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BERICHT/050: Frauen als Friedenstifterinnen - Frauen verhandeln anders


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/08

Frauen als Friedenstifterinnen
Frauen verhandeln anders

Von Ute Scheub


In der Friedens- und Versöhnungsarbeit sind weltweit überwiegend Frauen engagiert. Die Unifem-Studie "Women, War and Peace" von 2002 nennt viele bei uns kaum bekannte Initiativen. (*) Zum Beispiel den Jerusalem Link im Nahen Osten oder das Mano River Union Women's Network for Peace in Guinea, Liberia und Sierra Leone. Warum ist das so, weshalb sind hier mehr Frauen als Männer aktiv und weswegen sind ihre Initiativen dennoch so unbekannt?


Frauen sind gewiss nicht die besseren oder friedlicheren Menschen. Nach aktuellen Studien haben sie dasselbe aggressive Potenzial wie Männer. Aber sie agieren in anderen sozialen Rollen. Weil sie physisch schwächer sind als Männer, setzen sie viel eher auf Verhandlungslösungen.

Frauen haben fast überall einen gesellschaftlichen Minderstatus. Das führt zwar dazu, dass ihre Arbeit, auch ihre Friedensarbeit, weniger anerkannt wird. Aber sie lernen von Kindesbeinen an, weniger auf Status und Macht zu setzen. Die meisten bewaffneten Konflikte sind auch Statuskämpfe unter Männern.

Die Nationalstaaten entstanden durch das Militär, das fast überall rein männlich ist. Frauen haben dadurch mehr Abstand zu Militär, Rüstung und Kriegseinsätzen. In Umfragen stehen Frauen überall Kampfeinsätzen ihres Landes kritischer gegenüber als Männer.

Frauen kommt fast überall die Rolle zu, für Kinder und Alte und das Überleben der Familie zu sorgen. Im Krieg haben sie nichts zu gewinnen (so wie die Männer: Orden, Land, Frauen...) und umso mehr zu verlieren.

In Kriegen sind weibliche Körper ein zweites Schlachtfeld. Frauen werden gezielt vergewaltigt und danach oft aus der Gesellschaft ausgestoßen. Schon aus Eigeninteresse wollen Frauen dem entgegenwirken.

Oft nutzen Frauen geschickt ihren gesellschaftlichen Minderstatus. In den 80er Jahren, als der politische Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern verboten war, trafen sich Palästinenserinnen und Israelinnen in Jerusalem. Sie wurden nicht verhaftet, sie waren ja "nur Frauen". Immer wieder traten die Frauen des Jerusalem Link mit Vorschlägen zur Konfliktlösung an die Öffentlichkeit. Die Friedensverhandlungen in den 90er Jahren in Oslo sind, glauben sie, auch deshalb gescheitert, weil Frauen davon ausgeschlossen waren.


Die gesellschaftliche Rolle von Frauen in der Friedensarbeit

In fast allen Gesellschaften haben Mütter ein recht hohes Ansehen, und Friedensfrauen wissen das zu nutzen. Viele Frauenorganisationen arbeiten als Mütter- oder Witweninitiativen und betonen ihre moralische Autorität als Mütter. Ein Beispiel: Die Vereinigung der russischen Soldatenmütter, die Widerstand gegen den Krieg in Tschetschenien leistet, hat sich "Demilitarisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins" und "Verteidigung der Zivilgesellschaft" durch Bildung vorgenommen.

Die US-Friedensforscherin Mary Caprioli hat die Außenpolitik von 159 Staaten von 1960-1992 untersucht. Dabei hat sie festgestellt, dass Staaten zu friedlicher Außenpolitik neigten, wenn in ihren Parlamenten viele Frauen waren, wenn diese schon lange das Wahlrecht hatten, wenn ein hoher Prozentsatz von Frauen bezahlt arbeitete, wenn ihre Geburtenrate niedrig lag. Die inneren Normen eines Staates bilden sich in seiner Außenpolitik ab.

"Die extreme Gewalt, die Frauen in Konflikten erleiden", so die Unifem-Studie, "resultiert nicht nur aus den Kriegsbedingungen; sie ist direkt mit der häuslichen Gewalt in Friedenszeiten verknüpft. Frauen erleben Gewalt, weil sie Frauen sind und weil sie nicht dieselben Rechte oder die Unabhängigkeit der Männer haben." Diese Form von Gewalt sei eine "akzeptierte Norm", die durch Militarisierung und Zugang zu Waffen "neue Ebenen der Brutalität und auch der Straffreiheit" erreicht.

"Ich bin so gestresst durch den Krieg", sagte ein mazedonischer Mann den Autorinnen. "Es ist unvermeidbar, dass ich meine Frau schlage." Viele Ex-Soldaten haben Probleme, ins zivile Leben zurückzukehren. Innerhalb von sechs Wochen haben vier Kämpfer einer US-Spezialeinheit nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan ihre Frauen getötet. Auch in Deutschland stiegen nach dem Zweiten Weltkrieg die innerfamiliäre Gewaltrate und die Selbstmordrate steil an.

Wenn Frauen in Friedensverhandlungen beteiligt waren, so ist in "Women, War, and Peace" nachzulesen, wurden die Ergebnisse dauerhafter. Die Verhandlungsparteien waren zufriedener. Frauen bestehen eher auf zivilen Konfliktlösungen. Im Jahr 2000 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325. Darin wird die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen auf allen Ebenen von Friedensprozessen, die Einsetzung von Gender-BeraterInnen bei Friedensmissionen und die massive Erhöhung des Frauenanteils auf UN-Führungsposten gefordert. Dennoch werden Frauen weiter aus der Außen- und Sicherheitspolitik, aus Friedensverhandlungen und -truppen herausgehalten. 2005 standen in 27 Staaten UN-Friedenstruppen, aber nur in drei verfügten sie über Gender-BeraterInnen. Nur 4 % der eingesetzten UN-Polizeikräfte und 3 % der UN-Militärs waren Frauen. Die Friedenstruppen "können ein Teil des Problems statt ein Teil der Lösung werden", schreiben die Unifem-Autorinnen. Wo Blauhelme stationiert wurden, stieg die Nachfrage nach käuflichem Sex. Selbst in UN-Flüchtlingslagern sind Frauen nicht sicher, weil es kaum weibliches Personal gibt. In Guinea, Liberia und Sierra Leone waren 13- bis 18-jährige Mädchen gezwungen, ihren Körper an UN-Soldaten zu verkaufen, um an Essen, Medizin oder Trainingskurse zu kommen.


"Wenn Frauen sicher sind, dann sind es auch die Nationen."

Wir brauchen einen neuen Sicherheitsbegriff, der nicht von den Interessen der Nationen und ihrer Machthaber ausgeht, sondern von jedem einzelnen Menschen. Erst wenn alle Menschen und besonders Frauen sich außerhalb und innerhalb des eigenen Hauses sicher fühlen können, gibt es Sicherheit, die ihren Namen verdient. Die Autorinnen von "Women, War and Peace" formulieren es so: "Wenn Frauen sicher sind, dann sind es auch die Nationen."

Die UN-Entwicklungsorganisation UNDP hat deshalb das Konzept der "menschlichen Sicherheit" entwickelt, auf das sich inzwischen mehrere Staaten berufen. Allerdings fehlt darin die für Frauen wichtige innerhäusliche Sicherheit. Auch der deutsche Frauensicherheitsrat geht vom Konzept der "menschlichen Sicherheit" aus. Das ist ein Netz von etwa 50 Friedensforscherinnen, Friedensaktivistinnen und Frauen aus politischen Stiftungen. Es ist in einen Dialog mit Regierungsbehörden eingetreten, damit die UNO-Resolution 1325 endlich umgesetzt wird. - pbi


Ute Scheub ist freie Autorin in Berlin, Mitbegründerin des Frauensicherheitsrats (www.frauensicherheitsrat.de), westeuropäische Koordinatorin der 1000 Friedensfrauen weltweit (www.1000peacewomen.org).

In "Friedenstreiberinnen - Elf Mutmach-Geschichten aus einer weltweiten Bewegung", erschienen 2004 im Psychosozial-Verlag Gießen, porträtiert sie einige dieser Frauen, u. a. Christiane Schwarz, die für pbi in Kolumbien arbeitete.


Anmerkung:
(*) Unifem ist der Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen. Erstellt technische und finanzielle Mittel für innovative Frauenprojekte zur Verfügung (Anm. d. R.).


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/08, S. 10-11
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2008