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NAHOST/241: Türkei - Ankara soll sechs syrische Kurden an Islamisten ausgeliefert haben


Presseerklärung vom 28. August 2015

Verletzt Ankara humanitäres Völkerrecht?

Schwere Vorwürfe gegen die türkische Regierung:
Behörden sollen sechs verwundete syrische Kurden an Islamisten ausgeliefert haben


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die türkische Regierung am Freitag dringend dazu aufgefordert, offiziell zu den Vorwürfen der Kurden aus dem syrischen Kanton Afrin Stellung zu nehmen, sechs verwundete syrische Kurden an die islamistische al-Nusra-Front ausgeliefert zu haben. Gleichzeitig wandte sich die Menschenrechtsorganisation an das Internationale Rote Kreuz mit der Bitte, nach den sechs vermissten Kurden zu suchen. Dann werde sich auch herausstellen, ob die Türkei tatsächlich das humanitäre Völkerrecht in so eklatanter Weise verletzt hat.

Der Exekutivrat des mehrheitlich von Kurden bewohnten syrischen "Kantons Afrin" hat den türkischen Behörden in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung vorgeworfen, bereits am 25. Juli 2015 sechs verwundete Angehörige der kurdischen Bürgerwehreinheiten (YPG) an die al-Nusra-Front, den syrischen Zweig der islamistischen Terrororganisation al-Kaida, ausgeliefert zu haben, teilte die GfbV mit. Die sechs Kurden gehörten der kurdischen Bürgerwehr YPG an. Sie sollen im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) verwundet worden sein und sich zur medizinischen Behandlung in der Türkei befunden haben.

"Die Regierung in Ankara muss umgehend bekannt geben, wo sich die sechs Kurden jetzt befinden", erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido in Göttingen. Bei den sechs Kurden handelt es sich um Ahmad Sherko, Omer Qadir, Reber Sheikho, Ahmad Helum, Jamal Ahmad und Bashir Mohammad. Sie sollen von türkischen Sicherheitskräften in der Nähe des syrisch-türkischen Grenzübergangs Bab al-Hawa an Anhänger von al-Nusra übergeben worden sein. Dieser Grenzübergang führt von der türkischen Provinz Hatay in die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens. Bab al-Hawa ist seit Juli 2012 in der Hand der al-Nusra-Front bzw. anderer islamistischer Gruppen, die von der türkischen Regierung gegen das Regime in Damaskus unterstützt werden.

Die in Nordsyrien operierenden Bürgerwehreinheiten (YPG) bestehen meistens aus Kurden und sind die einzigen, die dort unter großer Opferbereitschaft alle Zivilisten unabhängige von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit erfolgreich gegen die Radikalislamisten schützen.

Afrin ist neben Kobani und Cazire einer der drei mehrheitlich von Kurden besiedelten Enklaven Syriens, die sich 2012 gegen die Widerstände des syrischen Regimes und der islamistischen Opposition für autonom erklärt haben. Afrin liegt im äußersten Nordwesten des Landes und wird von verschiedenen radikalislamistischen Gruppen ständig bedroht und eingekesselt. Die Zahl der Einwohner von Afrin wird auf rund 700.000 Einwohner geschätzt. Viele davon sind kurdische oder arabische Flüchtlinge aus dem umkämpften Aleppo.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 28. August 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2015

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