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STELLUNGNAHME/084: Bundeswehreinsatz in Mali - Falsche Begründung, unerreichbares Ziel (Bundesausschuss Friedensratschlag)


Bundesausschuss Friedensratschlag - 28. Januar 2016

Bundeswehreinsatz in Mali: Falsche Begründung, unerreichbares Ziel

• Mali nicht als Übungsgebiet für weltweite Einsätze missbrauchen
• Wirtschaftliche Lage der Menschen in Mali verbessern


Berlin, 28. Januar 2016 - Der Bundeswehreinsatz in Mali werde mit falscher Begründung geführt und das erklärte Ziel, den Terror einzudämmen, nicht erreichen. Darauf weist der Bundesausschuss Friedensratschlag hin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gehe es vielmehr darum, in der Wüste als Übungsgebiet Erfahrungen für weitergehende Einsätze zu sammeln, heißt es in einer Stellungnahme. Der massive Bundeswehreinsatz werde den französischen Kriegseinsatz befeuern und Deutschland zur Kriegspartei in Mali machen. Es sei eine Ausweitung der Kampfhandlungen und des Kampfgebiets zu befürchten. Mit militärischen Mitteln würden jedoch allenfalls Symptome einer tiefen sozio-ökonomischen Krise bekämpft oder in andere Länder und Regionen verschoben. Für die gesamte Sahelregion ist eine große internationale Anstrengung einer planvollen (land-) wirtschaftlichen Gestaltung und Entwicklung notwendig, die sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der dort lebenden Menschen orientiert", so der Bundesausschuss.

Die Stellungnahme des Bundesausschuss Friedensratschlag im Einzelnen:

Wir lehnen den Bundeswehreinsatz in Mali ab. Warum?

1. Er wird mit falscher Begründung geführt: Ministerin von der Leyen begründet ihn unter anderem damit, dass er "in unserem eigenen Sicherheitsinteresse" sei, weil "Mali ein entscheidendes Herkunfts- und Transitland bei Fluchtbewegungen ist". Diese Begründung ist nur sehr bedingt richtig. Die Zahl der Flüchtlinge, die Mali verlassen oder über das Land nach Europa wollen, ist gering. Wenn ein Militäreinsatz, so fragwürdig er für die Bekämpfung von Fluchtursachen ohnehin ist, der Flüchtlingsabwehr dienen sollte, müsste er entlang der Hauptflüchtlingsroute in Nordafrika 500 km östlich im Niger erfolgen.

2. Das vorgebliche Ziel wird nicht erreicht: Ministerin von der Leyen will den Bundeswehreinsatz, "weil er den Terror eindämmt". Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Ergebnisse der intensivierten Aufklärungsarbeit durch die Bundeswehr werden nicht nur bei MINUSMA sondern auch bei der französischen Kriegstruppe der Opération Barkhane ausgewertet und für den "Anti-Terrorkieg" genutzt. Die bisherigen französischen Kampfeinsätze in Mali haben nicht zu einer Dezimierung der dschihadistischen Anschläge geführt, sondern zu ihrer Ausweitung sogar in den Süden Malis und nach Burkina Faso. Der massive Bundeswehreinsatz wird den französischen Kriegseinsatz befeuern und macht Deutschland zur Kriegspartei in Mali. Es ist eine Ausweitung der Kampfhandlungen und des Kampfgebiets zu befürchten, denn die westliche Geschichte des "Anti-Terrorkriegs" lehrt seit Afghanistan, dass die terroristische Gewalt durch Krieg nicht abnimmt, sondern zunimmt und sich ausbreitet.

3. Als Übungsgebiet in der Wüste sollen Erfahrungen für weitergehende Einsätze gesammelt werden. Frankreich scheint nicht mehr in der Lage zu sein, die Kosten für die Kriegführung in Afrika und für die Aufrechterhaltung seiner zahlreichen Stützpunkte in seinen ehemaligen Kolonien alleine zu tragen. Hier will nun Deutschland einspringen und seine Führungsmacht in Europa auch militärisch untermauern. Mali bietet ein günstiges Übungs- und Manövergebiet für Bundeswehreinsätze in Afrika. Vorübungen für Kommendes. Verteidigungsministerin von der Leyen lies die Katze aus dem Sack: Für Waffen und Ausrüstungen sollen die Ausgaben künftig um durchschnittlich rund 75 Prozent steigen. Statt ca. 75 Mrd. sollen es bis 2030 für die weltweite Einsatzfähigkeit 130 Milliarden Euro sein.

Was muss stattdessen getan werden?

Mali ist ein an Ressourcen reiches Land. Der Goldabbau macht es zum drittgrößten Goldförderer Afrikas. In Mali gibt es große Phosphatreserven und vermutlich auch Uranvorkommen. Der Militäreinsatz dort gilt vor allem der vorbeugenden "Stabilisierung" Nigers, von wo Frankreich 70% des Urans seiner 58 Atomkraftwerke bezieht. Folgerichtig haben die im Sahel operierenden dschihadistischen Gruppen dort bereits die französischen Atomanlagen angegriffen. Ferner ist Mali potentielles Erdölförderland. Zusammen mit den erdölreichen Ländern Libyen, Algerien und Sudan teilt es sich das Sahara-Becken. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Mineralien im Boden, die bisher kaum gefördert werden. Während die Regierungsvertreter Malis vor allem mit der Mehrung ihres Reichtums beschäftigt sind, darbt die Bevölkerung in bitterer Armut. Das Land gehört wie die angrenzenden ehemaligen französischen Kolonien zu den zehn ärmsten der Welt. Goldabbau und Land-Grabbing durch internationale Agrarkonzerne entlang des Niger-Flusses entvölkern die Region und schaffen Elend, Armut und Perspektivlosigkeit.

Mit militärischen Mitteln werden allenfalls Symptome einer tiefen sozio-ökonomischen Krise bekämpft oder in andere Länder und Regionen verschoben. Es bedarf einer radikalen Umkehr. Für die gesamte Sahelregion ist eine große internationale Anstrengung einer planvollen (land-) wirtschaftlichen Gestaltung und Entwicklung notwendig, die sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der dort lebenden Menschen orientiert.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Prof. Dr. Werner Ruf


Hintergrund:

Die Bundestag hat beschlossen, dass die Bundeswehr ihr Kontingent im Rahmen der UN-Mission MINUSMA von zurzeit 12 auf bis zu einer Obergrenze von 650 Soldaten aufstocken darf. Dies zusätzlich zu der EU-Ausbildungsmission EU-TM Mali, an der im Süden des Landes knapp 200 Bundeswehrsoldaten mit Ausbildungsaufgaben teilnehmen. Die Soldaten des MINUSMA-Einsatzes werden erstmals in den Norden Malis, nach Gao, verlegt. Ihre Hauptaufgabe wird die Aufklärung / Ausspähung sein. Dies wird von Soldaten des Aufklärungsbataillons 6 in Eutin durchgeführt, die mit Panzerspähwagen und Aufklärungsdrohnen ausgerüstet sind.

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Quelle:
Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastraße 14, 34119 Kassel
E-Mail: bundesausschuss@friedensratschlag.de
Internet: www.friedensratschlag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2016

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