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AFRIKA/026: Sicherheit und Frieden durch Landrechte in Nord-Uganda? (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

"Land ist das Einzige, was uns im Krieg geblieben ist"
Sicherheit und Frieden durch Landrechte in Nord-Uganda?

Von Frank Mischo


Die Frage nach den Landrechten in Norduganda wurde lange ignoriert und durch den kriegerischen Konflikt der letzten 20 Jahre zwischen der Lords Resistance Army (LRA) und der Regierung überdeckt. Erst durch die Aussicht auf Frieden seit Juli 2006 und den Aufbruch von über 600.000 Nord-Ugandern aus den Flüchtlingslagern wird die Landfrage immer dringender um zukünftige Konflikte zu verhindern.


Seitdem die Überfälle der Lords Resistance Army seit einem Jahr ausgeblieben sind und die Menschen die Vertriebenenlager verlassen können, herrscht eine bemerkenswerte Abwesenheit von Krieg. Viele Menschen haben seit vielen Jahren des Bürgerkrieges wieder die Möglichkeit, durch die Umsiedlung in kleinere Lager oder den Aufbau von Dorfstrukturen Zugang zu Land zu erhalten und bekommen damit die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen.

Doch schon seit längerem herrscht die Sorge vor, dass ihr traditionelles Land vom Staat an Investoren verkauft werden soll. Deshalb spielt die Landfrage auch eine Rolle in den derzeitigen Friedensgesprächen zwischen der LRA und der Regierung.

Es mehren sich die Stimmen, dass einige Teile Nordugandas Militärkommandeuren für die persönliche Nutzung überlassen werden sollen und andere Landstriche von der Uganda Wildlife Authority für den Aufbau von Tourismusprojekten beansprucht werden.


Staatliche Wiederaufbaupläne verunsichern Bevölkerung

Die diversen Wiederaufbaupläne der Regierung haben mehr zur Verunsicherung der sich gerade wieder ansiedelnden Landbevölkerung beigetragen als Perspektiven eröffnet. Im Friedens-, Wiederaufbau- und Entwicklungsplan für Nord-Uganda schlägt die Regierung vor, die sozialen Umwälzungen des Konfliktes zu nutzen, um neue soziale und wirtschaftliche Strukturen zu schaffen. Vertriebenenlager sollen in städtische Zonen umgewandelt werden. Großfarmen mit Maschinen und Weiterverarbeitungstechnik sollen geschaffen werden.

Es gibt auch Vorschläge, das von traditionellen Autoritäten verwaltete Land systematisch in privaten Besitz zu übertragen, um damit feste und einklagbare Besitzrechte zu schaffen. Dadurch sollen vor allem auch Investoren geworben werden. Zu erwarten sind aber vor allem negative Konsequenzen aus diesen Entwicklungen, da den Menschen aus den Vertriebenenlagern das Kapital fehlt um Grund und Boden zu erwerben und es zudem kaum Kreditmöglichkeiten gibt. Es ist absehbar, dass Investoren das Land kaufen werden und die Bevölkerung nur als billige Arbeitskräfte auf ihrem ehemaligen Land beschäftigt werden. Die zu erwartende Unzufriedenheit der Bevölkerungsmehrheit kann sich negativ auf den Friedensprozess auswirken.


Industrialisierungshoffnungen als Beispiel für das Problem der Landfrage

Die Abgeordneten der nördlichen Distrikte und die Ältesten des dort lebenden Volkes der Acholi wurden im Oktober 2007 von der Regierung zu einer Tour in eine Zuckerfabrik eingeladen, um sie von der Investition des Aufbaus eines Zuckerrohrfarmkomplexes und der weiter verarbeitenden Industrie im Amuru Distrikt zu überzeugen. Die Firma Kakira Sugar Works steht als Investor bereit. Mindestens 40.000 Hektar Land sollen gemäß ihres Direktors Mayur Madhvani für das Wirtschaftsprojekt günstig vom Staat zu Verfügung gestellt werden. Dafür will Kakira Sugar Works 60 Millionen US-Dollar investieren. Madvhani sieht durch das perfekte Klima für Zuckerrohr und die preisgünstigen Arbeitskräfte eine ideale Grundlage für einen Erfolg versprechenden Wiederaufbau in Amuru. Der Mangel an Zucker in Uganda und die dadurch notwendigen Importe sollen allein durch diese Ansiedlung überwunden werden. Die Regierung unterstützt das Projekt, während sich die Menschen im Amuru-Distrikt Sorgen machen, weil viele Menschen auf dem selben Land begonnen haben, sich ihre Existenz aufzubauen.


Frauen sind meist die Verlierer des Wandels

Eine weitere Dimension des Verkaufs von traditionellem Land ist, dass der neue Grundbesitz hauptsächlich in die Hände von männlichen Familienoberhäuptern wandert. Frauen und Kinder haben kaum noch eine Möglichkeit, an Land zu kommen. Besonders in Verbindung mit der Ausbreitung von HIV/Aids und der zunehmenden Anzahl von Witwen und Waisen steigen die Rechtlosigkeit dieser Bevölkerungsgruppe und damit auch Gewalt und Missbrauch zunehmend an.


LRA-Kämpfer erhalten Land ihrer Opfer

In den letzten zwei Jahren wurde auf Grundlage des Amnestie- und Rehabititationsprogramms der ugandischen Regierung ehemaligen Kämpfern der Lords Resistance Army Land überlassen. Die aus den Vertriebenenlagern zurückkehrenden Flüchtlinge mussten feststellen, dass ihr Land schon offiziell an ihre Peiniger aus dem Bürgerkrieg vergeben worden war. In einem Fall führte es so weit, dass die benachbarten LagerbewohnerInnen auf ihrem ehemaligen Land für nur ein Zehntel der Ernte für die amnestierten LRA-Kämpfer arbeiten mussten. Auch die nach einem Friedensschluss aus dem Sudan und Kongo kommenden LRA-Rebellen werden Anrecht auf Land bekommen, was die realen Probleme von Versöhnung und Gerechtigkeit noch verstärken wird.


Rückschläge für den Wiederaufbau

Bis zu 300.000 Menschen haben bereits den Versuch abgebrochen, sich mit traditioneller Landwirtschaft selbständig zu machen. Die Unsicherheit der Landfrage ist dabei nur einer von vielen Faktoren. Vor allem fehlt es an adäquater Infrastruktur: Wasserversorgung, Straßen und Schulen werden nur langsam wieder aufgebaut. Aber auch ausgebildete Lehrer fehlen, vom Gesundheitssystem und von Ärzten ganz zu schweigen.

Viele Jugendliche und junge Erwachsene haben nie ein anderes Leben außer dem Lagerleben kennen gelernt. Ihnen fehlen die Kenntnisse zum Ackerbau. Nur ein Teil erhielt ein Startset mit Saatgut und Werkzeugen. Ein Skandal waren unzureichende oder qualitativ schlechte Materialien, die an die Siedler verteilt wurden. In einem Regierungsbericht vom 24. September ist zu lesen, dass die 8.000 für den Amuru-Distrikt vorgesehenen Äxte alle minderwertig sind und zurückgegeben werden sollten. Ähnliche Probleme gibt es mit Saatgut.

Viele soziale Probleme lähmen darüber hinaus den Neuanfang. Neben Alkoholproblemen und Traumatisierungen gibt es auch viele Menschen mit Behinderungen. Die Ausbreitung von HIV/Aids und anderen Krankheiten erschweren die Arbeitsfähigkeit. Ungelöst ist auch das Problem der Landminen. Unfälle mit den im Krieg gelegten Minen führen zudem zu berechtigter Angst beim Zugang zu lange ungenutzten und umkämpften Gebieten.


Hoffnung für die Zukunft?

Positiv wirkt, dass die Regierung aufgrund von Korruptionsskandalen bei Landkäufen einige unzuverlässige Mitarbeiter der Landverwaltung entlassen hat. Es wurden Konfliktlösungsmechanismen eingeführt, so dass es nun Ansprechpartner der Regierung gibt, wenn Ansprüche auf ein bestimmtes Stück Land erhoben werden. Über 6.000 Fälle wegen Grundstücksfragen liegen bei Ugandas Gerichten und müssen noch entschieden werden.

Dort, wo Menschen alte Dörfer wieder aufbauen oder neue Dörfer gemeinsam errichten, kommt es durch die Stärkung der Gemeinschaft zu erfolgreichen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Menschen müssen in sie betreffende Fragen gerade bei staatlichen Wiederaufbauplänen mehr einbezogen werden. Eine Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen würde den Menschen außerdem deutlich mehr Sicherheit geben. Leider hat die Regenkatastrophe der letzten Wochen viele erste Erfolge weggeschwemmt. Viele Felder sind überflutet, die erste Ernte verschimmelt. Viele Menschen haben nichts mehr von dem, für das sie ein halbes Jahr gearbeitet haben. Es gibt kaum nutzbare Wege, und Unterstützungslieferungen für die betroffene Bevölkerung kommen kaum bei den Menschen an.

Und wem in Nord-Uganda das Land gehört, muss dringend durch Vermessung, Eintragung und vor allem in einem transparenten Prozess festgelegt werden, um Rechtssicherheit und Frieden zu schaffen. Da es diesen Prozess nicht gibt, fordern die Ältesten des Acholi-Volkes, dass der Staat in den nächsten vier Jahren kein Land mehr verkaufen soll.


Der Autor ist Politikwissenschaftler und arbeitet im Referat Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Kindernothilfe e.V.. Er ist Mitglied der Steuerungsgruppe des Länderforums Uganda und hat durch zahlreiche Arbeitsaufenthalte die Lebenssituation der Menschen in Nord-Uganda kennen gelernt.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2007, S. 6-7
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2008