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ASIEN/572: Bundeskanzlerin soll sich in China für mehr Rechtsstaatlichkeit einsetzen


Presseerklärung vom 6. Juli 2014

Bundeskanzlerin soll sich in China für mehr Rechtsstaatlichkeit einsetzen

China verurteilt ehemalige Insassinnen von Arbeitslager wegen Klage auf Entschädigung zu Haftstrafen



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, sich auf ihrer China-Reise für mehr Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. "Deutschland unterhält einen Rechtsstaatsdialog mit der Volksrepublik, doch Chinas Justiz wird immer willkürlicher und unberechenbarer", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Der Erfolg des Rechtsstaatsdialogs muss sich an der Justiz-Realität messen lassen, denn der Dialog erfüllt keinen Selbstzweck." Am Wochenende war bekannt geworden, dass acht ehemalige Insassinnen eines berüchtigten Arbeitslagers zu Gefängnisstrafen zwischen einem und anderthalb Jahren verurteilt wurden, weil sie es gewagt hatten, Entschädigung für die Haft und die dabei erlittene Folter zu fordern. Auch wurden am letzten Donnerstag in der Stadt Zhengzhou erneut zwei Rechtsanwälte förmlich verhaftet, die chinesische Demokraten vor Gericht verteidigen wollten, die am 25. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens versucht hatten, der Opfer des Blutbades zu gedenken.

Die früheren Insassinnen Sun Rongyou, Zhu Jianyun, Zhang Hongshu, Su Dezhan, Zhao Lifan, Shi Junmai und Li Liyong des Frauen-Umerziehungslagers Masanja in der Provinz Liaoning hatten Entschädigung für ihre willkürliche Inhaftierung sowie für die in der Haft verübten Menschenrechtsverletzungen verlangt. Das Arbeitslager war landesweit für Folter und schwerste Menschenrechtsverletzungen berüchtigt. Falun Gong-Anhängerinnen beschrieben nach ihrer Freilassung das Lager als große Folterkammer, in der noch schlimmere Verhältnisse herrschten als in regulären chinesischen Gefängnissen. Nach der angekündigten offiziellen Abschaffung der Arbeitslager im November 2013 hatten die ehemaligen Gefangenen gehofft, nun endlich Gerechtigkeit zu bekommen. "Doch für Opfer von Arbeitslagern gibt es auch nach deren offizieller Abschaffung noch immer keine Gerechtigkeit in China", erklärte Delius. Die Frauen waren im März 2014 festgenommen und im April förmlich verhaftet worden. Mitte Juni wurden die Frauen verurteilt, aber die Urteile wurden erst jetzt bekannt.

Die Rechtsanwälte Ji Laisong und Chang Boyang wurden am letzten Donnerstag in der Stadt Zhengzhou (Provinz Henan) gemeinsam mit fünf ihrer Mandanten förmlich verhaftet. Sie werden der "Störung der öffentlichen Ordnung" beschuldigt, weil sie auf der Freilassung ihrer Mandanten bestanden hatten, die am Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens der Opfer des Blutbades öffentlich gedenken wollten. Seit 37 Tagen waren sie im Gewahrsam der Sicherheitsbehörden und wurden nun offiziell verhaftet. "Chinesisches Strafprozessrecht und die darin festgeschriebenen Rechte der Rechtsanwälte werden in diesem Verfahren grob missachtet und mit Füßen getreten. Das ist keine Rechtsprechung, sondern eine Farce einer Willkürjustiz", erklärte Delius.

Insgesamt wurden in China mindestens 17 Personen wegen ihres Gedenkens an die Opfer des Massakers förmlich verhaftet und müssen mit Strafverfahren rechnen. Weitere 130 Menschen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen oder unter Hausarrest gestellt.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2014