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PREIS/020: BigBrotherAwards 2012 verliehen (ILMR)


Rückschau der Internationalen Liga für Menschenrechte
auf die Verleihung der BigBrotherAwards 2012
Mitteilung vom 15. April 2012

Am Freitag Abend sind in Bielefeld vor großem Publikum zum 12. mal die Deutschen BigBrotherAwards vergeben worden.

Sieben Negativ-Preise wurden verliehen
Bundesinnenminster Friedrich (CSU), der sächsische Innenminster Ulbig (CDU), Bofrost, Blizzard, Schoolwater und Gamma International ...



Ein Spielehersteller und Schnüffelchips für Wasser an Schulen - das waren die Gewinner des Negativpreises für Datenschutz, der am Freitag, 13.‍ ‍April 2012, in Bielefeld verliehen worden ist: Die Blizzard Entertainment mit dem Spiel World of Warcraft in der Kategorie Verbraucherschutz und die Brita GmbH für das Projekt "Schoolwater" (Wirtschaft).
Sozusagen als Dauerbrenner haben auch mal wieder zwei Innenminister den Preis bekommen: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU). In weiteren Kategorien sind die Firma bofrost (Arbeitswelt), die Gamma International (Technik) und ganz abstrakt "die Cloud" (Kommunikation) ausgezeichnet worden.

Erstmals lobende Erwähnungen

Zum ersten Mal gab es neben den Tadeln auch Lobende Erwähnungen, so für den Hessischen Rundfunk, der die Abgabe der ELENA-Daten verweigerte, und für Thilo Weichert, den Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein für seinen Einsatz gegen Facebook.


Die Preisträger der BigBrotherAwards 2012 (Kurzfassungen)

Politik: Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich / Gemeinsame Abwehrzentren
(Cyber- und gegen Rechtsextremismus) sowie zentrale Neonazi-Verbunddatei von Polizei und Geheimdiensten
Laudator: Dr. Rolf Gössner, Internationale Liga für Menschenrechte / ILMR

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie "Politik" geht an Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) für die Einrichtung eines Cyber-Abwehrzentrums ohne Legitimation durch den Bundestag, für die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR), ebenfalls am Parlament vorbei, sowie für die Entscheidung, alsbald eine gemeinsame zentrale Verbunddatei "gewaltbezogener Rechtsextremismus" zu errichten. Mit der geplanten Verbunddatei und den neuen Abwehrzentren werden Polizei, Geheimdienste und teilweise das Militär auf problematische Weise vernetzt und verzahnt - unter Missachtung des historisch begründeten Verfassungsgebotes, nach dem diese Sicherheitsbehörden strikt voneinander getrennt sein und grundsätzlich getrennt arbeiten müssen.

Behörden und Verwaltung: Sächsischer Innenminister / Funkzellenauswertung
Laudator: Sönke Hilbrans, Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD)

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Behörden und Verwaltung geht an den Sächsischen Staatsminister des Inneren, Herrn Markus Ulbig, für Funkzellenabfragen im Raum Dresden. Nachdem am 19. Februar 2011 in Dresden 20.000 Menschen gegen einen Nazi-Aufmarsch. demonstriert hatten, forderten das Landeskriminalamt und die Polizei in Dresden die Telekommunikationsverbindungsdaten für 28 Funkzellen an, die Masse davon aus dem örtlichen Bereich des Versammlungsgeschehens. Bald tauchten die erhobenen Daten in Strafverfahren auf, für die man sicher keine Funkzellenabfrage genehmigt bekommen hätte. Der Preisträger verteidigt den ausgelösten Daten-Tsunami von über einer Millionen Datensätze zu inzwischen mehr als 55.000 identifizierten Anschlussinhaberinnen und -inhabern bis heute als rechtmäßig.

Verbraucherschutz: Blizzard Entertainment
Laudator: Frans Valenta, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF)

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie "Verbraucherschutz" geht an die Firma Blizzard Entertainment für diverse Datenschutzverletzungen bei ihren Online-Spielen (z.B. World of Warcraft). Aus der protokollierten Spieldauer, erhobenen Rechnerdaten, dem Abgleich von Freundeslisten und dem Spielerverhalten (z.B. wie hat jemand eine bestimmte Aufgabe gelöst) lassen sich Persönlichkeitsprofile und Charakterstudien erstellen. Für eine entsprechende Auswertung wurde bereits 2007 ein US-Patent eingetragen - auf einen wissenschaftlichen Mitarbeiter von Google. Stück für Stück werden die Methoden zur Datenklauberei in den endlosen Nutzungsbedingungen immer weiter ausgeweitet. Viele Informationen über die Spieler und Spiel-Charaktere sind im Netz von jedermann öffentlich einsehbar. Immerhin: Der Versuch, den Zwang zu öffentlichen realen Klarnamen einzuführen, wurde durch Spielerproteste verhindert - noch.

Arbeitswelt: Bofrost für Ausforschung des Betriebsratscomputers
Laudator: Prof. Dr. Peter Wedde, Europäische Akademie der Arbeit (Uni Frankfurt)

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Arbeitswelt geht an die Firma Bofrost für die rechtswidrige Ausforschung von Daten auf einem Betriebsratscomputer. Bofrost hat Dateiinformation eines dort gefundenen Schreibens verwendet, um einem Betriebsratsmitglied zu kündigen. Das Arbeitsgericht hat die Unzulässigkeit dieses Vorgehens bestätigt. Auf einem Computer eines anderen Betriebsrats wurde ohne Zustimmung des Betriebsrats die Fernsteuersoftware Ultra VNC installiert und erst nach gerichtlichem Vergleich wurde zugesichert, dies in Zukunft zu unterlassen

Technik: Gamma International für Spionagesoftware FinFisher
Laudator: Frank Rosengart, Chaos Computer Club

Den BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Technik erhält die deutsche Niederlassung der Gamma Group in München, vertreten durch den Prokuristen Stephan Oelkers, für ihre Software "FinFisher". Gamma wirbt damit, dass Sicherheitslücken in iTunes und Skype genutzt werden, um z.B. per gefälschten Updates Spionagesoftware auf andere Rechner einzuschleusen und über ihre Software "FinSpy Mobile" auch auf Blackberrys zugreifen zu können. Gamma-Software wird an Geheimdienste und staatliche Institutionen im In- und Ausland verkauft. Gefunden wurde sie zum Beispiel bei der Erstürmung der Kairoer Zentrale des ägyptischen Geheimdienstes durch Bürgerrechtler.

Wirtschaft: Brita GmbH für Schoolwater - Laudator: padeluun, FoeBuD e.V.

Der BigBrotherAward 2012 in der Kategorie Wirtschaft geht an die Firma Brita GmbH für ihre kostenpflichtigen Wasserspender in Schulen, die unter dem Namen "Schoolwater" vermarktet werden. Diese Geräte geben nur dann Wasser ab, wenn ein Kind es mit einer mit einem RFID-Funkchip verwanzten Flasche abzapft. Auf die Gefahren von Funkchips, die man berührungslos auslesen kann, ohne dass der/die Träger/in das bemerkt, haben wir in den vergangenen Jahren wiederholt hingewiesen. Dieses Wasserflaschen-System zeigt in besonders eklatanter Weise den Versuch, Übertechnisierung, Überwachung und Bevormundung schon im frühen Kindesalter zu etablieren. Außerdem kritisieren wir mit unserer Preisvergabe, dass damit Leitungswasser zu einem teuren, exklusiven Lebensmittel gemacht wird, anstatt es Kindern in der Schule als allgemeine Gesundheitsvorsorge unbegrenzt zur Verfügung zu stellen.

Kommunikation: Die Cloud - Laudatorin: Rena Tangens, FoeBuD e.V.

Der BigBrotherAward in der Kategorie Kommunikation geht an die Cloud als Trend, Nutzerinnen und Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zu entziehen. Wer Adressbücher und Fotos - und damit die Daten anderer Menschen - oder Archive, Vertriebsinfos und Firmeninterna unverschlüsselt in den undurchsichtigen Nebel der Cloud verlagert, handelt mindestens fahrlässig. Fast alle Cloud-Anbieter sind amerikanische Firmen - und die sind laut Foreign Intelligence Surveillance Act verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf alle Daten in der Cloud zu geben, auch wenn sich die Rechnerparks auf europäischem Boden befinden. Das 2008 vom Bundesverfassungsgericht postulierte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme wird damit eklatant verletzt.

Weitere Informationen und Anfragen über:
BigBrotherAwards c/o FoeBuD e.V., Marktstraße 18, 33602 Bielefeld
Telefon: 0521-175254, Fax: 0521-61172
Mail: bba@foebud.org Internet: www.bigbrotherawards.de // www.foebud.org

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Quelle:
Mitteilung vom 15. April 2012
Internationale Liga für Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Tel.: 030 - 396 21 22, Fax: 030 - 396 21 47
E-Mail: vorstand@ilmr.de
Internet: www.ilmr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2012