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BERICHT/235: Neues aus der Blumenkampagne - erschreckendes Ausmaß von Pestizidvergiftungen (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Neues aus der Blumenkampagne
"Wir sterben" - Erschreckendes Ausmaß von Pestizidvergiftungen ugandischer BlumenarbeiterInnen

Von Gertrud Falk


In Zusammenarbeit mit FIAN hat die ugandische Nichtregierungsorganisation UWEA (Uganda Workers' Education Association; Verein für Arbeiterbildung in Uganda) ein Studie zu den gesundheitlichen Folgen des Einsatzes von Pestiziden in ugandischen Blumenbetrieben durchgeführt, die zum Valentinstag von FIAN veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse der Studie dürfen zwar nicht verallgemeinert werden, machen aber dennoch den dringenden Handlungsbedarf für Maßnahmen zum Gesundheitsschutz in ugandischen Betrieben deutlich.

Die AutorInnen haben insgesamt 101 MitarbeiterInnen von fünf Betrieben befragt, 65 Männer und 36 Frauen. Einige der ausgewählten Betriebe hatten die Befragungen nicht erlaubt, so dass die ArbeiterInnen außerhalb ihrer Arbeitszeit befragt werden mussten. 86 InterviewpartnerInnen sind als ArbeiterInnen auf den Farmen beschäftigt, die Mehrzahl von ihnen als Pestizidsprüher oder Pestizidmischer: Ihr schulisches Bildungsniveau ist überwiegend gering. 70 Prozent haben nur die Grundschule besucht und sind quasi AnalphabetInnen.

Die befragten Sprüher konnten zwölf Chemikalien benennen, die sie anwenden, allerdings kannten sie meist nur deren umgangsprachlichen Namen und nicht die chemischen Bezeichnungen. Sie wussten auch nicht, wie gefährlich die Stoffe sind. Die genannten zwölf Produkte werden von der Weltgesundheitsorganisation aufgrund ihrer Giftigkeit von gering gefährlich bis hoch gefährlich eingestuft. Vier der Produkte dürfen von Betrieben, die vom Flower Label Program (FLP) zertifiziert sind, wegen ihrer Gefährlichkeit für die ArbeiterInnen nicht verwendet werden.


Pestizidvergiftungen

Im Rahmen der Studie konnte nur die Häufigkeit von Symptomen akuter Pestizidvergiftungen untersucht werden. Die Langzeitfolgen von Pestizidkontakt, wie zum Beispiel Krebserkrankungen, konnten nicht berücksichtigt werden. Zu den akuten Pestizidvergiftungen gehören die folgenden Symptome:



SYMPTOME EINER
LEICHTEN VERGIFTUNG

SYMPTOME EINER
MITTLEREN VERGIFTUNG

SYMPTOME EINER
SCHWEREN VERGIFTUNG
Kopfschmerzen
Schwindel
Allgemeine Schwäche
Müdigkeit
Übelkeit
Erbrechen
Hautausschläge
Übermäßiges Schwitzen
Verschwommener Blick
Schmerzen in der Brust
tränende Augen
triefende/verstopfte/juckende Nase

Ungewöhnliche Schwäche
Depression
Nervosität
Muskelzuckungen









Bewusstlosigkeit
Atembeschwerden
Asthma
Koma
Tod









Die Symptome Kopfschmerzen/Schwindel, Augenreizungen und extreme Müdigkeit traten bei etwa einem Fünftel der ArbeiterInnen "häufig" und bei einem weiteren Drittel "manchmal" auf. Beschwerden in der Brust und Hautreizungen traten bei jeweils mehr als 59 Prozent der befragten Personen zumindest "manchmal" auf. Mehr als die Hälfte der ArbeiterInnen litt in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal pro Woche an den folgenden Symptomen: übermäßiges Schwitzen, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit sowie Einschlaf- oder Durchschlafschwierigkeiten. Zwei Dritteln zitterten mindestens einmal pro Monat die Hände.

Die Hälfte der ArbeiterInnen berichtete, dass sie keinerlei persönliche Schutzausrüstung (PSA) verwendeten. Darüber hinaus ist die Schutzausrüstung meist nicht ausreichend oder verschlissen. Die ArbeiterInnen wechseln sie außerdem nur selten. Sie waschen ihre Arbeitskleidung (PSA und andere persönliche Arbeitskleidung) zu Hause, gemeinsam mit der privaten Wäsche. Dadurch kommen auch Familienmitglieder mit den Pestiziden in Kontakt.


Hilferufe der ArbeiterInnen

Am Ende der Studie sind die Aussagen von 17 ArbeiterInnen wiedergegeben, die ihre Verzweiflung deutlich machen. Ein Arbeiter appelliert an die internationale Gemeinschaft: "Wir sterben! Bitte kommt und rettet uns. Macht Druck für bessere Arbeitsbedingungen. Wir haben keine geeignete Arbeitsschutzausrüstung und kommen deshalb jeden Tag mit den Pestiziden in Kontakt."


Empfehlungen

Die AutorInnen der Studie richten ihre Empfehlungen an verschiedene InteressenvertreterInnen des Sektors und fordern alle zu schnellem Handeln auf

a) Blumenbetriebe

- Der Internationale Verhaltenskodex für Blumen aus sozial- und umweltgerechter Produktion (ICC) und Zertifizierungsorganisationen wie FLP und Fairtrade sollte auf allen Farmen eingeführt und streng eingehalten werden.

- Ungeachtet dessen, dass Verhaltenskodizes freiwillig sind, sollten auch Mechanismen zur Überwachung der Umsetzung der Verhaltenskodizes auf den Farmen eingerichtet werden.

- Jeder Blumenfarmer muss einen Bildungsfonds für die Schulung aller ArbeiterInnen in Fragen des Arbeitsschutzes schaffen. BlumenhändlerInnen, öffentliche Organisationen und VerbraucherInnen können ebenfalls einen Beitrag zu dieser wichtigen Maßnahme leisten

b) Ugandische Regierung

- Uganda sollte die Konvention Nr. 110 über PlantagenarbeiterInnen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifizieren.

- Die Regierung Ugandas muss die ordentliche Umsetzung der Arbeitsgesetze im Land sicherstellen.

c) Europäische Union

- Die Europäische Union sollte alle importierten Blumen auf Pestizidrückstände prüfen.

d) VerbraucherInnen, HändlerInnen, Öffentliche Organisationen in den Importländern

VerbraucherInnen, BlumenhändlerInnen und öffentliche Organisationen sollten gemeinsam mit den ProduzentInnen an einer Verbesserung der Arbeitssicherheitsstandards arbeiten. VerbraucherInnen und BlumenhändlerInnen könnten zum Beispiel dafür sorgen, dass sie nur menschen- und umweltschonend produzierte Blumen kaufen, vor allem jene, die mit den entsprechend Gütesiegeln gekennzeichnet sind, die bestätigen, dass bei ihrer Produktion die Internationalen Arbeitsschutzstandards (ILO) und die ICC-Standards eingehalten wurden.


Die englische Originalfassung der Studie kann von der Internetseite der Kampagne "fair flowers - Mit Blumen für Menschenrechte" heruntergeladen werden: www.flowers-for-human-rights.org

Die deutsche Version ist in Kürze gedruckt und online bei FIAN erhältlich.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2011, April 2010, S. 18-19
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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Internet: www.fian.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2011