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NAHOST/251: Christliche Minderheit in Ägypten in Bedrängnis - IS ermordet koptischen Priester


Presseerklärung vom 1. Juli 2016

Christliche Minderheit in Ägypten in Bedrängnis

IS ermordet koptischen Priester


Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat am Donnerstag in Ägypten einen koptischen Priester ermordet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtete am Freitag, der 46 Jahre alte Raphael Moussa von der Mar Girgis-Kirche in der Stadt El Arish im Norden der Sinai-Halbinsel sei nach einem Gottesdienst von einem Schützen auf dem Parkplatz neben seiner Kirche gezielt niedergeschossen worden. Der IS bekannte sich in einer über soziale Medien verbreiteten Erklärung zu dem Mord. Der koptische Geistliche sei exekutiert worden, weil er angeblich den Islam bekämpfe.

"Dieser Terroranschlag macht deutlich, wie sehr die Kopten in Ägypten von allen Seiten bedrängt und in ihrer Glaubensfreiheit und Existenz bedroht werden", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. Es käme immer wieder zu Attacken islamistischer Extremisten. So sei am 17. Juni 2016 das in der Nähe der Stadt Alexandria im Nildelta gelegene christliche Dorf Qarayat al Bayda nach dem Freitagsgebet angegriffen worden. Die Angreifer vermuteten, dass ein im Bau befindliches Haus später als koptische Kirche genutzt werden könnte. Diese Annahme stellte sich später als unbegründet heraus. Bei dem Angriff wurden 80 von Kopten bewohnte Häuser zerstört. Der koptische Geistliche Vater Karas Naser wurde tätlich attackiert. Die Kopten hatten die Polizei zur Hilfe gerufen. Die Ordnungshüter unternahmen jedoch nichts gegen die Zerstörung der Häuser, sondern nahmen sechs Kopten und sechs Muslime in Gewahrsam. Während die Muslime kurz darauf ohne weitere Ermittlungen wieder freigelassen wurden, mussten die sechs Christen die Nacht in Untersuchungshaft verbringen. Sie wurden erst am nächsten Tag gegen eine Kaution entlassen. Gegen sie wurden Ermittlungsverfahren wegen vermeintlicher illegaler religiöser Betätigung und Bauens ohne Baugenehmigung eingeleitet.

Aus Angst vor gewaltsamen Protesten islamischer Extremisten haben die Behörden bisher regelmäßig die Erteilung von Baugenehmigungen für Kirchen verweigert. Im September 2016 soll das Parlament nun endlich ein neues Gesetz verabschieden, in dem die Errichtung und die Renovierung von Kirchen so geregelt sind, dass die Glaubensfreiheit der im Land leben Christen gewährleistet wird.

Angriffe auf Kopten gibt es auch in ihrem Hauptsiedlungsgebiet im Süden Ägyptens. Dort plünderte ein Mob von 200 Angreifern Ende Mai 2016 in dem Dorf Al Karam von Kopten bewohnte Wohnungen und zerstörte mindestens sieben Häuser. Bei dem Angriff wurde auch die 70 Jahre alte Koptin Soaad Thabet von islamischen Extremisten auf die Straße gezerrt, gewaltsam entkleidet, geschlagen und durch die Straßen getrieben. Auslöser des Überfalls waren Gerüchte über eine angebliche Liebesaffäre zwischen ihrem Sohn und einer Muslima.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. Juli 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2016

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