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BERICHT/192: Verantwortung der Privatwirtschaft für die Menschenrechte (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Verantwortung der Privatwirtschaft für die Menschenrechte
Perspektiven für die weitere Arbeit

Von Brigitte Hamm


Seit den 1980er Jahren verlief die wirtschaftliche Globalisierung nach neoliberalen Vorstellungen, das heißt die Deregulierung mit dem Abbau von Handelsschranken, der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und dem Abbau von Standards stand im Vordergrund. Um hier gegenzusteuern, fordern Organisationen wie FIAN eine verbindliche Regulierung auf globaler Ebene. Dem steht das Eintreten für Selbstregulierung in Verbindung mit einem Bekenntnis zu sozialer und ökologischer Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) auf freiwilliger Basis seitens der Privatwirtschaft gegenüber.


Drei Säulen zur Stärkung der privatwirtschaftlichen Verantwortung für die Menschenrechte.

Seit Beginn der 1990er Jahre rückte zunehmend die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen in den Vordergrund der Debatte. Einen wichtigen Meilenstein bildeten die Normen der Vereinten Nationen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte (UN-Normen), die 2003 veröffentlicht wurden. Sie sind der Versuch, eine stärker verbindliche Regulierung für die Wirtschaft auf globaler Ebene mit der Betonung auf Rechenschaftspflicht bis hin zu Entschädigungen bei Verstößen gegen die Menschenrechte durchzusetzen. Sie stießen jedoch auf teilweise heftigen Widerstand seitens der Privatwirtschaft und vieler Regierungen. Die Polarisierung der Debatte um dieses Instrument trug dazu bei, dass die Vereinten Nationen einen Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs zum Thema Privatwirtschaft und Menschenrechte ernannten.

Im Juli 2005 wurde John G. Ruggie, Harvard Professor und ehemaliger Sonderberater für den Global Compact, auf diesen Posten berufen. In seinem Bericht von 2008 stellt Ruggie ein so genanntes policy framework für die Stärkung der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen vor. Es besteht aus drei Säulen, die sich wechselseitig ergänzen und verstärken, nämlich die Schutzpflicht der Staaten für die Menschenrechte, die freiwillige Verantwortung der Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte sowie den Zugang zu Rechtsmitteln, um gegen Verstöße vorgehen zu können (protect, respect and remedy). Insofern verknüpft der Ansatz also verbindliche und freiwillige Steuerungsformen. Ruggie rückt jedoch die staatliche Schutzpflicht in den Vordergrund und fordert, dass diese besser eingehalten wird. Auch findet sich eine langjährige Forderung von FIAN wieder, staatliche Schutzpflichten für die Menschenrechte über das jeweilige nationale Territorium auszuweiten, sie also als extraterritoriale Schutzpflichten zu verstehen.

Ruggies Mandat wurde 2008 um weitere drei Jahre verlängert. Seine Hauptaufgabe besteht nunmehr darin zu präzisieren, wie die einzelnen Dimensionen praktisch umzusetzen sind. Einige Regierungen wie die kanadische sind bereits aktiv geworden, indem die zuständige Agentur für Exportkredite ihre Sorgfaltspflicht für die Einhaltung von Menschenrechten anerkennt. Auch in Deutschland mehren sich auf der politischen Ebene Bestrebungen zur Stärkung der menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen. Zu erwähnen ist hier ein Antrag verschiedener Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27. 5. 2009 an den Deutschen Bundestag zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen. Darin werden wichtige zivilgesellschaftliche Forderungen aufgegriffen, wie beispielsweise die Verankerung von Menschenrechtskriterien in der Außenwirtschaftsförderung, die auch Ruggie als eine Präzisierung staatlicher Schutzpflicht begreift. Ein weiterer Schritt stellt das am 20. April 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts dar, das die Verknüpfung sozialer und ökologischer Kriterien mit öffentlichen Aufträgen vorsieht.


Ausblick

Das Motto "Verantwortung tragen" nehmen viele große Unternehmen als Teil ihrer positiven Selbstdarstellung für sich in Anspruch. Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise dürfen sich solche Bekenntnisse nicht als bloße Lippenbekenntnisse erweisen. Verantwortung muss auch in den Industrieländern selbst wahr genommen werden, um die Kluft zwischen Armen und Reichen nicht weiter zu vertiefen und ein Leben der Menschen in Würde sicherzustellen.

Brigitte Hamm ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Frieden und Entwicklung in Duisburg.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 16
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
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Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2009