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FREE GAZA/192: Trotz "doppelter Standards" ... Israels PR-Offensive lahmt (SB)


Trotz "doppelter Standards" ... Israels PR-Offensive lahmt


Nicht eben unproblematisch gestaltet sich die PR-Kampagne, mit der die israelische Regierung und ihre Unterstützer versuchen, die Aktivistinnen und Aktivisten der Gaza Freedom-Flottille als antisemitische Provokateure und islamistische Fanatiker zu brandmarken. Zwar haben sich viele westliche Medien auf die Generallinie eingeschossen, laut der das Free Gaza Movement und die türkische Wohltätigkeitsorganisation IHH die humanitäre Hilfe lediglich als Vorwand für eine politische Aktion benutzten, die Israel an den Pranger stellen solle. Allerdings rennen die Kommentatoren und Politiker, die die Ansicht verbreiten, humanitäre Arbeit habe per se unpolitisch zu sein, bei den Blockadebrechern offene Türen ein. Ihnen ging es von Anfang an darum, die internationale Aufmerksamkeit wieder auf die völkerrechtswidrige Abriegelung Gazas zu lenken, und das ist ihnen zweifellos gelungen.

Die argumentative Hauptlinie der israelischen Regierung, sie habe das Recht, nach Gaza fahrende Schiffe auf mögliche Waffenlieferungen hin zu untersuchen, krankt schon daran, daß das Gebiet seit dem der Abzug der israelischen Streitkräfte und Siedler aus Gaza 2005 angeblich nicht mehr besetzt ist. Während Israel sich nicht mehr an die Pflichten einer Besatzungsmacht gegenüber der Bevölkerung Gazas gebunden fühlt, beansprucht es doch, hermetische Kontrolle über die Grenzen des kleinen Gebiets auszuüben. Das Ergebnis dieser widersprüchlichen Politik besteht in einer wahlweise je nach Erfordernis zugestandenen und aberkannten Eigenständigkeit der Palästinenser, allerdings unter durchgängiger Weigerung, ihnen den Status der Eigenstaatlichkeit zuzugestehen. Nach Lesart der israelischen Regierung handelt es sich um ein "feindliches Territorium", dessen politische Führung als terroristisch kriminalisiert wird, so daß sich alle Handlungsoptionen auf der Seite der Besatzer respektive Belagerer befinden.

Der legalistischen Willkür, mit der der Bevölkerung Gazas ihre physische, politische und ökonomische Freiheit vorenthalten wird, stehen diverse Artikel des internationalen Rechts und UN-Resolutionen entgegen, so daß eine Debatte um die Illegalität des Angriffs auf die Gaza Freedom-Flottille normalerweise gar nicht erst entstehen könnte. Doch normal ist auf einem Streitfeld, das im Zentrum machtpolitischer Interessen steht, überhaupt nichts. Wenn sogenannte Schurkenstaaten ins Visier westlicher Interessen geraten und mit der Selbstherrlichkeit einer "internationalen Gemeinschaft", die lediglich aus einem Sechstel der politisch und militärisch führenden Weltbevölkerung besteht, mit Krieg bedroht werden, findet auch nichts anderes statt, als daß das Recht durch Macht gebeugt wird. Um so selbstverständlicher schöpft die israelische Regierung aus der Legitimationsressource der vielbeklagten "doppelten Standards". An diese habe man sich laut dem langjährigen sicherheitspolitischen Chefstrategen der EU und Vordenker des "neuen liberalen Imperialismus", Robert Cooper, in der postmodernen Welt zu gewöhnen.


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PROPAGANDA/1396: Trotz "doppelter Standards" ... Israels PR-Offensive lahmt (SB)

8. Juni 2010