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BERICHT/039: Zivil-Militärische Zusammenarbeit


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden - pbi Rundbrief 01/07

Zivil-Militärische Zusammenarbeit

Eine schwierige Allianz


Der Schwerpunkt dieses Heftes befasst sich mit einer aktuellen Diskussion bei pbi. Wir fragten uns, weshalb unterstützt die Bundesregierung die Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Organisationen? So stellt das Auswärtige Amt gegenwärtig 10 Mio. Euro zusätzlich für die zivil-militärische Zusammenarbeit zur Verfügung. Gleichzeitig sind die Mittel für zivile Krisenprävention der NROs in den letzten Jahren stetig gesunken. In einer Einführung in das Thema analysiert RAPHAEL HAMPF, inwieweit zivile und militärische Vorgehensweisen miteinander vereinbar sind.


Militärische Ziele mit zivilen Organisationen erreichen?

Das Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit (civil-military cooperation - CIMIC) dient dazu, die Bandbreite militärischer "Werkzeuge" zu erweitern, um nicht nur durch bloße Waffengewalt bzw. der Androhung von Gewalt, sondern auch durch Zusammenarbeit mit vermeintlich zivilen AkteurInnen die militärischen Ziele zu erreichen. Um den Erfolg einer militärischen Mission zu sichern, werden zwischen militärischen und zivilen Institutionen Informationen, Personal oder Ausrüstung ausgetauscht.


Neue Kriege - neue Allianzen?

Armeeangehörige sind heutzutage nicht selten auch in entwicklungspolitischen Fragen aktiv, etwa wenn Soldaten dabei helfen, Häuser und Straßen wieder aufzubauen. Andererseits übernimmt nicht-militärisches Personal zunehmend Aufgaben im sicherheitsrelevanten Bereich, etwa wo es um Kleinwaffenkontrolle, Demobilisierung von ehemaligen Kämpfern und Kämpferinnen oder die Reform des Sicherheitssektors geht.

Problematisch ist neben der unklaren Abgrenzung auch der unterschiedliche Zeitplan: Während Militäraktionen häufig eine kurzfristige Stabilisierung der Situation anstreben, sind entwicklungspolitische Bemühungen oft weit langfristiger angelegt. Sie fassen eine nachhaltige Verbesserung wirtschaftlicher, politischer und sozialer Strukturen ins Auge, die ein Engagement lange über das Erreichen eines Waffenstillstands hinaus erfordern.


Abgrenzung ist notwendig

Das Konzept CIMIC stößt an seine Grenzen, wenn diejenigen Organisationen, die ihr Selbstbild auf Gewaltlosigkeit und Neutralität gegenüber den Konfliktparteien aufbauen, von militärischen Interessen bestimmt werden.

Militäraktionen sind niemals neutral gegenüber den Konfliktparteien. Sie basieren auf der Definition eines Aggressors, den es zurück zu drängen gilt, um Territorium, Macht oder Freiheit einer als Opfer definierten Gruppe zu erweitern.

Humanitäre Organisationen lehnen diese Parteilichkeit ab. Sie müssen dies tun, um zu Bedürftigen durchgelassen zu werden und unbehelligt zwischen den Fronten arbeiten zu können. Allzu oft sind die dabei gewonnenen Einblicke und Erfahrungen aber sehr wertvoll für die Konfliktparteien. Wo immer es gelingt, unabhängige Organisationen zu vereinnahmen, ist deren fragile Arbeitsgrundlage schnell zerstört. Leicht werden dann humanitäre Organisationen als Verbündete einer feindlichen Macht angesehen. Dies kann, wie jüngst im Falle von Ärzte ohne Grenzen, dazu führen, dass sich die Organisation komplett aus dem Land zurück ziehen muss.


Neutralität als Arbeitsgrundlage

Humanitäre Organisationen helfen Menschen unabhängig von deren ideologischer oder politischer Ausrichtung. Problematisch wird es nur, wenn beispielsweise medizinische Maßnahmen etwa in Afghanistan nur den Verwundeten einer Konfliktpartei zugute kommen, weil deren Einfluß bis in die Warteschlangen vor den Lazaretten hinein reicht und dies von ideologisch "blinden" Hilfsorganisationen übersehen wird.

Nun ist pbi keine medizinische Organisation. Über politische und diplomatische Netze Druck auf Entscheidungsträger auszuüben ist ein hochpolitischer Akt. Inwiefern pbi aber mit seinen Grundprinzipien von Nichteinmischung, Unabhängigkeit und Neutralität eben doch den humanitären Organisationen ähnelt und warum auch für pbi eine Zusammenarbeit mit militärischem Personal nicht in Frage kommt, ist eine brisante Frage. In diesem Heft beginnen wir mit der Diskussion darüber. KARIM JAH fasst den bisherigen Gesprächstand bei pbi zusammen (siehe Seite 10). Schließlich kommt mit KATHRIN VOGLER auf der Folgeseite eine Vertreterin der Friedensbewegung zu Wort, für die die Zivile Konfliktbearbeitung eine grundsätzliche Alternative zur militärischen Intervention darstellt. Sie erläutert, warum Friedens- und Menschenrechtsarbeit nur funktionieren kann, wenn sie jegliche Verflechtung mit militärischen Strukturen strikt ablehnt.

Der Schwerpunkt dieses Heftes soll einmal mehr verdeutlichen, wie groß die Gefahr der Beeinflussung kleiner NGOs in Krisen und nach Konflikten durch finanziell und strukturell übermächtiges Militär sein kann. Und er soll klar machen, wie notwendig es ist, dass sich jegliche zivile Organisation vor Beginn ihrer Arbeit ihrer ethischen und politischen Grundlagen bewusst sein muss.

Die Diskussion wird innerhalb und außerhalb von pbi weitergehen, und sie wird uns auch in späteren Ausgaben des Rundbriefs weiter beschäftigen. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/07, Seite 8-9
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
Bahrenfelder Strasse 79, 22765 Hamburg
Tel.: 040/380 69 03, Fax: 040/386 94 17
E-Mail: info@pbi-deutschland.de,
Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2007