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RUSSLAND/129: Vor 20 Jahren begann der erste Krieg in Tschetschenien


Presseerklärung vom 11. Dezember 2014

11.12.1994 - 11.12.2014:
Vor 20 Jahren begann der erste Krieg in Tschetschenien

Spirale der Gewalt dreht sich weiter - bis heute kein Frieden im Nordkaukasus



Vor 20 Jahren begann am 11. Dezember 1994 der erste Krieg in Tschetschenien, erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker. "Bis heute dreht sich dort die Spirale der Gewalt, der russischen Regierung ist es nicht gelungen, Frieden zu schaffen", zieht die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke Bilanz. "Statt auf die Tschetschenen zuzugehen und im Dialog eine friedliche Lösung zu suchen, setzen die Regierungen in Moskau und Grosny auf Gewalt und Unterdrückung. Schwere Menschenrechtsverletzungen haben dazu beigetragen, dass sich der tschetschenische Widerstand im Laufe der Jahre immer mehr radikalisiert hat - zu Lasten der Zivilisten. Mit Wladimir Putin, der zum zweiten Tschetschenienkrieg 1999 aufrief, sind Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit im Nordkaukasus unmöglich."

Der erste Tschetschenienkrieg endete mit einem Waffenstillstand im August 1996. Offiziellen Angaben zufolge wurden in den beiden Kriegsjahren rund 50.000 Zivilisten, 5.042 russische Soldaten, und mehr als 2.300 tschetschenische Kämpfer getötet. Es gab 16.098 Verletzte, Zehntausende Flüchtlinge und massive Zerstörungen in der Kaukasus-Republik. Der materielle Schaden wird auf mehr als 5,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die GfbV geht von einer weit höheren Zahl von Toten aus. Es könnte bis zu 80.000 Opfer im ersten Krieg gegeben haben.

Der zweite Tschetschenienkrieg begann unter Putins Führung 1999 und endete offiziell zehn Jahre später. Russische Truppen begingen schwere Kriegsverbrechen. Flüchtlingstrecks wurden von der Luftwaffe bombardiert, Krankenhäuser, Schulen und Dörfer gezielt beschossen. Schließlich verhalf Putin erst dem Vater des tschetschenischen Gewaltherrschers Ramzan Kadyrow, dann Ramzan Kadyrow selbst an die Macht, der sein Volk mit äußerster Brutalität regiert.

Frieden ist in Tschetschenien nicht eingekehrt: Erst am 4. Dezember wurde ein schwerer Anschlag auf das Pressehaus in Grosny verübt, bei dem elf Terroristen und 14 Polizisten ums starben und 36 Polizisten verletzt wurden. Daraufhin kündigte Kadyrow Vergeltung an: Eltern seien verantwortlich für die Taten ihrer Kinder, Angehörige von Terroristen würden aus Tschetschenien ausgewiesen, ihre Häuser bis auf die Grundmauern zerstört. Am 6. und 7. Dezember wurden bereits sechs Häuser von Angehörigen der mutmaßlichen Attentäter im Dorf Yandi, Bezirk Urus-Martan, in Engel-Jurt, Bezirk Gudermes, und in der Nähe des Ortes Gudermes zerstört.

Bereits in den vergangenen Jahren wurden nach Angaben der GfbV Häuser mutmaßlicher Terroristen und ihrer Familien niedergebrannt. Besonders aus dem Jahr 2009 sind solche Fälle dokumentiert. "Das sind nur wenige Beispiele für die schweren Menschenrechtsverletzungen, die nach wie vor den Alltag in Tschetschenien prägen - neben der ständigen Angst vor der brutalen Willkür des Staates", sagte Reinke.

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Quelle:
Presseerklärung Berlin/Göttingen, den 11. Dezember 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2014


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