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APPELL/028: Zeit zu Handeln! - Appell gegen rechte Gewalt in Berlin vorgestellt (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 4. September 2015

Zeit zu Handeln! - Appell gegen rechte Gewalt in Berlin vorgestellt

Appell von PRO ASYL und Kein Bock auf Nazis wird von 24 namhaften deutschen Bands unterstützt.

Mit dabei: Die Ärzte, Beatsteaks, Donots, Deichkind, Fettes Brot, Marteria und Die Toten Hosen.


Bereits 340 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Jahr 2015 - das ist der gegenwärtige Terror. Gewalt und Hetze gegen Flüchtlinge haben dramatisch zugenommen.

Umso wichtiger ist: Zehntausende Menschen sagen "Herzlich willkommen - Refugees Welcome!". Sie sind in der Mehrheit, auch wenn die Hetzer lauter schreien. Sie bringen Flüchtlingen Deutsch bei, organisieren Kleidersammlungen und stellen sich rassistischen Protesten in den Weg. Wo die Kaltherzigkeit der Flüchtlingspolitik oft wütend macht, macht diese Willkommens-Bewegung Mut.

Doch Willkommenskultur fährt gegen die Wand, wenn politische Rückendeckung fehlt und Gewalttäter nicht gestoppt werden. Kein Bock Auf Nazis und PRO ASYL fordern daher mit dem Appell "Zeit zu Handeln!" einen besseren Schutz für Flüchtlinge vor rechter Gewalt, menschenwürdige Unterbringungen und mehr Unterstützung für die Engagierten, die ehrenamtlich für Flüchtlinge und gegen Neonazis aktiv sind. Namhafte deutsche Bands unterstützen den Appell. Am Freitag stellten die Initiatoren den Appell gemeinsam mit Toten Hosen-Gitarrist Breiti in Berlin vor.

"Willkommenskultur ist nicht allein Privatsache", betonte Bernd Mesovic, stellv. Geschäftsführer von PRO ASYL. "Es muss investiert werden in Sprachkurse, Arbeitsmarktintegration und Wohnungsbau. Der Staat darf die zehntausenden Ehrenamtlichen nicht länger allein lassen."

"Es ist höchste Zeit aktiv zu werden", sagte Joshi von Kein Bock auf Nazis. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Neonazis und Rassisten täglich Flüchtlinge und ihre Unterstützer bedrohen und angreifen."

"Wir unterstützen den Appell von PRO ASYL und Kein Bock auf Nazis, weil auch wir finden, dass Staat und Gesellschaft rechten Gewalttätern entschlossen entgegentreten und wir Flüchtlingen eine sichere und menschenwürdige Zuflucht bieten müssen", sagte Breiti (Die Toten Hosen).


Den Original-Wortlaut des Appells finden Sie unten. Die Liste aller beteiligten Bands lautet:
Antilopen Gang, Die Ärzte, Beatsteaks, Broilers, Deichkind, Donots, Feine Sahne Fischfilet, Fettes Brot, Frittenbude, Irie Révoltés, Jan Delay, Jennifer Rostock, Jupiter Jones, Kettcar, Madsen, Marteria, The Prosecution, Sportfreunde Stiller, Sookee, Die Toten Hosen, Thees Uhlmann, Tocotronic, Turbostaat und ZSK.

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Zeit zu Handeln!

Wir sind entsetzt, wütend und in großer Sorge. Es brennt in Deutschland. Nahezu täglich werden Flüchtlingsunterkünfte angezündet, es gibt rassistische Demonstrationen und Ausschreitungen in erschreckend vielen Orten. Schutzsuchenden Menschen schlägt blanker Hass und brutale Gewalt entgegen.

Wir wollen nicht länger ohnmächtig zuschauen. Wir sagen: Es ist Zeit zu handeln. Damit sich Menschlichkeit durchsetzt und Rassismus geächtet wird. Damit es kein neues Rostock-Lichtenhagen gibt. Über 150 Menschen wurden seit der Wiedervereinigung von Neonazis verbrannt, erschossen oder zu Tode geprügelt. Bereits 340 Anschläge im Jahr 2015 - das ist der gegenwärtige Terror. Die vergangenen Monate lassen uns befürchten, dass bald weitere Tote zu beklagen sind.

Diejenigen, die gemeinsam mit Neonazis gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen und auf Facebook hetzen, sind keine »Asylkritiker« und auch keine »besorgten Bürger«. Es ist brandgefährlich, den Hass derart zu verharmlosen. Es sind Rassisten. Man muss sie auch so bezeichnen. Wir haben eine politische und eine menschliche Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen. Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar, es ist ein Menschenrecht.

Was jetzt passieren muss:

1. Die Polizei muss endlich ihrem Auftrag nachkommen und die rechten Gewalttäter stoppen. Flüchtlingsunterkünfte müssen dauerhaft und konsequent geschützt werden. Rufe nach einer Aushöhlung des Versammlungsrechts und Bannmeilen helfen dabei nicht.

2. Die Politik ist in der Verantwortung, die gegenwärtigen Herausforderungen anzugehen. Flüchtlinge müssen menschenwürdig behandelt werden. Selbst am Minimalen, einer vernünftigen Unterbringung, scheitert es derzeit. Es braucht winterfeste Unterkünfte, Sprachkurse, Hilfestellungen bei der Arbeitsmarktintegration sowie Bildungsmaßnahmen für junge Flüchtlinge. Das alles kostet zu Beginn des Aufenthalts Geld. Die Kosten einer langfristigen Desintegrationspolitik werden jedoch deutlich höher ausfallen.

3. Die Zivilgesellschaft muss auf der Straße dagegenhalten, wenn gegen Flüchtlinge demonstriert wird. Und zwar auch direkt schützend vor den Heimen selbst, wie jetzt in Heidenau. Dieses Engagement ist wertvoll und richtig. Nicht die Engagierten, die die Unterkünfte schützen, sind das Problem, sondern diejenigen, die die Flüchtlinge bedrohen und angreifen.

4. Wir alle müssen aktiv werden. Gegen Neonazis und Rassisten. Und in der direkten Unterstützung der Flüchtlinge. Ihre Bedürfnisse müssen gehört werden. Tausende Menschen helfen bereits. Ehrenamtlich, in ihrer Freizeit und bis zum Rande der Erschöpfung. Wir sagen Danke an alle, die sich bereits engagieren und hoffen, dass es noch viel mehr werden.

Antilopen Gang, Die Ärzte, Beatsteaks, Broilers, Deichkind, Donots, Feine Sahne Fischfilet, Fettes Brot, Frittenbude, Irie Révoltés, Jan Delay, Jennifer Rostock, Jupiter Jones, Kettcar, Madsen, Marteria, The Prosecution, Sportfreunde Stiller, Sookee, Die Toten Hosen, Thees Uhlmann, Tocotronic, Turbostaat, ZSK

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 4. September 2015
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2015

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