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OFFENER BRIEF/024: Hungerstreik - Westerwelle soll sich für Ende der Haftbedingungen einsetzen (IPPNW)


Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte
Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)

Hungerstreik von palästinensischen Gefangenen

Westerwelle soll sich für Ende der Haftbedingungen einsetzen



Auswärtiges Amt
Guido Westerwelle
Werderscher Markt 1
10117‍ ‍Berlin

Berlin, 8. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Außenminister Westerwelle,

wir sind äußerst besorgt über die Lage der etwa 2.000 hungerstreikenden palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Sechs palästinensische Gefangene befinden sich nach Angaben der Ärzte für Menschenrechte Israel (Physicians for Human Rights Israel) inzwischen in derart schlechter gesundheitlicher Verfassung, dass sie in das Gefängniskrankenhaus von Ramleh verlegt werden mussten. Laut PHR habe keiner der sechs hungerstreikenden Häftlinge bislang Zugang zu unabhängigen Ärzten erhalten.

Die zwei Gefangenen Tha'er Halahleh und Bilal Diab verweigern aus Protest gegen ihre Verwaltungshaft bereits seit dem 29. Februar 2012 die Nahrungsaufnahme. Laut PHR sei ihre Gesundheit inzwischen schwer angegriffen. Abgesehen von einer Ausnahme, als am 9. April ein Mediziner von PHR die zwei Gefangenen aufsuchen konnte, blieben Tha'er Halahleh und Bilal Diab ohne Betreuung durch einen unabhängigen Arzt. Die Physicians for Human Rights Israel haben eindringlich an die israelischen Behörden appelliert, beide Gefangene in ein ziviles Krankenhaus zu verlegen, damit sie dort fachärztlich behandelt werden können. Der Oberste Gerichtshof Israel hat die Haftentlastung der hungerstreikenden Palästinenser gestern abgelehnt.

Mit Hassan Safadi, Omar Abu Shalal und Ja'afar Izz al-Din befinden sich noch drei weitere Insassen des Gefängniskrankenhauses von Ramleh im Hungerstreik. Ihnen wird ebenfalls die Betreuung durch unabhängige Ärzte verweigert. Auch Mahmoud al-Sarsak, den die israelischen Behörden auf der Grundlage des Gesetzes über illegale Kombattanten (Unlawful Combatant Law) ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Gewahrsam halten, wird im Gefängniskrankenhaus behandelt.

Diese Haftbedingungen widersprechen den internationalen Konventionen. Die deutsche Sektion der 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) appelliert an die deutsche Bundesregierung, sich für ein sofortiges Ende dieser Haftbedingungen stark zu machen.

Sehr geehrter Herr Westerwelle, bitte setzen Sie zudem gegenüber Ihrem israelischen Amtskollegen dafür ein, die Praxis der Verwaltungshaft, wie sie unter anderem im Gesetz über illegale Kombattanten vorgesehen ist, einzustellen, da eine solche Form der Haft gegen das im Internationalen Abkommen über bürgerliche und politische Rechte verbriefte Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verstößt.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Jochheim, Vorsitzender der deutschen Sektion der IPPNW

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Quelle:
Offener Brief vom 8. Mai 2012
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/brief_westerwelle_hungerstreik_palaestina_2012.pdf
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012