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NEWSLETTER/071: BUKO News vom 26.10.2011


BUKO News vom 26.10.2011


Liebe Newsletterbezieher_innen,

jetzt ist er doch noch golden geworden: der Herbst! Und es überschlagen sich die Veranstaltungen und Ereignisse. Die BUKO hat gerade ihren Ratschlag und ein gut besuchtes Seminar des Arbeitsschwerpunktes Gesellschaftliche Naturverhältnisse glücklich und zufrieden hinter sich gebracht. Das nächste Kongress-Vorbereitungstreffen in Erfurt (28.-29.10.), zu dem wir herzlich einladen, steht kurz bevor.

Dieser Newsletter ist so bunt wie Herbstlaub: Wir präsentieren einen Veranstaltungsreigen aus dem BUKO-Umfeld, Links zum Nachdenken über die Occupy-Bewegung, ein Scan der Herbstneuerscheinungen und - last but not least - empfehlen wir noch fix dicke Socken zu stricken für den anstehenden Castortransport im November.



Inhalt:

+++ NACHRICHTEN AUS DER BUKO +++
1) BUKO 34 in Erfurt, Nächstes Treffen am 28.-29.10.
2) BUKO unterstützt: Manifest für ein Europa der Humanität & Solidarität
3) Günstiges Laptop gesucht

+++ AUS DEN BUKO-MITGLIEDSGRUPPEN +++
4) Zivilklauselkongress, 28.-29.10. in Tübingen
5) Gegen die Unsichtbarkeit. Fotoausstellung zum Widerstand in Honduras
6) iz3w "Der Grüne Kapitalismus kommt"

+++ TERMINE +++ TERMINE +++ TERMINE +++
7) Fortbildung: Menschenrechtsarbeit in Kolumbien & Peru, 25.-27.11., Stuttgart
8) Castor 2011: Zieht euch warm an! Voraussichtlich vom 25.-28.11.

+++ SCHWERPUNKT: BEWEGUNG +++
9) Occupy-Bewegung weltweit: Nachklapp und Ausblick

+++ NEUERSCHEINUNGEN +++
10) Bernhard Schmid: Die arabische Revolution?
11) Mikrofinanz-Industrie - Das Geschäft mit der Armut
12) Europa macht dicht

+++ ZU GUTER LETZT +++
13) Meine Seele hat kein Geschlecht. arte-Dokumentation


1) BUKO 34 in Erfurt, Nächstes Treffen am 28.-29.10.

2010 fand in Tübingen der BUKO 33 unter dem Motto "Nach den Sternen greifen" statt, 2011 gab es zwar keinen "klassischen" BUKO, aber den auch tollen "Recht-auf-Stadt-Kongress" in Hamburg, der von der Bundeskoordination Internationalismus mit organisiert war. 2012 wollen wir nun den Kongress nach Erfurt holen und suchen noch weitere unterstützende Köpfe & Hände. Die BUKO-Kongresse mit etwa 300-600 Teilnehmenden bestechen durch eine Vielzahl internationaler Referent_innen, durch ein undogmatisches, entspanntes Publikum und die Möglichkeit, Themen in verschiedenen Panels intensiv zu diskutieren.

Ein erstes bundesweites Treffen in Erfurt hat bereits im September stattgefunden, weitere folgen. Seid herzlich dazu eingeladen! Die nächsten beiden Treffen sind auch schon fix: am 28.-29.10 und 2.-3.12., jeweils in Erfurt. Meldet euch bei mail@buko.info wenn ihr euch inhaltlich und/oder organisatorisch in die Kongressvorbereitung einbringen wollt.
Erfurt, bundesweites Kongressvorbereitungstreffen, 28.-29.10.;
Treffpunkt am Freitagabend: Offene Arbeit Erfurt, Allerheiligenstraße 9 / Hinterhaus 99084 Erfurt. Für die Diskussion am Freitag gibt es einen Grundlagentext "Vom Gebrauchswert radikaler Kritik" von Friederike Habermann, Markus Wissen und Ulrich Brand aus dem BUKO-Buch: "Radikal global" (2003). Der Text findet sich hier als pdf:
http://www.buko.info/fileadmin/user_upload/doc/publikationen/radiglobal.pdf


2) BUKO unterstützt: Manifest für ein Europa der Humanität & Solidarität

Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind 1674 Flüchtlinge im Kanal von Sizilien ertrunken. Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer verschärft sich - und Europa schaut zu. Wir wollen ein anderes Europa. Ein Europa, das wirklich für die Ideen der Humanität und Freiheit aller Menschen steht. Mit dieser öffentlichen Aktion wollen wir Druck auf die Politik ausüben und einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen. Über die Aktion und ihr Engagement wird in der taz - und sicherlich auch in anderen Medien - berichtet werden. Bis zur Herbstkonferenz der Innenminister im Dezember in Frankfurt am Main kann das Manifest unterzeichnet werden. Die gesammelten Unterschriften werden an die Innenminister übergeben.

Mach mit unterzeichne das Manifest:
http://bewegung.taz.de/aktionen/manifest/beschreibung

Erstunterzeichner des Manifests: medico international , Pro Asyl, Amnesty International, Brot für die Welt, borderline-europe - menschenrechte ohne grenzen, Komitee für Grundrechte und Demokratie Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten, BUKO - Bundeskoordination Internationalismus, Afrique Europe Interact Netzwerk, MiRA - Migrationsforschung & Aktion;



3) Günstiges Laptop gesucht

Beim Recht-Auf-Stadt-Kongress ist unser Laptop verloren gegangen, seufz. Wir haben einen Moment nicht aufgepasst und flugs hat sich eine/r das alte Ding unter den Nagel gerissen. Unter der Rubrik "BUKO sucht ..." suchen wir nun also einen Computer to go. Hallo ihr lieben Laptopmehrfachbesitzenden, habt ihr eins für uns übrig? Es muss nicht viel können und auch nicht schön sein. Es müsste ein bisschen Protokollgeschreibe aushalten, wenn wir unterwegs sind. Es sollte einen o.k.en Akku haben und die gängigen Kunststücke beherrschen und der Preis für die wieder gewonnene Mobilität darf nicht zu hoch sein. Wir passen auch dieses Mal besser auf die Kiste auf, versprochen!
Kontakt: mail@buko.info



4) Zivilklauselkongress, 28.-29.10. in Tübingen

In Tübingen geht es gegenwärtig heiß her in Sachen Militarisierung der Hochschule. Zwar hat die Uni Ende 2009 aufgrund der damaligen Studierendenproteste eine Zivilklausel in ihre Grundordnung aufgenommen, seither fanden jedoch mehrfach (Lehr-)Veranstaltungen von und mit Bundeswehrangehörigen statt, weiter wird Forschung im Auftrag des Verteidigungsministeriums durchgeführt und der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, der wie kaum ein zweiter für die Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik steht, wurde zum Honorarprofessor - ausgerechnet der Friedens- und Konfliktforschung - ernannt.

Hinter der Honorarprofessur Ischingers stehen u.a. dieselben Kräfte, die auch die Einführung einer Zivilklausel befürworteten und nun - nachdem Fakten geschaffen wurden - im Rahmen einer Ringvorlesung die "Friedensklausel" diskutieren möchten - u.a. mit einer Angehörigen der Führungsakademie der Bundeswehr. Die Bedeutung dieser Friedensklausel hat kürzlich Ischinger in einem Interview mit dem Schwäbischen Tagblatt so umrissen: "Es ist doch gerade das Ziel solcher [Friedens-]Missionen, der Bevölkerung in Krisengebieten eine friedlichere Zukunft zu ermöglichen. Entspricht das denn nicht dem Gedanken der Zivilklausel?"

Wir meinen: Nein. Eine Zivilklausel, die Rüstungsforschung und (Lehr-)Veranstaltungen Bundeswehrangehöriger zu den Berufsperspektiven von Sozialwissenschaftler_innen einschließt, die Tierversuche zur besseren Behandlung von Knalltrauma bei Soldaten und Selbssteuerung von Drohnen durchführen lässt, ist keine Zivilklausel. Dennoch diente sie als Anlass, die militaritischen Wurzeln und Rahmenbedingungen der Wissenschaft zu untersuchen und Forschungsvorhaben auf ihre Verbindungen zu Rüstung, Bundeswehr und Geheimdienste abzuklopfen. Was sich dabei in Tübingen, Baden-Württemberg und darüber hinaus offenbarte, darüber möchten wir uns Ende Oktober austauschen. Wir laden herzlich ein zu dem offenen Kongress/Vernetzungstreffen.

Tübingen, 28.-20.10., Kontakt: zivilklausel@mtmedia.org,
Organisationskreis für das Zivilklauseltreffen 2011,
c/o Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., Hechinger Str. 203,
Tel. 07071/49154, 72072 Tübingen
http://zivilklauselkongress.blogsport.de


5) Gegen die Unsichtbarkeit. Fotoausstellung zum Widerstand in Honduras

Gegen die Unsichtbarkeit. Fotoausstellung zum Widerstand in Honduras bundesweit ausleihbar

Sie waren unsichtbar. Sie waren nicht-existent in den Regierungsprogrammen, internationalen Abkommen und Investitionsvereinbarungen. Sie, die Marginalisierten der honduranischen Bevölkerung. Frauen, homo- und transsexuelle Menschen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Landlose, Indigene... Als sie drohten, mehr Mitspracherechte zu fordern, wurde dies von der honduranischen Elite und dem Militär mit einem Putsch am 28. Juni 2009 beantwortet. Doch sie ließen sich nicht einschüchtern, nun erst recht nicht. In der Fotoausstellung sollen diese Menschen sichtbar und hörbar gemacht werden. Die Wander-Ausstellung und die dazugehörige Broschüre sind Projekte einer Gruppe von Aktivist*innen und freien Journalist*innen, die im Dezember 2010 im Rahmen einer Delegationsreise in Honduras waren. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit honduranischen "Künstler*innen im Widerstand" - etwa die Hälfte der Fotos stammt von ihnen.

Die Fotos sind eine Kampfansage an die "Unsichtbarmachung". In ihnen wird der aktive Widerstand der Bevölkerung gegen die "Unsichtbarmachung" dargestellt: der Kampf der Frauen und Feminist*innen für Gleichberechtigung, der Einsatz der LGBT-Bewegung (Lesbian/Gay/Bi/Trans) für die Anerkennung von sexueller Diversität, die Widerstandsbewegung FNRP, die sich nach dem Putsch als breite Allianz gegründet hat und für eine neue Verfassung und eine ganzheitliche gesellschaftliche Transformation einsteht. Ein Schwerpunkt liegt auch auf dem ungleichen Zugang zu Land und dem Ressourcenraub, gegen den sich Bäuerinnen und Bauern, Landlose und indigene Bewegungen einsetzen. Doch diese Kämpfe werden mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Auch die Militarisierung des Landes und die Repression gegen die Zivilgesellschaft wird in der Ausstellung nicht verschwiegen, ebenso wenig wie der Beitrag von Europäischer Union und deutschen Institutionen an der "Unsichtbarmachung" des Widerstands.

Zum genauen Inhalt, Format und den Verleih-Konditionen bitte hondurasblog2010@gmail.com kontaktieren.

Falls zusätzlich Veranstaltungen geplant ist, können Referent*innen vermittelt werden.
Anfragen auch an: Öku-Büro, nica@oeku-buero.de, Tel.: 089/4485945



6) iz3w "Der Grüne Kapitalismus kommt"

Die wichtige Rolle erneuerbarer Energien u.a. in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat bei aller Freude über Klimaverträglichkeit eine Kehrseite: Wieder wird europäische Technologie in den Süden transferiert, wo die Ressourcen zu finden sind. Darin muss man nicht nur Umweltschutz erkennen sondern möglicherweise die bewusste Zementierung der Dominanz des Nordens.

Desertec und Biogaskraftwerke können ebenso kritisch gesehen werden wie Elektromobilität mit Lithiumakkus, deren Herstellung teilweise mit neuer Umweltzerstörung einher gehen. Verschiedene Zertifizierungsdebatten spielen eine Rolle, auch Zertifizierungen können reine Machtmittel des Nordens gegenüber dem Süden sein.

Angesichts des definitiven Endes des Erdölzeitalters ist der Ausbau von Strukturen Erneuerbarer Energie die Vorbereitung neuer globaler Wirtschaftsstrukturen. Die Umstellung nach dem Erdölzeitalter wird zu einer neuen industriellen Revolution. Zu wessen Nutzen? Auf wessen Kosten?

iz3w 327, Der Grüne Kapitalismus kommt. Mission Windrad, 5.30 Euro,
weitere Infos und Bestellmöglichkeiten:
https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/327


7) Fortbildung: Menschenrechtsarbeit in Kolumbien & Peru, 25.-27.11., Stuttgart

Im kommenden Jahr soll das Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien, Peru und der EU in Kraft treten. Im Fokus des wirtschaftlichen Interesses stehen insbesondere die vielen Bodenschätze und das fruchtbare Land der beiden Andenländer.

Ziel der Fortbildung in Stuttgart ist es, die daraus resultierenden massiven Konflikte um Land und Rohstoffe sowie ihre Folgen kennenzulernen - in Kolumbien und Peru kommt es im Zusammenhang mit Wirtschaftsprojekten oft zu brutalen Menschenrechtsverletzungen. Die Veranstaltung zeigt Konzepte, Methoden und Materialien, um aktiv zu werden und betroffene Menschen in Kolumbien und Peru zu unterstützen. Die TeilnehmerInnen werden so in die Lage versetzt, eigenständig eine Veranstaltungen und solidarische Aktionen durchzuführen.

Veranstalter: Brot für die Welt, Kostenlose Teilnahme,
Infos:
http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index_11026_DEU_HTML.php


8) Castor 2011: Zieht euch warm an! Voraussichtlich vom 25.-28.11.

Nach dem Super Gau in Fukushima hat die Bundesregierung einiges getan, um der erstarkten Anti-Atombewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen und "Bürgernähe" zu suggerieren: Einzelne AKWs wurden vom Netz genommen, die Verlängerung der Laufzeit erst mal gestoppt und man täuschte Einsicht vor und fabulierte von der ernst gemeinten "Energiewende". Voraussichtlich vom 25. und 28. November wird es wieder einen Castortransport aus dem französischen La Hague ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben geben. Warum mensch sich nicht von der Politik einlullen lassen sollte und Protest notwendig wie eh und je ist, zeigt der folgender Artikel auf Indymedia:
http://de.indymedia.org/2011/09/317239.shtml

Castor-Transport, vor. 25.-28.11.11, Überblick über Aktionsformen, inkl. Infos zu Repressionsschutz:
Castor-Nix-Da-Kampagne: http://www.castor.de
BI-Lüchow-Dannenberg: http://www.bi-luechow-dannenberg.de
X-1000mal Quer: http://www.x-tausendmalquer.de
Widersetzen: http://www.widersetzen.de
Bäuerliche Notgemeinschaft: http://www.baeuerliche-notgemeinschaft.de
Bürgerbündnis: http://www.gorleben-castor.de
Autonomes Bündnis: http://www.castor2011.org
Castor Ticker: http://castorticker.de


9) Occupy-Bewegung weltweit: Nachklapp und Ausblick

Am 15. Oktober 2011 haben weltweit Gruppen zu einem Aktionstag gegen die Macht von Banken & Finanzmarkt, sowie gegen fehlende Demokratie & Transparenz aufgerufen. In Deutschland folgten mehrere Zehntausende dem Aufruf, in Italien, Portugal, Spanien und den USA waren es deutlich mehr. Schätzungen zufolge gingen global mehr als Hunderttausend unter dem Slogan "Wir sind 99 Prozent" auf der Straße. Was sind die Forderungen der "Occupy-Bewegung"? Was verbindet die Proteste weltweit, wo liegen Unterschiede? Eine Einschätzung fällt - angesichts der vielfältigen Proteste - schwer. Ist es der Beginn einer neuen antikapitalistischen Bewegung oder bleibt der Protest auf einer symbolischen Ebene?

Einen guten Überblick über die verschiedenen Proteste am 15.10. gibt das ND:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/209027.html

Ratlosigkeit herrscht in weiten Teilen der Linken. Im Vorfeld gab es aus den Reihen der Interventionistischen Linken (IL) einen Text, der sich bemüht, eine Positionsbestimmung anzustoßen: "Wir wollen, dass die interventionistische Linke den globalen Aktionstag am 15. Oktober unterstützt, zu dem Occupy together, democracia real ya und ungezählte Aktivist_innen auf der ganzen Welt aufrufen. Wir wollen das, obwohl uns wie allen anderen bis dahin kaum Zeit bleibt zur Vorbereitung der Aktionen, zum Schreiben der Manifeste, zur eigenen Aussprache über mögliche Forderungen, Losungen oder Erkennungsworte. An vielen Orten wird wenig, an einigen kann mehr geschehen; wir sehen keinen Grund, das Wagnis zu scheuen".
http://www.dazwischengehen.org/story/2011/10/occupy-together-kommt-zum-forum-der-menge

Eine kritisch-solidarische Bezugnahme auf die Occupy-Proteste gibt es bei Labournet, dazu viele Links und weiterführende Artikel: "Dieses Material soll auch die intensiven Debatten in - und um - diese Bewegung dokumentieren, dabei meinen wir nicht jene Strömungen, die den Weg weisen wollen, sondern jene, die ihn gemeinsam suchen wollen. Denn neue Wege täten ziemlich not, da die bisher gegangenen sich allzu oft als Sackgasse erwiesen haben."
http://www.labournet.de/news/2011/dienstag1810.html

Pit Wuhrer analysiert das Neue des Protestes in der WOZ folgender Maßen: "Neu an der Occupy-Bewegung ist also nicht ihre Internationalität. Neu ist ihre Kombination von lokalen und nationalen Forderungen mit globalen Erkenntnissen: Da demonstrieren chilenische UmweltschützerInnen, spanische Arbeitslose, britische Studierende, US-amerikanische Arme - und sie alle wissen, dass nicht nur sie, sondern auch der Facharbeiter und die Bankangestellte neben ihnen zu jenen 99 Prozent gehören, die all das zu schultern haben, was eine kleine Minderheit verursacht hat. Neu ist auch, dass die Occupy-Initiativen den öffentlichen Raum besetzen, den sich Private und der Staat aneignet haben, und zugleich den in allen Gesellschaften vorhandenen Wunsch nach Gleichheit und mehr Gerechtigkeit artikulieren."
http://www.woz.ch/artikel/2011/nr42/schweiz/21299.html

Tadzio Müller macht in der taz das Neue der Bewegung vor allem daran fest macht, dass die "Alten" nicht dabei sind:
http://www.taz.de/!80125/

Interessant sind die vielen Querverweise und Bezugnahmen der Protestbewegungen untereinander. Im Manifest "Occupy Grahamstown! Recapitalise the Poor!" heißt es: "As a movement of the poor we have taken great inspiration from the rebellion that has spread from Tahrir Square in Cairo to Syntagma Square in Athens, the Puerta del Sol in Madrid and now Liberty Plaza in New York". (Zwei Vertreter der Bewegung Abahlali baseMjondolo (AbM) waren im Juni beim Recht-auf-Stadt-Kongress in Hamburg zu Gast):
http://abahlali.org/node/8398

In Washington holten sich Anhänger der Occupy-Bewegung Tipps bei Aktivist_innen vom Tahrir-Platz:
http://www.taz.de/Occupy-Bewegung-in-USA/!80550/

Die Forderungen vieler OccupyerInnen bleiben meist relativ diffus, das Feindbild ist demgegenüber oft auffallend klar. Hier ist sicherlich Diskussions- und Analysebedarf, um nicht in die Fallstricke einer verkürzten Kapitalismuskritik zu geraten. Empfohlen sei der Artikel "Kapitalismuskritik und falsche Personalisierung" von Gerhard Hanloser:
http://www.akweb.de/ak_s/ak499/02.htm

In der ZEIT gibt es den richtigen Verweis darauf, dass bei aller berechtigten Kritik an den Banken nicht Staat & Politik als Mitverursacher der Krise aus dem Blick geraten dürfen:
http://www.zeit.de/2011/43/P-Zeitgeist

Bei aller Offenheit der Bewegung, ist es unerlässlich, Grenzen zu ziehen zu rechtspopulistischen, nationalistischen Gruppen und esoterischen Verschwörungstheoretikern. Die taz recherchiert, wer sich auch (wenn auch marginalisiert) an den Occupy-Protesten beteiligt und liefert Hintergründe zur Zeitgeistbewegung, die nicht nun in den USA, sondern auch in Frankfurt bei den Protesten mitmischt:
http://www.taz.de/t172/Occupy-Bewegung/!80372/
http://www.taz.de/t172/Die-Occupy-Proteste-in-Frankfurt/!80438/

Die Antifa-Frankfurt beschreibt die Stimmung in Frankfurt am 15.10 als sehr offen: "Viele TeilnehmerInnen waren politisch nicht festgelegt, wie es nun einmal so ist, wenn eine neue, breite Bewegung entsteht. So wurde - je nach politischer Überzeugung demonstriert". Zudem liefern sie einen Überblick über die verschiedenen - auch problematischen - AkteurInnen vom 15.10.:
http://www.antifa-frankfurt.org/Nachrichten/occupy-frankfurt.html

Der Soziologe Oliver Nachtwey wagt einen Ausblick: "Die Occupy-Bewegung steht dagegen erst am Anfang eines neuen Bewegungszyklus, sie wird in den kommenden Monaten auch Rückschläge verkraften müssen. Es wird dauern, bis sich etwas bewegt. Die Welt wird nicht an einem Tag verändert. Aber wir haben eine Welt zu gewinnen."

Eine Woche später gab es wieder zahlreiche Demonstrationen, wenn auch in kleinerem Umfang. Die Proteste gehen also weiter. Wir wagen uns ins Getümmel und halten euch auf dem Laufenden... Eure BUKO



10) Bernhard Schmid: Die arabische Revolution?

Anfang 2011 hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass die seit Jahrzehnten bestehenden Regimes in der arabischen Welt so schnell ins Wanken geraten könnten.

Doch nachdem sich in Tunesien aus Sozialprotesten eine Revolte gegen den Diktator Ben 'Ali entfaltete, wackelten die arabischen Herrscher: Zuerst fiel Ben 'Ali, dann Mubarak. Als nächstes könnte die syrische Diktatur oder das Regime von Präsident Saleh im Jemen stürzen, allerdings drohen dort auch Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen. In Libyen kippte das Geschehen von der Revolte in einen Bürgerkrieg, und von diesem in einen internationalen Krieg um. Während manche "Linke" sich noch nicht recht entscheiden können, ob Syriens Präsident Al-Assad nicht doch ein irgendwie "sozialistisches" oder jedenfalls "antiimperialistisches" Regime führt oder wie man zu Libyen steht, sehen andere vor allem die Sicherheit Israels bedroht. Doch was wollen die Protestierenden? Wie verhält es sich mit den Kräfteverhältnissen in Bewegung und Gesellschaft und wie sind die Geschehnisse aus emanzipatorischer Sicht zu bewerten? Diese Fragen diskutiert Bernhard Schmid und nimmt dabei sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede in den verschiedenen arabischen Ländern in den Blick. Ferner wird das Verhältnis des Westens zu "seinen" arabischen Diktatoren beleuchtet.

Bernhard Schmid: Die arabische Revolution?
Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten,
Edition Assemblage, 120 Seiten, 12.80 Euro, Oktober 2011:
http://www.edition-assemblage.de/die-arabische-revolution/


11) Mikrofinanz-Industrie - Das Geschäft mit der Armut

Wer denkt bei dem Stichwort Mikrokredite nicht an Bangladesh, Armutsbekämpfung, Gemeinwohl? Das positive Image der Mikrokredite als Strategie gegen Armut hält sich bis heute. Nicht zuletzt wegen Muhammad Yunus, über den Entwicklungsminister Dirk Niebel sagt, er habe "mit der Grameen Bank vorgemacht, dass man auch mit ganz armen Menschen nachhaltige Bankgeschäfte tätigen kann". Dafür bekam Yunus 2006 den Friedensnobelpreis und wurde zum Symbol des guten Samariters.

So weit die Mär, so weit der Mythos. Weniger bekannt ist die Kehrseite der Mikrofinanz-Industrie, wie die englische Bezeichnung lautet. Es handelt sich um ein Geschäftsmodell, das Gemeinschaften in vielen Ländern in die Überschuldung treibt. Die Folgen sind psychosozialer Druck, Pfändung und Enteignung bis hin zu Suizid. Dabei sollte schon eine einzige Zahl genügen, um den Glauben an die wohltätige Wirkung der Mikrofinanz zu verlieren: 38 Prozent. So hoch sind die effektiven Zinssätze für Mikrokredite im weltweiten Durchschnitt.

Gerhard Klas, freier Journalist aus Köln, beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. Sein Buch ist die erste Publikation in deutscher Sprache, die sich kritisch mit der Mikrofinanz-Industrie auseinandersetzt. Er schreibt über Allianzen von Investoren, Banken und NGOs, zeichnet den Paradigmenwechsel der "Entwicklungshilfe" nach, räumt mit den Mythen der Mikrofinanzwelt auf und zieht nicht zuletzt die Querverbindungen zum reichen Deutschland. Für ihn steht fest: Die Mikrofinanz ist - gemessen an ihren proklamierten Zielen - eine Geschichte des Scheiterns. "Ethisches Investment" ist eine Illusion. Das Kreditgeschäft funktioniert auf Kosten und nicht zum Nutzen der Armen.

Gerhard Klas: Die Mikrofinanz-Industrie.
Die große Illusion oder das Geschäft mit der Armut,
Assoziation A, 320 Seiten, Oktober 2011, 19.80 Euro



12) Europa macht dicht

Die Festung Europa nimmt Gestalt an. In den letzten Jahren hat es die EU geschafft, mit repressiven Mitteln ihre Außengrenzen für Flüchtlinge immer unüberwindbarer zu machen. Die Situation an den Rändern der EU eskaliert, in den Flüchtlingslagern wie etwa auf Lampedusa drohen humanitäre Katastrophen.

Es ist ein Skandal: Die EU schottet sich ab gegen Flüchtlinge, deren Armut sie durch ihre fragwürdige Subventionspolitik zum Beispiel in Afrika zu großen Teilen mit verursacht. Die Folgen: Für Flüchtlinge wird es immer gefährlicher, in die EU zu gelangen, es wird geschätzt, dass jeder vierte Flüchtling im Mittelmeer ertrinkt; für Schlepperbanden hingegen wird dieser "Geschäftszweig" immer lukrativer. Jürgen Gottschlich und Sabine am Orde zeigen die fatale Preisgabe der Menschenrechte an Europas Grenzen, untersuchen die fragwürdige Rolle der EU-Grenzagentur Frontex und fordern eine neue Flüchtlings- und Einwanderungspolitik für Deutschland und für Europa.

Jürgen Gottschlich, Sabine am Orde: Europa macht dicht.
Wer zahlt den Preis für unseren Wohlstand?,
Westendverlag, 192 S., 12.99 Euro
http://westendverlag.de/westend/buch.php?p=62


13) Meine Seele hat kein Geschlecht. arte-Dokumentation

ACHTUNG: Nur noch bis Sonntag online zu sehen!!

Beeindruckend ist die französische Reportage "Meine Seele hat kein Geschlecht", die am 23.10. auf arte ausgestrahlt wurde. Der Film zeigt vier als Frauen geborene Menschen in ihrem neuen Leben als Männer.


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Quelle:
BUKO News vom 26.10.2011
BUKO Büro (Bundeskoordination Internationalismus)
Sternstr. 2, 20257 Hamburg
E-Mail: mail@buko.info
Internet: www.buko.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2011