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BERICHT/937: Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen in Entwicklungsländern (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 107, 1/09

Heiße Zeiten
Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen in Entwicklungsländern

Von Julia Kerschbaumsteiner


Der Klimawandel zeigt bereits jetzt Auswirkungen auf Menschen in Entwicklungsländern. Neben der ständigen Gefahr von Naturkatastrophen sind es vor allem die langsamen Veränderungen, die das Alltagsleben in Entwicklungsländern langfristig beeinträchtigen. Vor allem Frauen sind zusätzlichen Gefährdungen durch den Klimawandel ausgesetzt. Die Kampagne "Klima fair bessern!" der katholischen Hilfswerke in Österreich macht darauf aufmerksam, welche Möglichkeiten Menschen in Entwicklungsländern haben, sich nachhaltig an die veränderte klimatische Situation anzupassen. Sie fordert die österreichische Politik auf, auf internationaler Ebene gegen den weiteren Klimawandel sofort aktiv zu werden.


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Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario. Dass Menschen in Entwicklungsländern täglich mit veränderten Lebensbedingungen konfrontiert sind, wird in der Arbeit der Hilfsorganisationen deutlich. Die Erreichung der Millennium Development Goals, zu der sich unter anderem die Geberländer verpflichtet haben, ist durch die aktuelle Klimakrise zusätzlich gefährdet - der Klimawandel ist Gegenwart.


Auswirkungen des Temperaturanstiegs

Die globale Durchschnittstemperatur ist seit dem Beginn des industriellen Zeitalters um 0,74° C angestiegen und dieser Trend ist im Begriff, sich fortzusetzen. Diese Zahl scheint zunächst harmlos. Jedoch entstehen ab einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von 2° C gefährliche Rückkoppelungseffekte, wie etwa das Freiwerden von Kohlendioxid aus der Vegetation und ein damit verbundener rasanter Temperaturanstieg, die katastrophale Auswirkungen für das Leben auf diesem Planeten hätten. Es zeigt sich also die Dringlichkeit des sofortigen Handelns!

Während bei uns "nur" Gletscher nach und nach verschwinden, wirkt sich der Temperaturanstieg in anderen Regionen der Erde bereits deutlich aus: Wüsten dehnen sich in die fruchtbaren Gebiete aus, Niederschläge bleiben aus - was lange Dürreperioden mit sich bringt - oder sind ungeahnt heftig und führen zu Überschwemmungen. Tropische Krankheiten wie Malaria oder Durchfallerkrankungen treten in Gegenden auf, die bisher davon verschont blieben. Extreme Wetterereignisse wie tropische Wirbelstürme, Überschwemmungen und Dürrekatastrophen werden durch den Klimawandel immer häufiger.

Niederschläge sind in vielen Regionen kaum mehr vorhersagbar. Dies erschwert den ärmsten Menschen in Entwicklungsländern, die zu einem Großteil von der landwirtschaftlichen Produktion abhängig sind, die Versorgung mit Gemüse, Getreide und den Gütern des täglichen Lebens. Tom Deyongera, Projektpartner der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, berichtet von der Situation im Südosten Ugandas: "Die Regelmäßigkeit des Niederschlags verändert sich und das betrifft uns alle. Besonders die früher sehr verlässliche Hauptregenzeit von März bis Juni wird immer unverlässlicher. Der Regen ist weniger nützlich, weil er, wenn er kommt, sehr stark ist und deshalb mitunter sogar schaden kann. Unsere Anbauzeiten hängen vom Regen ab und werden immer kürzer. Der Regen kommt manchmal sehr früh und hört dann einfach auf, wenn es eigentlich noch weiter regnen sollte. Wegen der Trockenheit verlieren die Familien dann ihre Saat. Manchmal kommt der Regen in heftigen Wolkenbrüchen, die Bodenerosion verursachen und die Samenkörner wegspülen."


Frauen als Leidtragende

Frauen treffen die Veränderungen am härtesten. Sie sind in vielen Gesellschaften von einer Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen und verbleiben so im häuslichen privaten Bereich. Frauen haben einen schlechteren Zugang zu Bildung, ärztlicher Versorgung und gesellschaftlicher Partizipation. Der Klimawandel trägt in vielen Fällen zusätzlich zur Verstärkung traditioneller Rollenbilder bei.

In einem Bericht der Organisation Oxfam wird aufgezeigt, weshalb Frauen in Entwicklungsländern verstärkt unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Kate Raworth beschreibt darin, dass Frauen in vielen Gesellschaften für die Beschaffung, Herstellung und Zubereitung von Nahrungsmitteln verantwortlich sind. Aufgrund der wenigen ökonomischen und sozialen Alternativen sind Frauen vielerorts gezwungen, extreme Maßnahmen zu ergreifen, um trotz der veränderten ökologischen Bedingungen die Bedürfnisse der Familien befriedigen zu können. Durch den Anstieg der Meeresspiegel und Überflutungen sind viele Brunnen mit Salz verseucht und können daher nicht mehr genutzt werden. Frauen müssen daher weitere Wege für die Beschaffung von sauberem Trinkwasser zurücklegen. Weil sie sich deshalb lange Zeit außerhalb des Hauses aufhalten, erfahren sie oft häusliche Gewalt durch die Ehemänner.

Häufig trinken die Frauen in Gegenden mit spärlich vorhandenen Quellen verunreinigtes Wasser, was sich in vielen Fällen auf die Gesundheit der Frauen auswirkt: Erkrankungen des Verdauungstraktes und Früh- oder Totgeburten sind oft die Folge von der Aufnahme von salzigem oder verunreinigtem Wasser. Unterernährung wird vor allem bei Frauen festgestellt. Tendenziell sind es die Frauen, die zuerst auf regelmäßige Nahrungszunahme verzichten, um eine ausreichende Ernährung der Ehemänner und Söhne auch in Notzeiten zu gewährleisten.


"Klima fair bessern!"

Die von den österreichischen katholischen Hilfswerken getragene Kampagne "Klima fair bessern!" zeigt auf, dass sich Menschen in Entwicklungsländern bis zu einem gewissen Grad an den Klimawandel anpassen. Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar in Österreich unterstützt eine Reihe von Programmen, die eine nachhaltige Anpassung an den Klimawandel ermöglichen. So entstehen Projekte, die insbesondere die Ernährungssituation in Entwicklungsländern entschärfen sollen. In Uganda wurden etwa Hausgärten entwickelt, die auch während der Trockenperioden mit dem wenigen Wasser, das im Haushalt anfällt, auskommen und so die ganze Familie mit Gemüse versorgen. Um die Abhängigkeit von Regenfällen zu reduzieren, wird nun vermehrt Geflügel gezüchtet, um auch während der Dürrezeiten Essen und Einkommen zu gewährleisten.

Mit der Kampagne "Klima fair bessern!" wird auf die Situation der Menschen in Entwicklungsländern aufmerksam gemacht und die gemeinsame Verantwortung für ein besseres Klima für alle Menschen ins Zentrum gerückt. Die österreichische Bevölkerung wird über die Notwendigkeit, sich jetzt aktiv gegen den weiteren Klimawandel zu engagieren, informiert. Die österreichische Politik wird dazu aufgefordert, sich auf internationaler Ebene für eine Klimapolitik einzusetzen, die die Situation aller Menschen berücksichtigt. Das internationale Rahmenabkommen der Vereinten Nationen zum Klimawandel, das im Dezember 2009 neu verhandelt wird, soll sicherstellen, dass insbesondere Gruppen, die aufgrund traditioneller Marginalisierung am stärksten unter dem Klimawandel leiden, von Anpassungsmaßnahmen profitieren. Ausreichende, zusätzliche, vorhersehbare, gesicherte und leicht zugängliche Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern sind die Forderungen von "Klima fair bessern!".


Internationale Vernetzung

Mit diesen Forderungen steht die österreichische Kampagne nicht alleine: International engagieren sich immer mehr Entwicklungsorganisationen im Kampf gegen den weiteren Temperaturanstieg. So hat der deutsche Dachverband Weltladen die Kampagne "Fairer Handel schafft gutes Klima" ins Leben gerufen. Ein globales Klimabündnis mit der Teilnahme von Umwelt-Entwicklungs- und humanitären Organisationen wird angedacht, was einen weiteren Schritt in die Richtung einer ganzheitlichen Behandlung des Problems Klimawandel darstellen würde. Ein zentrales Element vieler bestehender Kampagnen ist die Partizipation der am meisten betroffenen Gruppen.

Um tatsächlich Nutznießerinnen der Finanzierung für Anpassung an den Klimawandel zu sein, müssen Frauen in Entwicklungsländern selbst über gangbare Wege und Methoden der Anpassung entscheiden können. Der nachhaltige Erfolg eines Klimaabkommens kann nur dann sichergestellt werden, wenn diejenigen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, die Inhalte und deren Umsetzung mitgestalten können: die Frauen.


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Literaturtipps:

Raworth, Kate: Coping with Climate Change: What Works for Women? (Oxford 2008). Nachlesbar unter:
http://www.oxfam.org.uk/resources/papers/free_print_copy.html.

Kromp-Kolb, Helga/Formayer, Herbert: Schwarzbuch Klimawandel: Wie viel Zeit bleibt uns noch? (Salzburg 2005).
www.klimafairbessern.koo.at


Zur Autorin:
Julia Kerschbaumsteiner studierte Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Zurzeit ist sie Referentin der Kampagne "Klima fair bessern" der katholischen Hilfswerke in Österreich. Sie lebt und arbeitet in Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 107, 1/2009, S. 10-11
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Berggasse 7, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-355
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Inland 20,- Euro; Ausland 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2009