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EUROPA/395: Hannovers Polizeipräsident diskriminiert Rußlanddeutsche


Presseerklärung vom 5. Juni 2007

Gesellschaft für bedrohte Völker stellt Strafanzeige gegen Hannovers Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa wegen möglicher Volksverhetzung - Kollektive Diskriminierung von 28.000 russlanddeutschen Kindern, Frauen und Männern unerträglich - Russlands "Prügelpolizisten" nicht gegen deutsche Staatsbürger einsetzen - Rathausfraktionen sollen Rassismus verurteilen und Klosa zur Rechenschaft ziehen!


Nach rassistischen Äußerungen des hannoverschen Polizeipräsidenten Hans-Dieter Klosa gegen russlanddeutsche Spätaussiedler hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag angekündigt, Anzeige bei der Hannoveraner Staatsanwaltschaft wegen möglicher Volksverhetzung, kollektiver rassistischer Verunglimpfung einer deutschen Minderheit und wegen Verletzung elementarster rechtsstaatlicher Regeln zu stellen. Der geplante Einsatz von russischen Polizisten in Hannover gegen deutsche Staatsbürger, nämlich gegen eine Gemeinschaft von 28.000 im Raum Hannover ansässigen russlanddeutschen Kindern, Frauen und Männern verstößt nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation gegen die freiheitlich rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Klosa hatte die russlanddeutschen Aussiedler als eine "Klientel" attackiert, die "durch Gewaltbereitschaft auffällt", hieß es im Göttinger Tageblatt und der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung am 31. Mai. "Freundlichkeit beim Umgang mit Spätaussiedlern führe leider oft nicht zum Ziel." Russische Polizisten aus Hannovers Partnerstadt Ivanowo sollten bei der Hannoverschen Polizei bis zu drei Monate im Jahr hospitieren. Klosa suche die Zusammenarbeit mit den Polizisten aus dem halb totalitären Russland, um "mehr über den Umgang mit russischen Spätaussiedlern zu erfahren". Schließlich sollten Polizisten aus Hannover ausgerechnet in Ivanowo energisches und entschlossenes Auftreten gegen Aussiedler lernen.

"Die Gesellschaft für bedrohte Völker qualifiziert diese pauschalen kollektiven Anschuldigungen als rassistische Agitation", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Sicher kennt Klosa die Auswertung der niedersächsischen Kriminalstatistik, der zufolge die Aussiedler-Krimininalität im Lande Niedersachsen niedriger ist als die der hier ansässigen Ausländer und einheimischen Deutschen. "Vergleichbare Statistiken der Länder Hessen (niedrigere Kriminalität der deutschen Aussiedler) und der Freien und Hansestadt Hamburg (gleiche Kriminalitätsquote wie bei der einheimischen deutschen Bevölkerung) aus dem Jahre 2006 sollten bekannt sein. In einer Studie aus dem Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie von Nordrhein-Westfalen werde die Zahl der tatverdächtigen Spätaussiedler im Land mit 2,4 % angegeben bei einem Bevölkerungsanteil von 4,5 %. Bei den auffälligen Jugendlichen handele es sich um eine kleine Gruppe, den kriminellen Aussiedler als solchen gäbe es nicht. Ein Großteil der Kriminalität im Jugendalter sei eine vorübergehende, oft episodenhafte Entwicklung.

"Unsere Menschenrechtsorganisation erinnert daran, dass die Polizei in Russland in zahlreiche Mordaktionen gegen Oppositionelle, Journalisten und Menschenrechtler verwickelt ist, dass Demonstrationen demokratischer Parteien niedergeknüppelt werden, dass sie friedlich protestierende Bürger verhaftet", kritisierte Zülch. Russland nehme bei der Bewertung der Pressefreiheit laut "Reporter ohne Grenzen" nach zahlreichen Diktaturen den 147. Platz ein. Nach "Transparency International" ist Russland einer der korruptesten Staaten der Welt (Platz 121 von 163 erfassten Ländern).

"Statt totalitär geprägte Polizisten gegen deutsche Bürger einzusetzen, sollte Hannovers Polizei endlich eine ausreichende Zahl Polizisten russlanddeutscher Herkunft einstellen und russlanddeutsche Psychologen beschäftigen", forderte Zülch.


Bild hetzt im "Stürmerstil"

Die Gesellschaft für bedrohte Völker bedauert, dass ausgerechnet BILD-Hannover am 30. Mai 2007 im "Stürmerstil" den Einsatz von russischen Polizisten, begleitet von nur einem deutschen Kollegen, in Niedersachsens Hauptstadt begrüßt und die deutschen Aussiedler als "betrunkene Russlandaussiedler" bezeichnet. Dies sei eine Wortwahl, die an vergangen geglaubte nazistische Terminologie anknüpft und den Prinzipien des Hauses Springer eigentlich widerspreche.


350.000 Tote - jeder vierte Russlanddeutsche fiel Stalin zum Opfer

Die Gesellschaft für bedrohte Völker nimmt die Agitation des Polizeipräsidenten von Hannover gegen die russlanddeutsche Volksgruppe zum Anlass, auf das furchtbare Schicksal der Russlanddeutschen unter sowjetischer Herrschaft hinzuweisen:

Bereits in den Revolutions- und Bürgerkriegsjahren wurden Tausende russlanddeutsche Bauern Opfer von Massenerschießungen durch die Rote Armee, die Sondereinheiten der Bolschewiki und die so genannten Machnoformationen. Zahlreiche Menschenopfer forderte dann die katastrophale Hungersnot von 1921/22. Allein in der späteren autonomen sozialistischen Wolgarepublik wurden 48.000 Hungertote registriert. Während der beginnenden Kollektivierung wurden 50.000 wohlhabendere Bauern 1929 nach Sibirien deportiert. Etwa 20 % von ihnen fanden den vorzeitigen Tod. In den Jahren 1932/33 starben während der staatlich herbeigeführten Hungerkatastrophe sechs bis sieben Millionen Menschen, unter denen sich 100.000 Deutsche befanden. 53.000 bis 56.000 russlanddeutsche Opfer forderten die Massenerschießungen während des Terrors von 1937/38. Wenigstens diese Opfer wurden bis heute vollständig rehabilitiert.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden 794.000 Russlanddeutsche nach Kasachstan und Sibirien deportiert. 350.000 Frauen, Jugendliche und Männer wurden im Laufe des Krieges in Zwangsarbeitslager eingewiesen. Von etwa 60.000-70.000 deutschen Lageropfern ist auszugehen. Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass 70.000-80.000 Menschen während der Deportation oder wegen der kaum erträglichen Bedingungen in den Verbannungsorten gestorben sind, so dass insgesamt mit 150.000 Opfern von Zwangsmaßnahmen in den Jahren 1941-1945 zu rechnen ist.

Diese Zahlen sind sehr niedrig angesetzt. Die Zahl der Opfer wird etwa 350.000 betragen haben. Würde man die Konvention der Vereinten Nationen zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes auf diese Verbrechen anlegen, wurde der Tatbestand des Genozids nach menschlichem Ermessen zutreffen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen / Hannover vom 5. Juni 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2007