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BERICHT/170: Ein großer Schritt für die Menschenrechte (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Ein großer Schritt für die Menschenrechte
Beschwerdeverfahren zum UN-Sozialpakt kann ratifiziert werden

Von Ute Hausmann


Pünktlich zum 60-jährigen Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte will die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember das Beschwerdeverfahren zum UN-Sozialpakt zur Ratifizierung durch die Staaten freigeben. Nach eigenen Angaben steht die Bundesregierung in den Startlöchern, um das Zusatzprotokoll zu ratifizieren, doch Wachsamkeit ist angebracht.


Siebzehn Jahre haben FIAN-Mitglieder weltweit auf den Moment gewartet, dass die UN-Generalversammlung ein Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) verabschiedet, mit dessen Hilfe Staaten in Zukunft für Verletzungen von sozialen Menschenrechten international zur Verantwortung gezogen werden können. Die Kampagne für ein Beschwerdeverfahren hatte FIAN schon 1991 ins Leben gerufen, im Laufe der Jahre schlossen sich mehr als hundert Organisationen der Kampagne an. Trotzdem dauerte es zehn Jahre, bis Verhandlungen zwischen den Staaten aufgenommen wurden. Im Sommer 2008 konnten die Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat abgeschlossen werden, woraufhin dieser das Zusatzprotokoll an die Generalversammlung weiterleitete.


Bundesregierung will ratifizieren

Damit das Beschwerdeverfahren in Kraft tritt, müssen mindestens zehn Staaten das Zusatzprotokoll ratifizieren. Das Beschwerdeverfahren findet dann in den Staaten Anwendung, die das Protokoll ratifiziert haben. Menschen, die in diesen Ländern leben, können sich an den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wenden, nachdem sie den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft haben. Ein entsprechendes Verfahren gibt es bereits bei anderen internationalen Abkommen, wie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder bei der Frauenrechtskonvention. Die Bundesregierung ist aktuell dabei, das Beschwerdeverfahren zur UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderungen zu ratifizieren. In ihrem Aktionsplan für Menschenrechte für 2008-2010 hat die Bundesregierung zudem erklärt, dass sie das Zusatzprotokoll zum Sozialpakt baldmöglichst zeichnen und das Ratifikationsverfahren als prioritäres Anliegen betreiben wird.


Hürden überwinden

Trotz dieser Ankündigung haben FIAN und amnesty international beschlossen, die Hände nicht in den Schoss zu legen und rufen zu einer gemeinsamen Postkartenaktion an Bundeskanzlerin Merkel auf. Damit wollen die beiden Organisationen zeigen, dass es sich bei der Ratifizierung des Zusatzprotokolls nicht um eine Expertenangelegenheit handelt, sondern dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die für sich und für andere das Recht sich zu beschweren einfordern. Deutschland war lange Zeit ein starker Bremser in den internationalen Verhandlungen gewesen. Erst im Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung ihre Haltung geändert und hat sich seitdem sehr engagiert für ein umfassendes Beschwerdeverfahren eingesetzt. Bei der Ratifizierung werden nun zusätzliche Hürden zu nehmen sein, vor allem in Bezug auf die Vereinbarkeit der deutschen Sozialgesetzgebung mit dem Sozialpakt und auf die Ansprüche von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Ähnliche Diskussionen gibt es beim Beschwerdeverfahren zur Europäischen Sozialcharta von 1995, das die Bundesregierung immer noch nicht ratifiziert hat.


Internationale Glaubwürdigkeit

Die Ratifizierung durch die Bundesregierung hätte nicht nur Konsequenzen für die innerdeutsche Anwendung des Sozialpakts, sie wäre auch ein bedeutender Beitrag zur internationalen Stärkung von sozialen Menschenrechten. Die rasche Ratifizierung durch eine Mehrheit der Staaten würde demonstrieren, dass soziale Menschenrechte endlich auf einer Stufe mit bürgerlich-politischen Menschenrechten stehen. Die deutsche Bundesregierung macht sich seit etlichen Jahren dafür stark, dass soziale Rechte international als Menschenrechte anerkannt werden. In der Woche vor Ende der Verhandlungen über das Zusatzprotokoll in Genf setzte die deutsche Regierung eine Resolution des UN-Menschenrechtsrats zum Recht auf Wasser durch. Anfang November trat die Portugiesin Catarina de Albuquerque, die als Vorsitzende die Verhandlungen über das Zusatzprotokoll geleitet hatte, ihr Amt als Sonderberaterin für Menschenrechte in Bezug auf Wasser an. Ein schöner Erfolg für die deutsche Diplomatie. Die schnelle Ratifizierung des Zusatzprotokolls würde die Glaubwürdigkeit deutscher Menschenrechtspolitik weiter stärken.


Die Autorin ist Grundsatz-Referentin bei FIAN-Deutschland

Bitte beteiligen Sie sich an der Postkartenaktion für eine schnelle Ratifizierung des Beschwerdeverfahrens durch die deutsche Regierung.
Postkarten können bei Verena Albert bestellt werden:
v.albert@fian.de


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2008, S. 3
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
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Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2009