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OFFENER BRIEF/048: Israels Beitritt zur Chemiewaffenkonvention (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 3. März 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Israels Beitritt zur Chemiewaffenkonvention

Ein Schritt zu einem massenvernichtungswaffenfreien Nahen Osten


Die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) appelliert an Israels Präsident Benjamin Netanjahu, die Chemiewaffenkonvention zu ratifizieren und solidarisiert sich mit einer entsprechenden Kampagne des Israeli Disarmament Movement. Die Ärzteorganisation sieht in Israels Beitritt zur Chemiewaffenkonvention eine vertrauensbildende Maßnahme für die Verhandlungen für eine Region frei von allen Massenvernichtungswaffen. "Ein kleiner Schritt zwar für Israel, aber ein entscheidender für den Frieden", so Dr. Alex Rosen, Kinderarzt in Berlin, in einem Schreiben der IPPNW.

Ministerpräsident Netanjahu hält heute vor dem US-Kongress eine Rede gegen die von US-Präsident Obama unterstützte Atomvereinbarung mit dem Iran. Er wird seine Rede dazu nutzen, den Verdacht weiter zu erhärten, dass Iran Atomwaffen bauen könnte. Zugleich wird er über die eigenen Atomwaffen schweigen. "In Israel ist jedoch Wahlkampf und Netanjahu will gleichzeitig seiner Wählerschaft demonstrieren, dass mit ihm Israel das einzige Land in der Region bleibt, das solche Waffensysteme besitzt. Eine solche Politik gefährdet die Fortführung des Atomwaffensperrvertrags", sagt Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW. Denn für die arabischen Staaten spielt der Fortschritt bei einer Einrichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten eine zentrale Rolle für ihre weitere Beteiligung am Vertrag.

Bereits im Jahr 2010 wurde im Rahmen eines "Aktionsplans" für die Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags beschlossen, Ende 2012 eine Konferenz in Helsinki zu veranstalten. Sie sollte die Verhandlungen über die Errichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen einleiten. Diese Konferenz fand nie statt - angeblich aufgrund der Absage Israels. Seitdem versucht der finnische Moderator, Botschafter Jaako Laajava, alle regionalen Parteien an einem Tisch zu bekommen. Bislang vergeblich. Jetzt müssen alle internationalen Vertragsparteien um die Konsequenzen für den Atomwaffensperrvertrag bangen.

Zur Abwendung der Gefahr, dass die arabischen Staaten aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten, fordert die vom Israeli Disarmament Movement gestartete Kampagne die israelische Ratifizierung der Chemiewaffenkonvention als eine vertrauensbildende Maßnahme für den Einstieg in Verhandlungen. Als Massenvernichtungswaffen gelten neben Atomwaffen auch chemische und biologische Waffen. Letztes Jahr hat Syrien unter internationalem Druck die Chemiewaffenkonvention ratifiziert und inzwischen sein Arsenal zerstören lassen. Noch steht die Ratifizierung der Chemiewaffenkonvention bei Israel und Ägypten aus, Iran hat sich bereits 1997 dem Vertrag angeschlossen. Wenn Israel die Konvention ratifizieren sollte, würde das den Glauben an die Möglichkeit einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten verstärken, so die IPPNW und das Israeli Disarmament Movement.

Inzwischen ist bekannt, dass Netanjahu bereits in seiner Rede in der UN- Vollversammlung 2013 die vom Iran ausgehende atomare Gefahr übertrieben hat. Laut einem Bericht der NZZ hatte der israelische Geheimdienst Mossad das iranische Potential, bald Atomwaffen zu bauen, damals als viel geringer eingeschätzt als Netanjahu angegeben hat.

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OFFENER BRIEF

Prime Minister Benjamin Netanyahu
Prime Minister's Office
3 Kaplan St. Hakirya
Jerusalem
91950, Israel

Berlin, den 3. März 2015

Offener Brief an den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

bitte ratifizieren Sie im Interesse des israelischen, regionalen und internationalen Friedens bedingungslos und unverzüglich die Chemiewaffenkonvention (CWK).

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) unterstützte 1974 in einer Resolution erstmals das Konzept einer Atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten. Diese Resolution wurde seitdem jährlich ohne Abstimmung durch die UNGA verabschiedet und in eine Reihe von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates integriert, einschließlich der 1991 verabschiedeten Resolution 687, die den ersten Golfkrieg beendete.

1995 forderte die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertags "die Errichtung einer effektiv überprüfbaren Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten". Dieser Beschluss führte u.a. zur unbefristeten Verlängerung des Vertrags. Die Überprüfungskonferenz setzte sich 2010 noch einmal einstimmig für die Umsetzung dieser Resolution ein und beschloss, 2012 eine Konferenz zu einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten unter Teilnahme aller Staaten aus der Region abzuhalten. Einen Monat vor dem vorgesehenen Start im Dezember 2012 wurde diese Konferenz allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben.

Mit dem Näherrücken der Überprüfungskonferenz 2015 zeigen sich Staaten innerhalb und außerhalb der Region zunehmend frustriert über den mangelnden Fortschritt bei der Errichtung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon äußerte sich ebenfalls besorgt über die Erhaltung des Atomwaffensperrvertrags, wenn keine Fortschritte erzielt werden. Die Konsequenzen für die Überprüfungskonferenz Ende April in New York ist noch unklar. Obwohl Israel kein Mitglied des Atomwaffensperrvertrags ist, genießt es die Sicherheitsvorteile, die der Vertrag bietet.

Im Jahr 2013 ratifizierte Syrien die Chemiewaffenkonvention (CWK) und bestätigte ein 1.300 Tonnen umfassendes chemisches Waffenarsenal, das nachfolgend zerstört wurde. Israel und Ägypten sind die einzigen beiden Staaten in der Region, die die CWK noch nicht ratifiziert haben. Angesichts der syrischen Ratifizierung besteht keine strategische Chemiewaffendrohung mehr für Israel. Israel hat die CWK bereits unterzeichnet und könnte sie leicht einseitig ratifizieren, ohne dass weitere regionale Verhandlungen nötig wären.

Israels Ratifizierung der CWK wäre ein konkreter Schritt in Richtung der Schaffung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten und würde regional als vertrauensbildende Maßnahme dienen. Solch eine Maßnahme könnte die wachsende Frustration vieler Staaten über die mangelnde Umsetzung der Entscheidungen von 2010 verringern und somit die Aussichten auf einen erfolgreichen Ausgang der Überprüfungskonferenz 2015 erhöhen.

Die bedingungslose und unverzügliche Ratifizierung der Chemiewaffenkonvention könnte der Sicherheit Israels und dem regionalen und internationalen Frieden dienen. Das wird zwar ein kleiner Schritt für Israel, aber ein entscheidender für den Frieden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Alex Rosen, Stellvertretender Voritzender
Dr. Sabine Farrouh, geschäftsführenden Vorstand
Für die deutsche Sektion der IPPNW


Brief des IPPNW-Vorstands an Benjamin Netanjahu
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/BriefNetanjahu_de_final.pdf

Online-Kampagne der Israel Disarmament Movement zu finden
http://www.disarmament.org.il/take-action/?page_id=35

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Quelle:
Pressemitteilung vom 3. März 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2015

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