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STANDPUNKT/259: Ethische und rechtliche Debatte über Kampfdrohnen notwendig (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 13. Juni 2018
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Ethische und rechtliche Debatte über Kampfdrohnen notwendig

Bewaffnungsfähige Drohnen für die Bundeswehr


Heute [13.06.2018] haben der Verteidigungsausschuss und der Haushaltsausschuss im Bundestag einer erstmaligen Anschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen für die Bundeswehr zugestimmt. Sie legten fest, dass für die Drohnen zunächst weder Waffen beschafft werden dürfen, noch eine Ausbildung von Soldat*innen für den Einsatz von Waffen stattfinden darf. Dennoch verurteilt die ärztliche Friedensorganisation IPPNW die heutige Entscheidung für bewaffnungsfähige Drohnen, die vor einer öffentlichen Debatte über rechtliche und ethische Bedenken bezüglich des Einsatzes von Kampfdrohnen getroffen wurde. Das Leasing der Heron TP könnte die Koalitionspartner in Zugzwang bringen, die Waffenfähigkeit des bereits angeschafften teuren Drohnensystems auch zu nutzen.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD und CDU festgelegt, dass der Bundestag erst "nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert" über die Beschaffung der Bewaffnung von HERON TP Drohnen entscheiden soll. Hierzu solle "die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten." Außerdem sind laut Koalitionsvertrag "vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen Drohnen ... die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz zu schaffen."

Die IPPNW fordert eine parlamentarische Debatte unter Einbeziehung von Expert*innen und der Zivilgesellschaft über die Legalität, über ethische Fragen sowie über die humanitären Folgen eines Einsatzes von Kampfdrohnen. "Mit der Entscheidung für ein Leasing der Heron TP wird eine zukünftige Bewaffnung der Drohnen wahrscheinlicher", kritisiert IPPNW-Vorstandsmitglied Susanne Grabenhorst. Auch werde damit die Herstellung und Erprobung dieser inhumanen Waffen angetrieben. "Anstatt bewaffnungsfähige Drohnen zu leasen, sollte sich die Bundesregierung international gegen ihre militärische Nutzung einsetzen und die völkerrechtlichen Normen stärken", so Grabenhorst.

"Wir freuen uns, dass die Große Koalition an der im Vertrag vereinbarten 'Würdigung' festhält und hoffen sehr, dass die Debatte über eine Bewaffnung ernsthaft geführt wird. Deutschland ist bisher der einzige NATO-Mitgliedstaat, in dem die Regierungsparteien eine solche Untersuchung dieses gefährlichen Waffensystems angeordnet haben. Die Anhörung im Bundestag und die gesellschaftliche Debatte in Deutschland könnten und sollten weltweit Bedeutung erlangen", erklärt Elsa Rassbach, eine Sprecherin der US-Friedensorganisation CODEPINK und Vertreterin von Attac und DFG-VK.

Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) weist darauf hin, dass der Einsatz von Kampfdrohnen in bewaffneten Konflikten in vielen Fällen völkerrechtswidrig ist. Ihr Einsatz führe aufgrund ihrer Ungenauigkeit zu hohen zivilen Opferzahlen. Die Grundlagen für die Auswahl von Tötungszielen werden nur selten und dann erst nachträglich bekannt gemacht und gerichtlich nicht überprüft. Wiederholte Drohnenangriffe haben verheerende psychische Folgen auf die Zivilbevölkerung in den Zielgebieten. Personen, die direkte Verwandte verloren haben, aber auch Menschen, die keine Opfer im familiären Umkreis zu beklagen haben, leiden unter Symptomen psychischer Erkrankungen, vor allem der Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Kinder und Frauen haben ein besonders hohes Risiko für eine Psychotraumatisierung. Aber auch das Militärpersonal, die sogenannten Drohnenoperatoren, leiden unter einer Vielzahl psychischer Störungen.

Aufgrund der derzeitigen Praxis des Drohneneinsatzes durch die USA, Israel, Großbritannien und weitere Länder droht außerdem eine Aufweichung völkerrechtlicher Normen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden, um den Einsatz militärischer Gewalt zu beschränken.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Juni 2018
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2018

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