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ASIEN/582: Chinas Religionsbehörde will eigene christliche Theologie entwickeln


Presseerklärung vom 8. August 2014

Chinas Religionsbehörde will eigene christliche Theologie entwickeln

Gesellschaft für bedrohte Völker warnt vor stärkerer Einmischung des chinesischen Staates in Glaubensfragen



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor der angekündigten Entwicklung einer eigenständigen christlichen Theologie in China. "Dies ist keine Chance für mehr Glaubensfreiheit in China: Denn staatliche Stellen werden eine chinesische christliche Theologie nur dafür benutzen, um Gläubige wirksamer zu kontrollieren und zu gängeln. Dies zeigen alle Erfahrungen des tibetischen Buddhismus und des Islam in China, die die staatliche Religionsbehörde zu vereinnahmen sucht", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Wenn Chinas sozialistische Machthaber den eigenen Weg zu kulturellen und religiösen Werten propagieren, ist Vorsicht geboten! Denn dies deutet für Chinas Bürgerinnen und Bürger immer eine Einschränkung von Menschenrechten. Da spielt es keine Rolle, dass sich die Volksrepublik völkerrechtlich verbindlich dazu verpflichtet hat, die Menschenrechte zu achten."

Der Direktor der staatlichen Religionsbehörde, Wang Zuon, hatte am Donnertsag in einem Interview mit der Tageszeitung "China Daily" erklärt, man wolle eine eigene Version des Christentums entwickeln, um den nationalen Bedingungen Chinas besser Rechnung zu tragen. "Wer diesen Beteuerungen glaubt, ist blauäugig", sagte Delius. "Denn welches andere Interesse sollte eine erklärtermaßen atheistische Führung haben, als Chinas religiösen Boom zu kontrollieren und zu kanalisieren. Ähnlich geht man in Fragen der Menschenrechte vor, wenn Chinas Führung sich auf so genannte eigene kulturelle und gesellschaftliche Werte beruft, um internationale Standards in Menschenrechtsfragen in Frage zu stellen."

China hat sich in seiner Verfassung zur Achtung der Glaubensfreiheit verpflichtet, missachtet jedoch regelmäßig gegenüber protestantischen Hauskirchen, der katholischen Kirche, dem tibetischen Buddhismus und dem Islam in Xinjiang/Ostturkestan diese verbindlichen Vorgaben. So mischt man sich seit Jahren in Fragen des tibetischen Buddhismus ein und erzwingt die Bestellung eines von der chinesischen Führung bestimmten Panchen Lamas. Äbte buddhistischer Klöster werden nach Belieben abgesetzt, Nonnen und Mönche dazu gezwungen, sich schriftlich von ihrem religiösen Oberhaupt zu distanzieren. Muslimische Imame werden in Xinjiang/Ostturkestan zur Gehirnwäsche und zur Kooperation mit den Sicherheitsdiensten gezwungen, Regeln des Ramadan und muslimische Bekleidungsvorschriften werden systematisch verletzt.

"Eine von der Religionsbehörde entwickelte christliche Theologie wird die christlichen Kirchen in China noch mehr gleichschalten und ihnen jeden Gestaltungsraum nehmen", warnte Delius. "Auch wenn sich sogar der Vatikan um eine Annäherung bemüht, ist dies ein trojanisches Pferd, vor dem sich alle Christen in China hüten sollten."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. August 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2014