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INTERNATIONAL/075: Ägypten: "Wir leben in einem modernen Land" - TV-Ansagerin will Präsidentin werden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2011

Ägypten: "Wir leben in einem modernen Land" - TV-Ansagerin will Präsidentin werden

von Adam Morrow und Khaled Moussa al-Omrani


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Buthaina Kamel will Staatspräsidentin werden
Bild: © Khaled Moussa al-Omrani/IPS

Buthaina Kamel will Staatspräsidentin werden - Bild: © Khaled Moussa al-Omrani/IPS


Kairo, 23. Dezember (IPS) - Wenn in Ägypten die nächsten Präsidentschaftswahlen stattfinden, wird erstmals auch eine Frau antreten. Buthaina Kamel weiß, dass ihre Chancen gering sind. Trotzdem lässt sie sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen.

"Ich kandidiere für das Präsidentenamt, um der Welt zu zeigen, dass Ägypten ein modernes Land ist, in dem sich auch Frauen um die höchsten Positionen im Staat bewerben können", sagt die 49-jährige TV-Nachrichtensprecherin. "Das ist ein grundlegendes Menschenrecht, wie das Wahlrecht."

Das Datum für die Präsidentschaftswahl steht noch nicht fest. Bisher war von 2012 die Rede. Der Oberste Rat der Streitkräfte (SCAF), der das Land seit der Absetzung Mubaraks im Februar regiert, hat immerhin zugesagt, dass die Wähler spätestens 2013 ihre Stimme abgeben können.

Kamel arbeitete zunächst für den staatlichen Rundfunk, bevor sie in den neunziger Jahren durch das Fernsehen bekannt wurde. Seit dem umstrittenen Verfassungsreferendum 2005 engagiert sie sich auch politisch. Schon bald wurde sie eine begeisterte Anhängerin der Protestbewegung 'Kefaya' und kritisierte in der Öffentlichkeit das Mubarak-Regime.


Von Anfang an auf den Tahrir-Platz dabei

Als im vergangenen Januar in Ägypten die Revolution ausbrach, war Kamel von Anfang an dabei. "Als die Revolte am 25. Januar begann, war ich auf dem Tahrir-Platz", erinnert sie sich. Nach Mubaraks Abgang arbeitete sie wieder für das Staatsfernsehen. Von ihren Vorgesetzten wurde sie aber gemobbt, weil sie sich weigerte, Nachrichten einfach vom Teleprompter abzulesen. Seither sei sie mehrfach von den Militärbehörden befragt worden, zuletzt nach ihrer öffentlichen Kritik am Militärrat, erzählt sie.

Den entscheidenden Impuls zu ihrer Präsidentschaftskandidatur erhielt sie von couragierten jungen Aktivisten, darunter auch zahlreiche Frauen, die sie während der 18-tägigen Unruhen traf. "Ich habe großes Vertrauen in die jungen Leute in Ägypten und ihre Fähigkeiten, das Land künftig zu führen", bekennt Kamel. "Frauen haben während der Revolution eine große Rolle gespielt, und viele wurden als Märtyrerinnen getötet."

Die ägyptische Verfassung von 1956 garantiert Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Dennoch haben während der 30-jährigen Herrschaft von Mubarak nur wenige Ägypterinnen den Sprung in die Politik gewagt. Nach Angaben des unabhängigen Zentrums für Entwicklung in Kairo hielten Frauen zwischen 1981 und 2010 nur zwei Prozent der Sitze im Parlament und übten weniger als fünf Prozent der Mandate in den Stadträten aus.

Auf eine bestimmte politische Richtung legt sich Kamel nicht fest. Mit einer der zahlreichen liberalen Parteien, die sich im Zuge der politischen Wende gebildet haben, will sie sich nicht verbünden. Stattdessen plant sie als unabhängige Kandidatin in den Wahlkampf zu ziehen.

Ihre Energien will sie vor allem darauf richten, die Lage aller 'entrechteten Ägypter' zu verbessern. Sie setze sich nicht nur für Frauen ein, sondern auch für ethnische Minderheiten, Arme, ältere Menschen und Behinderte. Kamels politisches Programm zielt nach ihren Worten vor allem darauf ab, "gegen Korruption und Arbeitslosigkeit zu kämpfen".


Muslim-Brüder gegen weibliches Staatsoberhaupt

Dass der größte Teil der Bevölkerung sich keine Frau an der Spitze des Staates vorstellen kann, ist für Kamel die größte Herausforderung. In dem vorwiegend von Muslimen bewohnten Land lehnen vor allem islamische Parteien und Gruppen, darunter die bei den Parlamentswahlen siegreiche Muslim-Bruderschaft, einen solchen Vorstoß ab.

Esmat al-Merghani, als Chefin der Freien Sozialistischen Partei die erste Ägypterin in einer solchen Position, stärkt Kamel den Rücken. "Buthainas Präsidentschaftskandidatur wird den Ruf Ägyptens als modernes, zivilisiertes Land fördern", sagt sie IPS. "Selbst wenn sie nicht gewinnt, wird sie den Frauen eine neue Tür zum Fortschritt öffnen." (Ende/IPS/ck/2011)


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http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105654

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2011