wichtigste Frage: warum hat der Polizist B., nachdem unser Bruder durch die Schüsse schwer an den Beinen verletzt, auf das Straßenpflaster gestürzt war, NOCH EINMAL auf den LIEGENDEN geschossen???

An dieser Darstellung (dem letzten Schuß) wird in manchen Zeitungsartikeln gezweifelt. Tatsache ist aber, daß Augustine O. in der Situation sowohl an beiden Beinen als auch an der linken Bauchseite/ Niere verletzt wurde. Diese letztere Verletzung kann schwerlich von dem oder den? Schüssen in die Beine stammen??

Es waren einige Polizisten in Uniform schnell vor Ort und fingen sofort an, "den Tatort abzusichern", aber MINUTENLANG hat NIEMAND, auch kein Polizist, dem verletzten Augustine O., der blutend auf der Straße lag, Erste Hilfe geleistet! Warum nicht? Und warum hat niemand SOFORT einen Notarzt und Krankenwagen alarmiert, sondern erst nach mindestens 5 Minuten?

Zuletzt bitten wir die Staatsanwaltschaft um Auskunft zu folgenden Fragen:

Warum wurde gegen unseren Bruder inzwischen ein HAFTBEFEHL erlassen und warum wird er jetzt seit 2 Wochen im Gefängniskrankenhaus (ZKH) festgehalten?
Welches Ermittlungsergebnis hat zu dieser Entscheidung geführt?
Was passiert mit dem Polizisten B., der Augustine O. schwer verletzt hat? Offenbar ist er nicht mehr im Stadtteil St. Georg eingesetzt?

Das sind viel zu viele offene Fragen!
Wir werden hartnäckig darauf bestehen, daß der wahre Verlauf dieses Vorfalls aufgeklärt wird!

Wir können nicht hinnehmen, daß unser Bruder wahrscheinlich nie mehr Fußball spielen wird und vielleicht auch nie mehr voll arbeiten kann! Er ist erst 33 Jahre alt, hat eine Duldung, einen Job in Zeitarbeit. Durch die Schüsse ist auch dieses Bißchen Normalität in Gefahr geraten! Augustine O. ist allen, die ihn erlebt haben, als freundlicher, hilfsbereiter, geduldiger Mensch und leidenschaftlicher Fußballer bekannt.

Ein solches Schicksal hat er nicht verdient!
Wir beten für ihn und seine Genesung und dafür, daß sich seine Situation bald zum Besseren verändern wird.

Wir fordern seine sofortige Freilassung aus dem Gefängnis! SCHWARZE LEBEN ZÄHLEN! Wir sind hier nicht in USA!

Hamburg, 7. März 2017

Aktivisten und Freunde der Gruppe Lampedusa in Hamburg

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Quelle:
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Nernstweg 32-34, 3. Stock, 22765 Hamburg
Telefon: (040) 43 15 87, Fax: (040) 430 44 90
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E-Mail: info@fluechtlingsrat-hamburg.de
Internet: www.fluechtlingsrat-hamburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2017

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