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AUFRUF/031: "Rettet die deutsche Seeschifffahrt!" (Kanzlei RAT & TAT)


Kanzlei RAT & TAT - Pressemitteilung vom 6. und 7. Februar 2016

"Rettet die deutsche Seeschifffahrt"

Hamburger Seeleuteanwalt erhält Unterstützung für Petition gegen die aktuelle Schifffahrtspolitik


"Eine deutsche Seeschifffahrt ohne deutsche Seeleute ist kaum denkbar. Aber genau das bewirken die auf Veranlassung der Reeder jetzt bevorstehenden Änderungen der Schiffsbesetzungsordnung", beklagt der Hamburger Seeleuteanwalt und Arbeitsrechtler Dr. Rolf Geffken. Geffken war schon 1989 Sachverständiger beim Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages als es um die Einführung eines "Internationalen Schifffahrtsregisters" ging.

"Damals hatten die Gewerkschaften ÖTV und DAG noch gegen das Projekt mobilisiert. Es gab eine öffentliche Debatte um die Zukunft der deutschen Seeschifffahrt. Heute aber werden die nur am Gewinn orientierten Forderungen der Reeder einfach erfüllt. Die Bundesregierung hat kein Schiffahrtskonzept. Sie glaubt offenbar, daß deutsche Schiffe auch ohne deutsche Seeleute fahren. Doch mit der Vernichtung tausender Arbeitsplätze von deutschen und EU-Seeleuten geht das maritime Know-How an der Küste verloren. Seefahrtsschulen, Hafenstädte und Schifffahrtsbehörden leiden schon heute darunter!"

Geffken sammelt deshalb Unterschriften für eine Petition an den Bundestag. Er fordert ein radikales Umdenken in der Schifffahrtspolitik und vor allem ein Verbot der Ausflaggung sowie die Abschaffung bedingungsloser Subventionen für die Reeder. Zuletzt war beschlossen worden, den Reedern 100% der von den Seeleuten vereinnahmten Lohnsteuer ohne jede Bedingung quasi "zu schenken".

Innerhalb von nur 5 Tagen unterzeichneten bereits über 600 Personen die Petition. Darunter viele Seeleute, die auf der Website "Open Petition" ihren Unmut über die Politik der Bundesregierung und der Reeder zum Ausdruck brachten. Vorläufiges Ziel ist die Sammlung von 2000 Unterschriften und die baldige Übergabe der Petition an den Petitionsausschuß des Bundestages. Geffken, der 1988 auch eine alternative Geschichte der deutschen Seeschifffahrt ("Jammer & Wind") herausgab und soeben eine Geschichte der Hafenarbeit ("Arbeit & Arbeitskampf im Hafen") vorlegte, resümiert:

"Wichtiger aber noch als die Petition selbst, ist daß die deutsche Öffentlichkeit endlich begreift, welch verheerende Folgen mit den jetzigen Maßnahmen nicht nur für die Seeleute verbunden sind, und daß mit einer solchen Politik die falschen Signale gesetzt werden, denn schon hat die Reederei NSB soeben allen 450 deutschen Seeleuten gekündigt weil sie ihre Schiffe nur noch unter Billigflaggen einsetzen will. - Seeleute gehören nicht ins Museum sondern auf's Schiff !"


Ergänzung zur Pressemitteilung vom 6.2.2016
"Rettet die deutsche Seeschifffahrt!"

Unsere o.g. Pressemitteilung zu der von uns initiieren Petition "Rettet die deutsche Seeschifffahrt!" bedarf der aktuellen Ergänzung:

Auf der offiziellen Website des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft [1] lies Minister Lies mitteilen, der angeblich von der Landesregierung "durchgesetzte" Lohnsteuereinbehalt zugunsten der deutschen Reeder sei ein "guter Tag für die deutsche Seeschifffahrt". Gleichzeitig behauptet er, es sei eine "hundertprozentige Lohnsteuerbefreiung für deutsche Seeleute" erreicht worden.

Wie bitte?

"Lohnsteuereinbehalt" zugunsten der Reeder oder "Lohnsteuerbefreiung zugunsten der Seeleute?" Was nun? Natürlich ersteres. Und zwar ohne jede Bedingungen, an die dieses Subventionsgeschenk für die Reeder hätte geknüpft werden können. Minister Lies konzendiert, daß für den Schifffahrtstandort Deutschland der "Betrieb von Schiffen unter deutscher Flagge ... unverzichtbar" sei. Doch auf welche Weise werden künftig Massenentlassungen und Massenentlassungen wie aktuell bei der niedersächsischen Reederei NSB verhindert? Gar nicht. Auf welche Weise hat das 1989 mit vielen Versprechungen eingeführte Internationale Seeschifffahrtsregister Ausflaggungen verhindert? Gar nicht. Damals - 1989 - hatte die SPD im Verein mit den Landesregierungen in Bremen und Schleswig-Holstein noch versucht, die Einführung des Registers zu verhindern. Heute erfüllt man einfach die Wünsche der Reeder nach Lohndumping und Arbeitsplatzvernichtung:

MdL Uwe Santjer aus Cuxhaven wiederholt das Stereotyp, das Fahren unter deutscher Flagge sei "aufgrund höherer Personalkosten mit Mehrkosten verbunden" (Cuxhaven-Kurier vom 3.2.2016). Mit Mehrkosten? Seit Einführung des ISR können auf Schiffen deutscher Flagge z.B. philippinische Seeleute zu "Heimatbedingungen" beschäftigt werden und die Reeder haben davon ausgiebig Gebrauch gemacht. Nun wurde parallel zum Subventionsgeschenk an die Reeder auch noch die Mindestzahl deutscher Besatzungsmitglieder weiter reduziert.

Die Erklärungen von Minister Lies und MdL Santjer sind eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit. Sie machen aber zugleich die totale Konzeptionslosigkeit der SPD in Sachen Schifffahrtspolitik deutlich. Die SPD verfolgt inzwischen nur noch das "Konzept" der "Wunscherfüllung" zugunsten der Reeder. Die Seeleute sind abgeschrieben. Wir rufen deshalb zur Zeichnung unserer Petition auf:

https://www.openpetition.de/petition/online/rettet-die-deutsche-seeschifffahrt-gegen-die-abschaffung-der-seefahrtsberufe

Seeleute gehören nicht ins Museum sondern auf's Schiff!


Anmerkung:
[1] http://www.mw.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/lies-das-ist-ein-guter-tag-fuer-die-deutsche-seeschifffahrt-140591.html#menu

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Quelle:
Kanzlei RAT & TAT, Institut für Arbeit - ICOLAIR
Lüneburger Tor 7, 21073 Hamburg
Telefon: 040 / 790 61 25, Fax: 040 / 790 96 01
E-Mail: drgeffken@drgeffken.de
Internet: www.drgeffken.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2016

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