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BERICHT/216: Die VerbraucherInnen als global player - Shopping hier, Folgen dort! (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Die VerbraucherInnen als global player
Shopping hier, Folgen dort!

Von Marita Wiggerthale


Erlebniswelt Shopping. Jeden Tag ist die deutsche Verbraucherin, der deutsche Verbraucher international auf Einkaufstour: Saftige Ananas aus Costa Rica, süßliche Bananen aus Ekuador, aromatischer Kaffee aus Brasilien, duftende Blumen aus Kenia, frischer Fisch aus Westafrika, schicke Bekleidung aus Bangladesch. Im globalen Handel agierende Unternehmen machen's möglich. Die Lebensmittelkonzerne, Händler und Supermarktketten nutzen häufig den internationalen Standortwettbewerb, um auf Kosten von Arbeitsbedingungen und Umweltqualität in kostengünstigen Regionen einzukaufen. Die Gesichter der Menschen, die diese Produkte herstellen, bleiben für uns VerbraucherInnen unsichtbar. Dabei zieht unser Einkauf im Supermarkt teilweise gravierende Folgen für die ProduzentInnen in den Herkunftsländern nach sich.



Alles Banane!

Im ekuadorianischen Bananenanbau sind die Arbeitsbedingungen miserabel. Die Banane im Einkaufskorb trifft jedoch auch Kleinbauern und Kleinbäuerinnen hart. Ein Beispiel: Seit Anfang 2000 hat das Unternehmen Palmar, das in Deutschland den Cobana-Fruchtring beliefert, seine Anbauflächen um mehrere 100 Hektar ausgeweitet. Nicht zufällig liegen diese Ländereien entlang eines öffentlichen Bewässerungskanals. Mit der Sperrung des Wassers hat Palmar Kleinbauern und -bäuerinnen dazu gebracht, die Landwirtschaft aufzugeben. Gleiches wird aus Französisch Guayana berichtet, wo der spanische Konzern SOS Corporación Alimentaría Reisbauern mit der Sperrung des Wassers zum Verkauf ihrer Flächen gezwungen hat. Der Konzern verdient sein Geld auch mit Anbau und dem Verkauf von Reis. Die Expansion des Plantagenanbaus für den Export erfolgt nicht selten zulasten der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, die Grundnahrungsmittel für den heimischen Markt anbauen.


Kein Schwein gehabt - Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Brasilien

Schweinefleisch ist mit 39 kg pro Kopf/Jahr (65 Prozent des Gesamtfleischverbrauchs) die klare Nummer eins beim deutschen Fleischkonsum. Für ein Kilogramm Schweinefleisch werden 540 Gramm Soja eingesetzt. Mit der Schweinefleischproduktion steigt auch der Sojabedarf für die Fütterung. In Brasilien wurde der Sojaanbau erheblich zu Lasten der einheimischen Grundnahrungsmittelproduktion ausgebaut. Kleinbäuerliche Familien werden verdrängt. Mindestens vier der 16 Landkonflikte in Mato Grosso und 18 der 38 Landkonflikte in Paraná gehen im Jahr 2007 auf das Konto der Sojabarone. Ein hoher Fleischkonsum und eine steigende (Schweine-)Fleischproduktion innerhalb der EU bedrohen also direkt die Lebensgrundlagen von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Anbauländern.


Der Fisch stinkt vom Kopf her!

Die Supermarktketten sind das berühmte Nadelöhr. An ihnen kommt keiner vorbei. Denn, Edeka, Rewe, Aldi, Lidi (einschließlich Kaufland), Metro und Tengelmann kontrollieren ungefähr 90 Prozent des Marktes. Sie sind es, die den Lieferanten ihre Preis-, Qualitäts- und Liefervorgaben diktieren. Die Lieferanten werden sehr stark im Preis gedrückt. Die Folge: Niedrige Erzeugerpreise. Gewerkschaftliche Forderungen nach höheren Löhnen, menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten zur Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft werden von den Lieferanten abgeblockt. Niedrige (Einkaufs- und Verbraucher-)Preise verhindern, dass Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihre Rechte durchsetzen können.


Die Mär vom mündigen Verbraucher

Die mündigen VerbraucherInnen, denen man gerne die Verantwortung für Fehlentwicklungen am Markt und nicht-nachhaltige Produktionsstrukturen antastet, sind angesichts tatsächlicher Informationsdefizite bzw. mangelnder Transparenz eine Fiktion. Keine Fiktion ist die zunehmende Bereitschaft eines Teils der VerbraucherInnen, ihre Kaufentscheidungen auch an ethischen Wertvorstellungen auszurichten. Der Ethical Brand Monitor 2009 hat ergeben, dass die öffentliche Debatte über Nachhaltigkeit das VerbraucherInnenbewusstsein verändert. Bei Lebensmitteln haben ethische Aspekte einen bedeutenden Einfluss auf ihre Einstellungen zu Unternehmen. Vor allem im Bereich Frischware werden bevorzugt umwelt- und/oder sozial-profilierte Produkte gekauft. Wer die Gestaltungsmacht der VerbraucherInnen stärken will, muss allerdings dafür die notwendigen politischen Rahmenbedingungen schaffen.


Marita Wiggerthale ist freie Journalistin und arbeitet als Agrarreferentin bei Oxfam Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010, Juli 2010, S. 10
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010