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RUSSLAND/094: Inguschetien - Kriegsgefahr wächst nach Anschlag auf Präsidenten


Presseerklärung vom 22. Juni 2009

Anschlag auf Präsident Junus-Bek Jewkurow

GfbV warnt vor Kriegsgefahr in Inguschetien


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer zunehmenden Kriegsgefahr in Inguschetien. Nach dem Bombenanschlag auf den Präsidenten der russischen Teilrepublik, Junus-Bek Jewkurow, am Montagmorgen in der Nähe von Nasran erklärte die Menschenrechtsorganisation zum Hintergrund der Bluttat: "Inguschetische Kämpfer erschießen gezielt ranghohe Politiker, der inguschetische Sicherheitsapparat reagiert darauf mit äußerster Brutalität und nimmt dabei keine Rücksicht auf Zivilisten. So schaukelt sich die Gewalt seit Monaten hoch. Das von Russland unterstützte gewaltsame Vorgehen der Sicherheitsbehörden trägt nicht zur Beruhigung, sondern zu Eskalation der angespannten Situation bei."

Beispiele für unverhältnismäßige Gewaltanwendung nannte die international anerkannte tschetschenische Menschenrechtlerin Zainap Gaschajewa in einem Telefonat mit der GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke: "Vor zwei Monaten wurde das Haus der Familie Dachilgiew in Inguschetien beschossen. Mehrere Kämpfer hatten sich darin versteckt. Sie flüchteten, doch die Sicherheitskräfte wüteten weiter. Frauen und auch kleine Kinder mussten zusehen, wie ihr Haus zerstört wurde." Die Situation in Inguschetien erinnere an die Lage in Tschetschenien, bevor dort der Krieg ausbrach. Es gebe Provokationen der Kämpfer, auf die Polizei und Militär mit großer Brutalität reagierten. "Wir konnten etliche Fälle von Folter Unschuldiger, Verschwindenlassen und Hinrichtungen dokumentieren", betonte Gaschajewa.

"Unser Brudervolk, die Inguschen, die während des Krieges in Tschetschenien Hunderttausende unserer Flüchtlinge aufgenommen haben, sind heute in keiner besseren Lage als wir", sagte Zainap Gaschajewa. "Die Eskalation der Gewalt in den letzten Wochen ist ein Resultat der Politik der Konfrontation, die Moskau im Nordkaukasus vorangetrieben hat."

In den ersten vier Monaten des Jahres 2009 wurden in Inguschetien nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial 59 Morde verübt, im Vergleichzeitraum 2008 nur neun Die wirtschaftliche Lage sei geprägt von Armut. Die Arbeitslosenquote läge bei bis zu 70%.

Am 10. Juni wurde die stellvertretende Vorsitzende des Obersten Gerichts der Republik Inguschetien, Asa Gasgirejewa tödlich getroffen, als sie ihre Kinder in einem Kindergarten abliefern wollte. Am 13. Juni wurde Baschir Auschew, der frühere stellvertretende Innenminister Inguschetiens in der Nähe seines Hauses in Nasran erschossen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Berlin, den 22.06.2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2009