Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

NAHOST/117: Irak - Nach US-Truppenrückzug Nationalitätenkonflikte entschärfen!


Presseerklärung vom 29. Juni 2009

Rückzug der US-Truppen aus irakischen Städten

"Kirkuk-Frage" lösen! Hillary Clinton soll irakische Nationalitätenkonflikte entschärfen


US-Außenministerin Hillary Clinton soll sich in Bagdad nach dem Rückzug der amerikanischen Truppen aus den Städten des Irak für eine schnelle Lösung der "Kirkuk-Frage" einsetzen und so Nationalitätenkonflikte entschärfen. "Denn so lange es keine Volksabstimmung über die Forderung der kurdischen Mehrheitsbevölkerung in dieser Provinz nach Anschluss an den autonomen Bundesstaat Kurdistan gegeben hat, wird sich die Sicherheitslage dort immer mehr zuspitzen", warnte der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch, in seinem Schreiben an Clinton. Auch in den Distrikten mit überwiegend kurdischer und christlicher Bevölkerung in den Provinzen Mosul und Diala müsse über eine mögliche Angliederung an Kurdistan, die sicherste und ruhigste Region des Irak, abgestimmt werden. Denn sowohl Terrorgruppen wie Al-Qaida als auch einige Nachbarländer des Iraks hätten unmittelbares Interesse an einer Destabilisierung des Landes. Sie könnten vor allem in den drei nordirakischen Provinzen Konflikte zwischen Kurden, Christen, Arabern und Turkmenen provozieren.

In Kirkuk ist das Verhältnis zwischen den Volksgruppen angespannt, weil hunderttausende Kurden, aber auch Turkmenen und christliche Assyro-Chaldäer unter Saddam Hussein aus der Region vertrieben und an ihrer Stelle Araber aus dem Süd- und Zentralirak angesiedelt wurden. Die meisten Vertriebenen sind mittlerweile in ihre Provinz zurückgekehrt und werden über die Zukunft von Kirkuk mitentscheiden. Sie hoffen auf einen Anschluss an Irakisch-Kurdistan. Die nun seit Jahrzehnten dort angesiedelte arabische Bevölkerung jedoch ist inzwischen wieder in der Minderheit. Sie fühlt sich Bagdad zugehörig. Die irakische Regierung ist dem Kirkuk-Konflikt bisher aus dem Weg gegangen, obwohl sie laut Artikel 140 der Verfassung Spuren der "praktizierten Unterdrückungspolitik" des Diktators beseitigen und geeignete Maßnahmen der Wiedergutmachung ergreifen soll. So sollen alle Vertriebenen zurückkehren und es soll eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region durchgeführt werden.

Auch in der Provinz Mosul wird über die Zugehörigkeit einiger mehrheitlich von Kurden (Muslimen und Yeziden), Christen und Shabak bewohnten Distrikte bzw. Unterdistrikte wie Sinjar, Shekhan, Telkaif, Karaqosh, Zammar, Bahshiqa, Aski Kalak gestritten. Muslimische und yezidische Kurden sowie eine große Mehrheit von Christen und Shabak befürworten einen Anschluss ihrer Siedlungsgebiete an Irakisch-Kurdistan. Bei den Provinzwahlen Ende Januar 2009 haben diese Volksgruppen mit großer Mehrheit die pro-kurdische Liste "Brüderlichkeit für Niniveh" gewählt. In der Gesamtprovinz gewann jedoch die "Al Hadaba-Liste", ein Sammelbecken radikalislamischer, arabisch-nationalistischer Gruppen. Eine Zusammenarbeit im Rat war bisher unmöglich.

Die Provinz Diala mit der Hauptstadt Baquba wird hauptsächlich von sunnitischen Arabern bewohnt. Hier werden drei Distrikte, Khanaqin (96% Kurden), Kifri (95% Kurden) und Mandali (90% Kurden) mehrheitlich von Kurden bewohnt. Diese werden auch faktisch von Kurden verwaltet, gehören jedoch formell der Zentralregierung in Bagdad an.


*


Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den . Juni 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2009