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NAHOST/119: Steinmeier in Syrien - für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen


Presseerklärung vom 6. Juli 2009

ZUR SOFORTIGEN WEITERLEITUNG

An Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier,
Fax 030-5000-3402

Setzen Sie sich in Syrien für die Freilassung politischer Gefangener ein und distanzieren Sie sich von Schäubles Rückübernahmeabkommen mit dem totalitären Regime!


Sehr geehrter Herr Minister,

nach Ihren Gesprächen in Israel werden Sie in Syrien erwartet. Im Namen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appelliere ich dringend an Sie, sich dort für die Freilassung des inhaftierten kurdischen Menschenrechtlers Maschal Tamo einzusetzen. Er wurde wegen angeblicher "Schwächung des Nationalgefühls und der Verbreitung falscher Meldungen zur Schwächung des Geistes der Nation" zu drei Jahren Haft verurteilt. Tatsächlich wurde er jedoch für sein Menschenrechtsengagement bestraft. So berichtete er der GfbV regelmäßig über die Unterdrückung und Verfolgung der kurdischen Bevölkerung Syriens.

Sehr eindringlich möchte ich Sie jedoch bitten, sich in Damaskus von dem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unterzeichneten syrisch-deutschen Rückübernahmeabkommen zu distanzieren. Denn es ist ein Skandal, dass ausgerechnet mit dem totalitären Syrien ein Abkommen über die Auslieferung von Minderheitenangehörigen an ihre Verfolger unterzeichnet wurde. Eine Abschiebung nach Syrien wird für die Betroffenen zur Deportation, denn dort erwarten sie Folter und Gefängnis! Bitte machen Sie deutlich, dass Deutschland an dem Schicksal der Flüchtlinge Interesse hat und sie ihren Verfolgern nicht ausliefern wird, wie es offenbar Ihr Kollege Schäuble beabsichtigt. Bis zu 7.000 Flüchtlinge, die meisten von ihnen Kurden (Muslime und Yeziden) sowie christliche Assyro-Aramäer, droht die Abschiebung aus Deutschland nach Syrien. Viele Flüchtlingsfamilien leben schon mehr als zehn Jahre bei uns und ihre Kinder, die nur Deutsch und etwas Kurdisch sprechen, hätten im arabisch-sprachigen Syrien keine Chance.

In Syrien gibt es etwa 3000 politische Gefangene, darunter mindestens 150 Kurden. In den Gefängnissen wird systematisch gefoltert und misshandelt. Nicht selten sterben Folteroper daran. Auch Todesurteile werden in Syrien noch immer vollstreckt, Gerichtsverfahren missachten rechtsstaatliche Prinzipien, und der Oberste Staatsgerichtshof lässt unter Folter erzwungene Aussagen als Beweise zu.

Die etwa zwei Millionen Kurden Syriens sind einer planmäßigen Arabisierungspolitik ausgesetzt. Sie werden diskriminiert und unterdrückt, haben keine sprachlichen und kulturellen Rechte. Rund 300.000 von ihnen wird die Staatsbürgerschaft vorenthalten. Sie sind vollkommen rechtlos! Doch auch christlichen Assyro-Aramäern drohen Gefängnis und Folter, wenn sie sich politisch beispielsweise in der illegalen oppositionellen assyrischen Organisation ADO engagieren. Angehörigen der kurdischen yezidischen Religionsgemeinschaft werden wie alle Kurden als "Bürger zweiter Klasse" behandelt. Darüber hinaus sind sie als Nicht-Muslime auch Übergriffen der muslimischen Bevölkerung ausgesetzt. Auch die nur noch etwa 100 Juden (1948 waren es noch rund 30.000) schweben in ständiger Angst um ihre persönliche Sicherheit.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Tilman Zülch, Generalsekretär


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Juli 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2009