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RUSSLAND/099: Rußland - David gegen Goliath - Menschenrechtler von Kadyrow verklagt


Presseerklärung vom 28. August 2009

Prozessbeginn in Moskau (31.08.2009)

David gegen Goliath:
Leiter der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL von tschetschenischem Präsidenten verklagt


Als "Kampf von David gegen Goliath" bezeichnet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die mutige Auseinandersetzung des Leiters der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow, mit dem tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow. "Wie David, der nicht nach den Regeln des vermeintlich Stärkeren kämpft und gewinnt, brechen die Mitarbeiter von Memorial bei ihrer täglichen Menschenrechtsarbeit die Regeln, die der Staat vorgibt", sagt die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke (Berlin). "Der moralische Sieg ist ihnen gewiss: Sie decken Menschenrechtsverletzungen auf, dokumentieren Verbrechen, nennen mutmaßliche Täter öffentlich beim Namen."

Am Montag beginnt in Moskau ein Verleumdungsprozess gegen Orlow, weil er Kadyrow des Mordes an der Memorial-Mitarbeiterin Natalja Estemirowa beschuldigt hat. Der Menschenrechtler hatte erklärt: "Wir wissen nicht, ob er selbst den Befehl gegeben hat oder einer seiner engen Vertrauten, um ihm zu gefallen." Gleichzeitig hatte Orlow darauf aufmerksam gemacht, dass Kadyrow die Mitarbeiter von Memorial immer wieder kritisierte und vor allem Natalja Estemirowa als "seine persönliche Feindin" bezeichnete.

"Der Prozess gegen Orlow kann zur Nagelprobe für die Unabhängigkeit der russischen Justiz werden, denn er lenkt die Aufmerksamkeit im Mordfall Estemirowa auf den tschetschenischen Machthaber", hofft Reinke. "Wenn das Verfahren dazu dient, die Hintergründe der Tat zu beleuchten, ist das schon ein großer Erfolg für die Seite der Menschenrechtsverteidiger Russlands und Tschetscheniens."

Bislang machen die Ermittlungen im Fall Estemirowa keinen Fortschritt. Die 50 Jahre alte Menschenrechtlerin war am 15. Juli 2009 in Grosny entführt und Stunden später in der Nachbarrepublik Inguschetien ermordet aufgefunden worden. Sie ist eine von mehreren Mitarbeitern aus den Reihen von Memorial, die nie aufgeklärten Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 28. August 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2009