Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → HUMANISTISCHE UNION

MELDUNG/039: 20 Jahre Auslandseinsätze der Bundeswehr - Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs ... (HU)


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union,
vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
Berlin, 3. Juli 2014

20 Jahre Auslandseinsätze der Bundeswehr: Völlige Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs und drohender Kontrollverlust der Kriegsführung durch bewaffnete Drohnen



Vor zwanzig Jahren, am 12. Juli 1994, hat das Bundesverfassungsgericht den Weg für weltweite bewaffnete Einsätze der Streitkräfte verfassungsrechtlich geöffnet. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat seitdem in der Sicherheitspolitik zu einer völligen Entgrenzung des Verteidigungsbegriffes des Grundgesetzes geführt. Mit dem Einsatz von Kampfdrohnen für die Bundeswehr als Teil des zukünftigen Cyberwars droht zudem ein gefährlicher Kontrollverlust der Kriegsführung", erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin, zu den Plänen von Verteidungsministerin von der Leyen zur Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Es sei zudem eine Illusion, wenn Verteidigungsministerin von der Leyen meine, das Parlament könne jederzeit den zukünftigen Einsatz von Kampfdrohnen einhegen, erklärte Koep-Kerstin.

Mit großer Sorge betrachtet die Humanistische Union die zunehmende Aufweichung des sogenannten Parlamentsvorbehaltes, den das Bundesverfassungsgericht seinerzeit für Auslandseinsätze geltend gemacht hatte. Demnach ist die Bundesregierung verpflichtet, "für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die grundsätzlich vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen." Inzwischen mehren sich Stimmen, die den Parlamentsvorbehalt grundsätzlich problematisieren hinsichtlich der Effizienz von Entscheidungen und damit verbunden der Bündnisfähigkeit Deutschlands. Mit Bedauern wird konstatiert, dass Deutschland und die Niederlande zu den Ländern gehören, deren Regierungen auf Billigung des Parlaments bei der Entscheidung über bewaffnete Auslandseinsätze ihrer Streitkräfte angewiesen sind.

Die Art und Weise, wie der Deutsche Bundestag die inzwischen mehr als fünfzig Anträge der jeweiligen Bundesregierungen für bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr noch stets gebilligt hat - beispielsweise bei den Afghanistan-Mandaten - kann realistisch nur als "Genehmigungs-Automatik" beschrieben werden. Der Parlamentsvorbehalt bietet "keine Sicherheit dafür, dass die deutschen Streitkräfte strikt nach Maßgabe der Vorgaben des Grundgesetzes und der UNO-Charta verwendet werden", erklärte der Verfassungsrechtler Prof. Martin Kutscha, zugleich Vorstandsmitglied der Humanistischen Union.

Politischer Gegenspieler der Regierung ist eben nicht das Parlament, sondern nur dessen oppositionelle Minderheit. Nur diese hat ein politisches Interesse, wirksame Kontrolle auszuüben. Das hat das BVerfG am 02.08.1978 sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, als es feststellte, im heutigen parlamentarischen Regierungssystem überwache "in erster Linie nicht die Mehrheit die Regierung, sondern diese Aufgabe wird vorwiegend von der Opposition - und damit in der Regel von einer Minderheit - wahrgenommen". Wie schwach diese Minderheit sein kann, belegten die Stimmenverhältnisse im gegenwärtigen Deutschen Bundestag, ergänzte Kutscha.

Die Humanistische Union lehnt die Anschaffung und den Einsatz von Kampfdrohnen ab, denn:

  • Die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt sinkt, wenn Waffen eingesetzt werden können, ohne das Leben eigener Soldaten zu riskieren.
  • Die Automatisierung und Verselbstständigung von Kampfdrohnen ist absehbar, da Computer Informationen wesentlich schneller verarbeiten können als Menschen. Am Ende werden Entscheidungen über Leben und Tod an Computer abgegeben. Es droht der Kontrollverlust über die Kriegsführung.
  • Die Zahl der zivilen Opfer von Drohneneinsätzen, sog. Kollateralschäden, ist erschreckend hoch; Kampfdrohnen sind nicht die Präzisionswaffen, als die sie ausgegeben werden.

Mit Blick auf die jüngsten Äußerungen von Bundespräsident Gauck zu möglichen Militäreinsätzen erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union: "Der Bundespräsident sollte sich eher die Forderung der fünf Friedensforschungsinstitute im jährlichen Friedensgutachten zu eigen machen und für die weltweite völkerrechtliche Ächtung von Kampfdrohnen plädieren. Und er sollte eine Lanze für die dringend notwendige Rüstungskontrolle bei diesen Waffensystemen brechen."

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Juli 2014
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2014