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MELDUNG/174: Koalitionsvertrag "menschenrechtlich sehr durchwachsen"


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 9. Februar 2018

Kein klares Signal für Vorrang von Menschenrechten - Koalitionsvertrag "menschenrechtlich sehr durchwachsen" - Bekenntnis zur Förderung von Religionsfreiheit, indigenen Rechten und Kampf gegen Straflosigkeit begrüßt


Göttingen, den 9. Februar 2018 - Als "menschenrechtlich sehr durchwachsen" hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) den Koalitionsvertrag von SPD und CDU bezeichnet. "Wir vermissen, dass Menschenrechte zur Leitlinie deutscher Außenpolitik erklärt werden", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen, "stattdessen wird deutlich signalisiert, dass Wirtschaftsinteressen vorgehen. Das wird in Fragen von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien ganz deutlich. Da wird das in den Sondierungsgesprächen vereinbarte Verbot, dem Königreich Patrouillenboote zu liefern, verwässert. Auch fehlt es im neuen Koalitionsvertrag an einem klaren Bekenntnis zur Schutzverantwortung für Opfer von Völkermord und Verbrechen gegen Menschlichkeit, das in der vorherigen Vereinbarung noch enthalten war. Große menschenrechtliche Krisen wie das Drama der Rohingya in Burma oder der Flüchtlingskatastrophe im Südsudan werden ignoriert."

Den Plan der Koalitionspartner, die politische "Stabilisierung" Ägyptens zu fördern, hält die GfbV für einen fatalen Irrweg. "Ägypten ist eine Diktatur. Da gibt es nichts zu stabilisieren, wenn Menschenrechten nur halbwegs Bedeutung beigemessen wird. Dieser Koalitionsvertrag liest sich wie ein Bekenntnis zur Abwehr von Flüchtlingen", kritisierte Delius. "Für Opfer verfolgter ethnischer und religiöser Minderheiten wird es schwieriger werden, in Deutschland Schutz zu finden."

"Positiv ist das Engagement für weltweite Glaubensfreiheit, das mit der Ernennung eines Beauftragten für Religionsfreiheit unterstrichen wird. Außerdem begrüßen wir es, dass Deutschland nach Jahren der Blockade nun endlich mit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 die Rechte indigener Völker stärken will", sagte der Menschenrechtler. Erfreulich sei auch, dass der Kampf gegen Straflosigkeit gefördert und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) verstärkt unterstützt werden soll. "Gerade beim Bekenntnis zur Stärkung dieses Gerichts darf es nicht bei leeren Willensbekundungen bleiben, sondern wir erwarten mehr Engagement Deutschlands für eine bessere Finanzierung der Anklagebehörde des IStGH. Wenn sie in dem weltweiten Kampf gegen Straflosigkeit punkten will, dann braucht sie mehr Kapazität, um glaubwürdig ermitteln zu können."

Zwar wird der Anspruch auf einen nicht-ständigen Sitz Deutschlands im Weltsicherheitsrat bekräftigt, doch der Koalitionsvertrag bietet wenig zu den weltpolitisch bedeutsamen Themen wie der Rolle Chinas, dem Streit um die Expansion der Volksrepublik in Ostasien und der Bedeutung Indiens. China sei kein Garant für "Stabilität, sondern für Friedhofsruhe", sagte Delius. "Nur mit einem Satz wird Indien erwähnt, ohne auf die zuvor so sehr hervorgehobene Frage des Schutzes religiöser Minderheiten einzugehen. So bleibt der Koalitionsvertrag Stückwerk, um den Wählerinnen und Wählern zu gefallen. Aber es fehlt an überzeugenden Konzepten und Glaubwürdigkeit."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. Februar 2018
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2018

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